VwGH 2013/08/0106

VwGH2013/08/01062.7.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des PS in V, vertreten durch die Dr. Reinhard Tögl RechtsanwaltgesmbH in 8010 Graz, Neutorgasse 47, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 26. April 2013, Zl. BMASK-429870/0001- II/A/3/2013, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. CS in R, 2. HS in V,

3. Steiermärkische Gebietskrankenkasse in 8010 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, 4. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 5. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65- 67), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1151;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §539a;
ABGB §1151;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §539a;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid (Spruchpunkt II.2.) stellte die belangte Behörde fest, dass der Erstmitbeteiligte im Zeitraum vom 2. Februar bis zum 31. Dezember 2004 und der Zweitmitbeteiligte vom 1. Jänner 2004 bis um 31. Dezember 2006 auf Grund ihrer Beschäftigung bei der beschwerdeführenden Partei der Vollversicherung nach dem ASVG sowie der Arbeitslosenversicherungspflicht nach dem AlVG unterliegen.

Der Beschwerdeführer übe seit August 2003 das Gewerbe "Trockenausbau und Stuckateurmeister" aus. Er montiere für verschiedene Auftraggeber Ständerwände und Decken in Trockenbauweise. Sämtliche Aufträge seien von diesem akquiriert und übernommen worden. Die unbestrittene Tätigkeit des Erstmitbeteiligten (des Vaters des Beschwerdeführers) und des Zweitmitbeteiligten, die seit Juni 2003 über einen Gewerbeschein für das "Verspachteln von Ständerwänden zur Beseitigung von Unebenheiten und Stößen" verfügten, habe darin bestanden, die montierten Gipskartonplatten zu verspachteln. Wenn der Beschwerdeführer Decken montiert habe, habe im Regelfall der Zweitmitbeteiligte geholfen. Der Erst- und Zweitmitbeteiligte hätten keine organisatorische Infrastruktur (Büro, PC), keine eigenen Dienstnehmer und nur einen einzigen Auftraggeber, den Beschwerdeführer, gehabt. Sie hätten über Kleinwerkzeug und ein Handy verfügt. Das Arbeitsmaterial (Gipskartonplatten) sei vom Beschwerdeführer beigestellt worden. Zwischen ihm und dem Erstbzw. Zweitmitbeteiligten habe es keine schriftlichen Verträge betreffend die Bauvorhaben gegeben. Der Beschwerdeführer habe den Erst- und den Zweitmitbeteiligten mündlich über die zu erledigenden Arbeiten informiert. Dabei habe er ihnen auch mitgeteilt, wann sie mit der Ausführung zu beginnen hätten und wann die Arbeiten fertiggestellt sein müssten. Die Abrechnung sei nach Quadratmetern bzw. nach Stunden, und zwar über bestimmte Zeiträume (Kalenderwochen), erfolgt. Die vom Erst- und Zweitmitbeteiligten gestellten Rechnungen seien vom Beschwerdeführer auf dessen Computer geschrieben worden. Im Verwaltungsverfahren habe der Beschwerdeführer vorgebracht, die Kosten für die Arbeitsmittel ("Fuhrpark") seien von den "Auftragnehmern" getragen worden. Die "Auftragnehmer" hätten auf eigene Kosten zur jeweiligen Baustelle kommen und das Werkzeug für das Spachteln sowie ein Handy bereitstellen müssen. Außer den - von den jeweiligen Auftraggebern - gesetzten Fristen habe es keine weiteren Zeitvorgaben gegeben. Es habe kein Konkurrenzverbot und ein "Ablehnungsrecht" gegeben. Zum Beweis sei die Befragung der drei beteiligten Personen beantragt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Tätigkeit im Wesentlichen darin bestanden habe, montierte Gipskartonplatten zu verspachteln. Dies stelle nicht die "Erbringung eines Werkes" als im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung dar. Das Entgelt sei vom Beschwerdeführer pro Quadratmeter oder pro Zeiteinheit berechnet worden. Für den Erst- und Zweitmitbeteiligten habe keine Gelegenheit bestanden, an der Festlegung des Entgelts in irgendeiner Weise kalkulatorisch bzw. erfolgsbezogen mitzuwirken. Die Abrechnung sei nicht nach Erreichen eines bestimmten Erfolges bzw. nach der Erstellung eines Werkes, sondern nach bestimmten Zeiträumen (Kalenderwochen) erfolgt. Es sei somit nicht vom Vorliegen eines Werkvertrages als Zielschuldverhältnis, sondern vom Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses auszugehen. Die vorgegebenen Fristen (Beginn und Ende der Tätigkeit) seien einzuhalten gewesen, weshalb sich die zu besorgenden Arbeiten im Kern doch an den Bedürfnissen des Dienstgebers zu orientieren hätten. Das Kleinwerkzeug und das Handy seien kein wesentliches Betriebsmittel. Erst- und Zweitmitbeteiligter hätten über keine organisatorische Infrastruktur (Büro, PC) verfügt. Die von ihnen gelegten Rechnungen seien auf dem Computer ihres "Auftraggebers" (des Beschwerdeführers) ausgedruckt worden. Der Erst- und der Zweitmitbeteiligte seien in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit tätig gewesen. Der für die rechtliche Beurteilung maßgebliche Sachverhalt sei ausreichend geklärt, weshalb eine neuerliche Einvernahme des Beschwerdeführers und des Erst- und Zweitmitbeteiligten zu unterbleiben hätte. Die verrichteten Verspachtelungsarbeiten stellten einfache manuelle Tätigkeiten dar, bei denen in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden könne. Der Gewerbeschein für das "Verspachteln von Gipskartonplatten" schließe das Vorliegen eines Dienstverhältnisses nicht aus. Die Innehabung solcher Gewerbescheine sei Teil eines verbreiteten Missbrauchs der Gewerbeordnung, der der Verschleierung abhängiger Beschäftigungsverhältnisse diene.

Gegen diesen Bescheid (Spruchpunkt II.2.) richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z 1 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bringt vor, der Erst- und Zweitmitbeteiligte seien selbständig tätig gewesen. Bei der Beurteilung, ob ein Dienstverhältnis vorliege oder ein selbständiger Werkvertrag als Subunternehmer, sei eine Reihe von Umständen zu Lasten des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt worden. Wenn jemand über eine Gewerbeberechtigung verfüge und nach den Bestimmung des GSVG Beiträge abführe, so liege "ein schwer wiegender Umstand vor, dass es sich um einen Subunternehmer handelt". Es habe ausschließlich Angaben über eine Leistungsentlohnung nach bearbeiteten Flächen gegeben. Für ein Dienstverhältnis wäre hingegen eine Entlohnung nach Zeitabschnitten typisch. Die belangte Behörde habe zu Unrecht das Vorliegen eines Werkvertragsverhältnisses verneint. Das Werk habe "eben in der Durchführung dieser Spachtelarbeiten" bestanden. Was für den Beschwerdeführer die Erbringung eines Werkes darstelle, müsse auch bei der Weitergabe an einen Subunternehmer in gleicher Weise beurteilt werden. Es sei "bei einer Vielzahl von Berufen üblich, dass das Werk in Dienstleistungen besteht". Die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass überhaupt kein Aufwandersatz geleistet worden sei und dass es kein Konkurrenzverbot gegeben habe. Der Erst- und der Zweitmitbeteiligte hätten auch für einen anderen Auftraggeber (L.) gearbeitet. Sie seien nicht permanent für den Beschwerdeführer tätig gewesen, nicht in dessen Betrieb eingegliedert gewesen und hätten keine vorgegebene Arbeitszeit gehabt. Sie seien nicht den Bedürfnissen des Dienstgebers unterworfen gewesen, weil sie nur Fristen des Auftraggebers des Beschwerdeführers hätten einhalten müssen. Dass Spachtelarbeiten auf einer Baustelle in einem gewissen Zeitrahmen zu erfolgen hätten, sei bei selbständigen Tätigkeiten typisch. Wenn all das, was gegenüber dem Hauptunternehmer normal im Rahmen eines selbständigen Auftragsverhältnisses erfolge, gegenüber dem Subunternehmer "plötzlich eine Unterwerfung der Arbeitszeitschriften soll", so sei die diesbezügliche Beurteilung verfehlt. Der Erst- und Zweitmitbeteiligte hätten auch die wesentlichen Arbeitsmittel selbst bereitgestellt, weil sie mit dem "eigenen Firmenbus" zur Baustelle gefahren seien und das Werkzeug für das Spachteln das Werkzeug für die Kerntätigkeit gewesen sei. Erst- und Zweitmitbeteiligter hätten für Gewährleistungsansprüche einstehen müssen, weil sie, wenn es Fehler gegeben habe, diese kostenlos auszubessern hätten. Damit liege auch das Unternehmerrisiko vor. Unzutreffend sei weiters, dass es keine "organisierte Infrastruktur" gebe. Ein Einmannunternehmer, der hauptsächlich auf Baustellen Spachtelarbeiten ausführe, benötige eine solche umfassende Infrastruktur nicht. Die belangte Behörde habe auch nicht geprüft, "ob die beiden genannten Personen Aufträge ablehnen konnten".

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten - wie den vorliegenden Spachtelarbeiten -, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, Zl. 2010/08/0129). Atypische Umstände, die einer solchen Beurteilung entgegenstehen würden, sind hier nicht ersichtlich, zumal nicht festgestellt (und auch nicht behauptet) wurde, dass der Erst- oder Zweitmitbeteiligte über eine eigene betriebliche Organisation oder (abgesehen vom Spachtelwerkzeug) über nennenswerte Betriebsmittel verfügt hätte, eigene unternehmerische Entscheidungen hätte treffen können, oder - außer für den Beschwerdeführer - in maßgeblicher Weise auch noch für verschiedene andere Auftraggeber Spachteltätigkeiten verrichtet und in der Art selbständig am Markt auftretender Unternehmer seine Spachteltätigkeiten erfolgreich angeboten hätte. Zwischen dem Erstbzw. Zweitmitbeteiligten und dem Beschwerdeführer besteht auch kein Werkvertragsverhältnis, vor dessen Hintergrund die Arbeiten des Erst- bzw. Zweitmitbeteiligten als selbständige Erwerbstätigkeiten aufgefasst werden könnten. Ein Werkvertrag müsste sich auf die entgeltliche Herstellung eines Werkes als eine individualisierte, konkretisierte und gewährleistungstaugliche Leistung beziehen, die eine in sich geschlossene Einheit bildet. Werden unter den vorliegenden Umständen (Fehlen einer eigenen betrieblichen Organisation und Beschränkung auf die Disposition über die eigene Arbeitskraft) laufend zu erbringende (Dienst‑)Leistungen nur in (zeitliche oder nach Mengen definierte) Abschnitte zerlegt und zu "Werken" erklärt, um diese zum Gegenstand der Leistungsverpflichtung zu machen, so ist dies bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 539a ASVG) für die Beurteilung der Pflichtversicherung nicht maßgebend (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 2013, Zlen. 2013/08/0093 und 2013/08/0078, sowie das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/08/0162).

Der Umstand, dass der Erst- und Zweitmitbeteiligte über eine Gewerbeberechtigung verfügten, nach dem GSVG versichert waren, eine Leistungsentlohnung erhielten, keinen Aufwandersatz erhielten, keinem Konkurrenzverbot unterlagen und auch für eine andere Firma gearbeitet haben, stehen der Beurteilung als abhängige unselbständige Beschäftigung iSd § 4 Abs. 2 ASVG nicht entgegen.

Da somit bereits das Beschwerdevorbringen erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 2. Juli 2013

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