VwGH 2013/07/0106

VwGH2013/07/010625.7.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des J F in B, vertreten durch Dr. Dietmar Fritz, Rechtsanwalt in 6870 Bezau, Unterdorf 10, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Vorarlberger Landesregierung vom 23. Mai 2013, Zl. LAS-410/0668, betreffend Entschädigung für ein landwirtschaftliches Bringungsrecht (mitbeteiligte Parteien: 1. H M und 2. L M, beide in R, beide vertreten durch Dr. Paul Sutterlüty, Dr. Wilhelm Klagian, Dr. Claus Brändle und MMag. Josef R. Lercher, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Marktstraße 4), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs7;
AVG §63 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs7;
AVG §63 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Oberste Agrarsenat beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft räumte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 29. Juni 2010 zugunsten näher genannter, in seinem Eigentum stehender Grundstücke ein unbegrenztes Geh-, Fahr- und Viehtriebsrecht über Grundstücke der mitbeteiligten Parteien ein. Die Entscheidung über die Entschädigung blieb der Agrarbezirksbehörde B (ABB) vorbehalten.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens verpflichtete die ABB den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 13. November 2012 zur Zahlung eines einmaligen Entschädigungsbetrages an die Beschwerdeführer in der Höhe von EUR 110,--.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Die belangte Behörde beraumte eine mündliche Verhandlung für den 17. Mai 2013 an und ergänzte das Ermittlungsverfahren durch Einholung einer Stellungnahme des landwirtschaftlichen Sachverständigen, aus der im Ergebnis hervorgeht, dass der Entschädigungsbetrag zu gering bemessen worden sei; die Entschädigung müsste EUR 205,-- betragen.

Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2013 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer diese Stellungnahme des Sachverständigen in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis.

Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 3. Mai 2013 zog der Beschwerdeführer seine Berufung zurück und beantragte die Abberaumung der mündlichen Verhandlung.

Dieser an die belangte Behörde adressierte Schriftsatz wurde per Fax an jene Fax-Nummer gesendet, die auf der Ladung zur mündlichen Verhandlung als Fax-Nummer der belangten Behörde angeführt war. An dieser Adresse langte er - nach den Angaben der belangten Behörde in der Gegenschrift - am 3. Mai 2013 um 11:12 Uhr ein und wurde seitens der Zentralpoststelle des Amtes der Vorarlberger Landesregierung an die ABB weitergeleitet, wo er bei der Sachbearbeiterin der ABB am 13:30 Uhr einging.

Eine Weiterleitung des Schriftsatzes an die belangte Behörde erfolgte nicht.

Diese führte am 17. Mai 2013 die mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers durch und entschied mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. Mai 2013 über die Berufung des Beschwerdeführers dahingehend, dass der von ihm zu leistende Entschädigungsbetrag mit EUR 205,-- neu festgesetzt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet den angefochtenen Bescheid deshalb als rechtswidrig, weil er bereits vor Bescheiderlassung die Berufung rechtswirksam zurückgezogen hatte.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, stellte in der Gegenschrift den Sachverhalt näher dar und wies darauf hin, von der Zurückziehung der Berufung im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht informiert gewesen zu sein.

Die mitbeteiligten Parteien beantragten die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde und brachten vor, dass der Beschwerdeführer nach § 6 AVG die Gefahr der fehlerhaften Weiterleitung der Berufungszurückziehung zu tragen habe. Dem Beschwerdeführer hätte auffallen müssen, dass die in der Ladung genannte Fax-Nummer von derjenigen abwiche, die auf dem Schriftsatz der belangten Behörde zu finden sei, mit dem dem Beschwerdeführer gegenüber das Parteiengehör gewahrt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Zurücknahme einer Berufung ist eine (unwiderrufliche) einseitige prozessuale Erklärung (vgl. das hg. Erkenntnis 3. April 1973, 1502/72, ua), die mit dem Einlangen der Zurücknahmeerklärung bei der Behörde rechtsverbindlich und damit wirksam wird, und zwar ohne daß es hier einer formellen Annahmeerklärung der Behörde bedürfte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. November 2008, 2006/11/0150, und vom 10. Oktober 1997, 96/02/0144, mwN).

Die Zurückziehung einer Berufung wird mit dem Zeitpunkt ihres Einlangens bei der Behörde wirksam. Ab diesem Zeitpunkt ist - mangels einer aufrechten Berufung - die Pflicht der Berufungsbehörde zur Entscheidung weggefallen und das Berufungsverfahren ist einzustellen (vgl. u.a. den hg. Beschluss vom 23. Oktober 1987, 87/17/0193).

Fraglich ist, ob im vorliegenden Fall eine rechtswirksame Zurückziehung der Berufung erfolgte oder nicht. Daran ist aber nicht zu zweifeln.

Die belangte Behörde lud u.a. den Beschwerdeführer zur mündlichen Verhandlung; auf der Ladung findet sich eine Fax-Nummer der belangten Behörde, an welche der Schriftsatz mit der Zurückziehung der Berufung gesendet wurde. Dieser Schriftsatz war zudem ausdrücklich an die belangte Behörde adressiert.

Dass es sich bei der verwendeten Fax-Nummer gar nicht um diejenige der belangten Behörde gehandelt habe, wird seitens der belangten Behörde nicht behauptet; nach dem Akteninhalt gibt es dafür auch keine Hinweise. Die in diese Richtung gehende Behauptung der mitbeteiligten Parteien entbehrt jeder Grundlage. Es trifft zwar zu, dass sich die Fax-Nummer, die auf der Ladung angegeben ist, und diejenige, die sich auf anderen Schriftsätzen der belangten Behörde befindet, geringfügig unterscheidet (es findet sich bei letzterer zusätzlich die Ziffer 9 vor den Ziffern der Nebenstelle), allerdings kann eine Behörde durchaus auch über mehrere Fax-Nummern verfügen.

Wie den Verwaltungsakten zu entnehmen ist, ging die ABB davon aus, dass gerade deshalb, weil an die Fax-Nummer der belangten Behörde gefaxt worden und der Schriftsatz auch an diese adressiert gewesen war, ihr (der ABB) der Schriftsatz lediglich zur Kenntnis übermittelt worden wäre. Das verspätete Einlangen der Berufung bei der belangten Behörde wurde demnach nicht durch die Verwendung einer bestimmten Fax-Nummer verursacht.

Der Beschwerdeführer hatte seine Berufung gegen den Bescheid der ABB vom 13. November 2012 rechtswirksam bereits am 3. Mai 2013 zurückgezogen. Ab diesem Zeitpunkt fehlte es der belangten Behörde an der Entscheidungskompetenz über die Berufung; das Berufungsverfahren wäre einzustellen gewesen.

Eine Behörde, welche einen antragsbedürftigen Bescheid erlässt, obwohl kein diesbezüglicher Antrag der Partei vorliegt, verletzt das Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung (vgl. unter vielen die hg. Erkenntnisse vom 26. Juli 2012, 2010/07/0215, und vom 25. April 2003, 2003/12/0032).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. Juli 2013

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