EAS 984
Errichtet eine österreichische Kapitalgesellschaft auf einer als Steueroase bekannten britischen Kanalinsel eine Investitions-Tochtergesellschaft und werden dieser namhafte Finanzierungsmittel zur Verfügung gestellt, wobei die vereinnahmten Zinserträge in dieser Gesellschaft thesauriert und solcherart der österreichischen Besteuerung entzogen werden, so ist zunächst zu prüfen, ob es sich hierbei um einen ausländischen Kapitalanlagefonds im Sinn des § 42 des Investmentfondsgesetzes BGBl. Nr. 532/1993, handelt.
Gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 InvFG gilt als "ausländischer Kapitalanlagefonds" jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegt ist, wobei die Rechtsform unerheblich zu bleiben hat. Dass ein solches Vermögen einer Vielzahl von Anlegern gehört ist nicht Voraussetzung für die Klassifizierung als "ausländischer Kapitalanlagefonds"; auch wenn ein solches Fondsvermögen nur einem einzigen Anleger gehört, kann ein solches Vermögen daher als "ausländischer Kapitalanlagefonds" anzusehen sein.
Ist die ausländische Tochtergesellschaft als "ausländischer Kapitalanlagefonds" einzustufen, dann fallen auch die nichtausgeschütteten Fondserträgnisse als "ausschüttungsgleiche Erträge" in die österreichische Steuerpflicht; das internationale Schachtelprivileg des § 10 Abs. 2 (sowie auch die Regelung des Abs. 3) KStG gilt nur für tatsächlich vorgenommene Ausschüttungen und ist daher nicht anwendbar.
Sollte eine steuerliche Erfassung der Kapitalerträge als "ausschüttungsgleiche Erträge" nicht stattfinden, dann müsste noch untersucht werden, ob die Kanalinselgesellschaft tatsächlich über einen so ausreichend dimensionierten Geschäftsbetrieb verfügt, dass sie die mit der Vermögensveranlagung zusammenhängenden Funktionen auch tatsächlich selbst wahrnimmt. Erste Anhaltspunkte für eine derartige "Funktionsanalyse" werden die Gewinn- und Verlustrechnung und die Bilanz der Tochtergesellschaft liefern können.
Sollte es beispielsweise so sein, dass die Tochtergesellschaft eine bloße Briefkastengesellschaft oder ein ähnliches Gebilde ist, und sollten daher beispielsweise die Aufgaben der Vermögensverwaltung von einer (nicht nahe stehenden) Investmentgesellschaft wahrgenommen werden, dann spricht die Vermutung dafür, dass es nicht die Kanalinselgesellschaft ist, die in eigener Verantwortung die Vereinbarungen über die Verwaltung ihres Vermögens mit der Investmentgesellschaft trifft und überwacht, sondern dass diese Funktionen der österreichischen Muttergesellschaft zugeordnet werden müssen, da nur diese über entsprechend qualifizierte Mitarbeiter verfügt. In einem solchen Fall, wenn sonach zwar das formale Eigentum an den Vermögenswerten der Kanalinselgesellschaft übertragen worden ist, das wirtschaftliche Eigentum aber nach wie vor bei der österreichischen Muttergesellschaft liegt, weil nur diese die entsprechenden Dispositionen über das Vermögen zu treffen in der Lage ist, dann werden auch die Zinsenerträge steuerlich dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen sein.
Zu dem gleichen Ergebnis müsste eine Untersuchung der Geschäftsbeziehungen zwischen der österreichischen Muttergesellschaft und der ausländischen Tochtergesellschaft aus dem Blickwinkel des Fremdverhaltensgrundsatzes führen, da es diesem Grundsatz widerspricht, wenn eine funktionslose Gesellschaft Gewinne erzielt (vgl. zB 2.26 der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien, AÖF Nr. 114/1996).
9. Dezember 1996
Für den Bundesminister:
Dr. Loukota
Für die Richtigkeit
der Ausfertigung:
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 42 InvFG 1993, Investmentfondsgesetz, BGBl. Nr. 532/1993 |
Schlagworte: | Steueroasenländer, Steueroasengebiet, Steueroasengesellschaft, Zinsen, internationale Schachtelbeteiligung, internationale Schachtelbefreiung, steuerliche Zurechnung, Fremdverhaltensgrundsatz, Briefkasten-Tochtergesellschaft, Briefkasteneigenschaft, Verrechnungspreisgrundsätze |
Verweise: | BMF 08.07.1996, 04 0610/188-IV/4/96, AÖF Nr. 114/1996 |