VwGH 2012/02/0132

VwGH2012/02/013221.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Beck, Dr. Köller und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Bundesministers für Gesundheit in 1030 Wien, Radetzkystraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 25. April 2012, Zl. UVS 20.3-3/2012-27, betreffend Abnahme nach § 37 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 Tierschutzgesetz (mitbeteiligte Partei: H in L, vertreten durch Dr. Christian Riesemann, Rechtsanwalt in 8042 Graz, St. Peter Gürtel 4), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §67a Z2;
TierschutzG 2005 §37 Abs1 Z2;
TierschutzG 2005 §37 Abs2;
TierschutzG 2005 §37;
TierschutzG 2005 §4 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §67a Z2;
TierschutzG 2005 §37 Abs1 Z2;
TierschutzG 2005 §37 Abs2;
TierschutzG 2005 §37;
TierschutzG 2005 §4 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Am 7. Dezember 2011 wurden vom Amtstierarzt der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz dem Tierhalter Herbert R.-H. 205 adulte Schafe und 60 Lämmer gemäß § 37 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 Tierschutzgesetz abgenommen.

Gegen diese Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erhob der Mitbeteiligte, welcher der Bruder des Tierhalters und Eigentümer der abgenommenen Tiere ist, Beschwerde bei der belangten Behörde. Begründend wurde ausgeführt, dass durch die Abnahme der Tiere in das subjektive Recht des Eigentümers (Grundrecht auf Eigentum) eingegriffen worden sei. Dies wäre durch Anwendung gelinderer Mittel abzuwenden gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erklärte die belangte Behörde die Abnahme der Schafe durch den Amtstierarzt der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz am 7. Dezember 2011 für rechtswidrig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Bundesministers für Gesundheit. Dessen Beschwerdelegitimation ergibt sich aus Art. 131 Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 2 Abs. 1 Z 2 BMG und dessen Anlage 2 lit. E Z 2.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 4 Z 1, des § 30 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 8 sowie des § 37 Tierschutzgesetz (TSchG) lauten:

"Begriffsbestimmungen

§ 4. Die nachstehenden Begriffe haben in diesem Bundesgesetz jeweils folgende Bedeutung:

1. Halter: jene Person, die ständig oder vorübergehend für ein Tier verantwortlich ist oder ein Tier in ihrer Obhut hat;

Entlaufene, ausgesetzte, zurückgelassene sowie von der Behörde beschlagnahmte oder abgenommene Tiere

§ 30. (1) Die Behörde hat - soweit eine Übergabe an den Halter nicht in Betracht kommt - Vorsorge zu treffen, dass entlaufene, ausgesetzte, zurückgelassene sowie von der Behörde beschlagnahmte oder abgenommene Tiere an Personen, Institutionen und Vereinigungen übergeben werden, die eine Tierhaltung im Sinne dieses Bundesgesetzes gewährleisten können. Diese Personen, Vereinigungen oder Institutionen (im Folgenden: Verwahrer) haben die Pflichten eines Halters.

(3) Solange sich Tiere im Sinne des Abs. 1 in der Obhut der Behörde befinden, erfolgt die Unterbringung dieser Tiere auf Kosten und Gefahr des Tierhalters.

(8) Die Ausfolgung von Tieren im Sinne des Abs. 1 an Personen, die ein Eigentumsrecht an diesen Tieren geltend machen, bedarf der Zustimmung der Behörde.

Sofortiger Zwang

§ 37. (1) Die Organe der Behörde sind verpflichtet,

1. wahrgenommene Verstöße gegen §§ 5 bis 7 durch unmittelbare behördliche Befehls- und Zwangsgewalt zu beenden;

2. ein Tier, das in einem Zustand vorgefunden wird, der erwarten lässt, dass das Tier ohne unverzügliche Abhilfe Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst erleiden wird, dem Halter abzunehmen, wenn dieser nicht willens oder in der Lage ist, Abhilfe zu schaffen.

(2) Wenn dies für das Wohlbefinden des Tieres erforderlich ist, können Organe der Behörde Personen, die gegen §§ 5 bis 7 verstoßen, das betreffende Tier abnehmen. Die Organe der Behörde sind berechtigt, bei Tieren, für die das Weiterleben mit nicht behebbaren Qualen verbunden ist, für eine schmerzlose Tötung zu sorgen.

(3) Für abgenommene Tiere gilt § 30. Sind innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme im Sinne des Abs. 2 die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Haltung des Tieres aller Voraussicht nach geschaffen, so ist es zurückzustellen. Andernfalls ist das Tier als verfallen anzusehen."

Die Erläuterungen zu § 4 Z 1 TSchG (GP XXII RV 446, 6) führen zum Halterbegriff aus:

"In Anlehnung an die Legaldefinition in Art. 2 Z 2 der umzusetzenden Richtlinie 98/58/EG über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere definiert Z 1 als Halter jene (natürliche oder juristische) Person, die ständig oder vorübergehend für ein Tier verantwortlich ist und ein Tier in ihrer Obhut hat. Die Haltereigenschaft kann auch auf mehrere Personen zutreffen. Wer zur Tierhaltung berechtigt ist, wird in § 12 Abs. 1 dieses Bundesgesetzes geregelt."

Aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides ergibt sich eindeutig, dass "Halter" der Tiere der Bruder des Mitbeteiligten Herbert R.-H. war. Dieser war für die verfahrensgegenständlichen Schafe verantwortlich und entschied damit über die Haltungsumstände (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2008, Zlen. 2007/05/0125, 0128). Die Annahme, dass dem Mitbeteiligten neben seinem Bruder auch die Haltereigenschaft zugekommen ist, verbietet sich bereits auf Grund der Aussage des Mitbeteiligten selbst, wonach sein Bruder "die ganze Betreuung der Schafzucht über hat".

Die Abnahme eines Tieres nach § 37 TSchG sieht als Adressaten eindeutig und ausschließlich den Halter vor, setzt eine Abnahme doch begrifflich die Sachherrschaft des Halters voraus und beendet diese durch - wie es in der Überschrift des § 37 TSchG lautet - sofortigen Zwang (vgl. Irresberger/Obenaus/Eberhart, Tierschutzgesetz, Kommentar, 2005, 155).

Der Mitbeteiligte als Eigentümer der abgenommenen Tiere konnte somit durch die Maßnahme nach § 37 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 TSchG - unabhängig von der Frage ihrer Rechtswidrigkeit - in seinen Rechten gar nicht verletzt sein. Seine Beschwerde nach § 67a Z 2 AVG wäre daher von der belangten Behörde zurückzuweisen gewesen (vgl. den hg. Beschluss vom 25. Februar 1983, Zl. 2971/80, VwSlg. 10.984 A/1983, und das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1988, Zl. 85/03/0073).

Gemäß § 37 Abs. 3 TSchG gilt für abgenommene Tiere § 30 TSchG. Damit treffen auch sämtliche Kostenfolgen für die Unterbringung der abgenommenen Tiere gemäß § 30 Abs. 3 TSchG den Tierhalter und somit den Bruder des Mitbeteiligten. Zudem bleibt es dem Mitbeteiligten unbenommen, als Eigentümer der abgenommenen Tiere die Ausfolgung derselben gemäß § 30 Abs. 8 TSchG zu begehren.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 21. September 2012

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