Normen
BEinstG §8 Abs4 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
BEinstG §8 Abs4 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird - soweit damit die Berufung abgewiesen und die Zustimmung zu einer erst auszusprechenden Kündigung des Beschwerdeführers erteilt wurde - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2004 hatte die Mitbeteiligte die nachträgliche Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Kündigung vom 30. November 2002, in eventu die Zustimmung zu einer zukünftig auszusprechenden Kündigung, beantragt. Der Beschwerdeführer habe sich im Jahr 2001 224 Tage und im Jahr 2002 334 Tage im Krankenstand befunden. Das Dienstverhältnis sei aufgekündigt worden, weil der Beschwerdeführer zwischen 30. Juni 2001 und 30. November 2002 keine für den Dienstgeber verwertbare Arbeitsleistung erbracht habe.
Mit Bescheid vom 21. Jänner 2005 hatte der Behindertenausschuss für Wien beim Bundessozialamt, Landesstelle Wien, die nachträgliche Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Kündigung gemäß § 8 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) erteilt.
Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid - in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides - der Antrag der Mitbeteiligten auf nachträgliche Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Kündigung abgewiesen, die Zustimmung zur erst auszusprechenden Kündigung des Beschwerdeführers gemäß § 8 BEinstG jedoch erteilt.
Begründend wurde ausgeführt, der 1962 geborene Beschwerdeführer sei seit 9. Jänner 1997 bei der Mitbeteiligten beschäftigt. Er sei in die Beamtendienstgruppe der Physikatsärzte eingereiht und im Krankenhausmanagement auf einem Arbeitsplatz für medizinische Strukturentwicklung und Public Health im Verantwortungsbereich für die medizinischen und gesundheitlichen Inhalte der Gesundheitsplanung verwendet worden. Aufgrund des Bescheides des Bundessozialamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. Mai 2004 gehöre er mit Wirksamkeit vom 14. Mai 2001 mit einem Grad der Behinderung von 80 v. H. dem Kreis der begünstigten Behinderten an.
In Reaktion auf den Antrag der Mitbeteiligten habe sich der Beschwerdeführer gegen die Kündigung ausgesprochen und ausgeführt, er hätte in den Jahren 2001 und 2002 längere Krankenstände in Anspruch genommen, weil er nach wiederholten "Mobbing-Attacken" durch Mitarbeiter und Organe der Mitbeteiligten massive Gesundheitsbeeinträchtigungen erlitten hätte, welche ihm eine Fortsetzung seiner Tätigkeit unmöglich gemacht hätten; bereits bei Dienstantritt wäre ihm zu verstehen gegeben worden, dass er als Dienstnehmer nicht erwünscht gewesen wäre; dies hätte sich durch nachträglich geänderte Bedingungen bei der Stellenausschreibung, die nicht vereinbarungskonforme Einstufung wie auch die nicht erfolgte Pragmatisierung gezeigt; deshalb wäre es in den Jahren 2001 und 2002 zu einer Schwächung des Immunsystems, einem Burn-Out-Syndrom und zu einer schweren Infektion der Atemwegsorgane gekommen; der letzte und zeitlich umfangreichste Krankenstand wäre darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer am 22. Oktober 2001 bei Dienstantritt von einem Unbekannten gestoßen worden und daher über eine Treppe hinabgestürzt wäre.
Aus im angefochtenen Bescheid näher dargelegten Gründen sei klargestellt, dass die Mitbeteiligte zum Zeitpunkt des Kündigungsschreibens bereits über 14 Monate Kenntnis vom Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gehabt habe. Da kein "besonderer Ausnahmefall" vorliege, der eine Einholung der Zustimmung vor der Kündigung für den Dienstnehmer unzumutbar gemacht habe, sei der Antrag auf nachträgliche Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Kündigung in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen und der Berufung daher insoweit Folge zu geben gewesen.
Die Zustimmung zu einer erst auszusprechenden Kündigung sei hingegen aus folgenden Gründen - in diesbezüglicher Abweisung der Berufung - zu erteilen gewesen: Dem Beschwerdeführer sei sowohl zum Zeitpunkt der ausgesprochenen Kündigung als auch derzeit die Tätigkeit eines Spitalsmanagers mit Führungsfunktion, verbunden mit Verantwortungs- und Leistungsdruck, nicht weiter zumutbar, weil das vorliegende medizinische Leistungskalkül hierbei überschritten werde bzw. aus demselben Grund keine entsprechenden Verweisungsberufe mit Vorgesetztenstatus in den Betrieben der Antragstellerin namhaft gemacht werden könnten. Dies ergebe sich aus den schlüssigen und logisch begründeten medizinischen Sachverständigengutachten, und zwar dem neurologischpsychiatrischen Gutachten von Univ.-Prof. Dr. P und dem internistischen Gutachten von Univ.-Prof. Dr. R, sowie aus dem berufskundlichen Sachverständigengutachten von Mag. K und Dr. E. Beim Beschwerdeführer liege seit etwa sieben Jahren Dienstunfähigkeit vor. Eine Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit zwecks Einsatzes auf seinem Arbeitsplatz oder auf einem dem Dienstvertrag entsprechenden kalkülsadäquaten Ersatzarbeitsplatz sei nicht zu erwarten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde sowie Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei über die - erkennbar nur gegen den die Berufung abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides gerichtete - Beschwerde erwogen:
1.1. Mit Erkenntnis vom 1. Juli 2011, G 80/10-12 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof den jeweils auf Art. 140 Abs. 1 B-VG gestützten Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes, "den durch die Novelle BGBl. Nr. 313/1992 eingefügten § 19a Abs. 2a erster Satz des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in eventu § 8 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1999, als verfassungswidrig aufzuheben", keine Folge gegeben.
1.2. Zur maßgebenden Rechtslage und den Anforderungen an eine Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten nach § 8 Abs. 2 BEinstG wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2011, Zl. 2011/11/0142, mwN, verwiesen.
1.3. Daraus ist hervorzuheben, dass der Verwaltungsgerichtshof die von der Behörde gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG zu treffende Ermessensentscheidung ausschließlich daraufhin zu prüfen hat, ob die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, welche Prüfung freilich voraussetzt, dass alle für die Entscheidung wesentlichen tatsächlichen Umstände unter Einhaltung der maßgebenden Verfahrensvorschriften ermittelt und in der Bescheidbegründung festgestellt wurden.
2. Diese Anforderung erfüllt der angefochtene Bescheid nicht.
2.1. Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung erkennbar auf § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG. Nach dieser Bestimmung ist der Verlust der Fähigkeit des begünstigten Behinderten, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, im Zusammenhalt mit der Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung ein Grund, im Rahmen der Interessenabwägung dem Dienstgeber nicht die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zuzumuten, dies mit der Folge, dass die Zustimmung zu einer (erst auszusprechenden) Kündigung zu erteilen sein wird.
2.2. Treten bei einem Dienstnehmer Krankenstände auf, die ihn laufend in einem weit über dem Durchschnitt liegenden Maß an der Dienstleistung hindern, so ist er zur Erfüllung seiner Dienstpflichten nicht mehr im Stande. Auf welche Gründe diese - berechtigten - Krankenstände zurückzuführen sind, ist - jedenfalls solange sie nicht auf ein Verhalten oder Unterlassen des Dienstgebers zurückzuführen sind - nicht erheblich. Eine aus der hohen Zahl der Krankheitstage ableitbare ungünstige Prognose und die Tatsache, dass weit überdurchschnittliche Krankenstände durch einen langen Zeitraum nahezu regelmäßig aufgetreten sind, rechtfertigen eine Kündigung gemäß § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2012, Zl. 2011/11/0145, mwN).
2.4. Der Beschwerdeführer erklärte sich im gegenständlichen Verwaltungsverfahren bereits bei seiner ersten Einvernahme vor dem Bundessozialamt arbeitsbereit und arbeitswillig. Die Krankenstände wurden vom Beschwerdeführer zwar nicht bestritten, jedoch wies er von Beginn an darauf hin, dass sie durch Mobbing und Druck am Arbeitsplatz verursacht worden seien. Die Mitbeteiligte wiederum hat dies durch das gesamte Verfahren hindurch bestritten.
2.5. Neben den von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten, eingangs genannten Sachverständigengutachten findet sich in den Verwaltungsakten das im Zuge des Berufungsverfahrens vom Beschwerdeführer selbst vorgelegte fachärztliche Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. S. vom 23. März 2006. Dieses kommt zu folgendem Ergebnis:
"…
Die in der Exploration getätigten Aussagen (werden) gestützt
durch diverse Akten:
- wie rückwirkende An/Abmeldungen bei der Sozialversicherung,
- doppelte Ladungen für Amtsarzttermine über eineinhalb Jahre hinweg,
- Untersuchungstermine, die vom Dienstgeber storniert wurden, werden bis heute als nicht eingehalten und damit als Dienstvergehen klassifiziert,
- Krankenstand der im Urlaub stattfand und wo die Krankmeldung angeblich nie eintraf, jedoch ein Dokument mit Eingangsstempel von 6.6.2001 vorliegt,
- Den Krankenstand (22.10.2001 bis 30.11.2002), der als Begründung für die Kündigung herangezogen wird, obwohl er durch Vorgänge am Arbeitsplatz hervorgerufen worden war
Beginn und Verlauf der 'Berufsprobleme' des Untersuchten zeigen eindeutige Merkmale von idealtypischen Mobbingverläufen.
Die vorbestehenden und nachfolgenden langen Krankenstände lassen sich durch entsprechende Befunde nachvollziehen. Das Auftreten von somatischen Erkrankungen ist in deutlichem zeitlichen Zusammenhang mit vorbestehenden Belastungssituationen zu sehen. Die psychopathologische Symptomatik ist eindeutig durch die aufgetretenen Belastungen (existenzgefährdende Schikanen am Arbeitsplatz) hervorgerufen. Zwei stationäre Aufenthalte in Privatkrankenhäusern dokumentieren schwere akute Belastungsreaktionen mit starker Somatisierungstendenz. (Privatklinik (D) Befund 26.5.2002 und KH (B) Befund 18.9.2002). Die gestellten Diagnosen 'Burn-out' entsprechen in diesen Fällen der ICD Diagnose 'akute Belastungsreaktion'. Das vorbestehende Mobbing ist somit als kausal für das Auftreten dieser Belastungsreaktionen anzusehen. Stattgehabtes Mobbing ist anhand der Aktenlage teilweise objektivierbar.
Die bereits von Univ.-Prof. (G) gestellte Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung bezieht sich im erhobenen psychiatrischen Befund jedoch nicht nur auf die durch den Arbeitsunfall hervorgerufenen Symptome, sondern in stärkerem Maße auf die durch Mobbing am Arbeitsplatz über einen langen Zeitraum immer wieder ausgelösten Belastungsreaktionen (kulminierendes Trauma).
Allerdings bestand nach den eingesehenen Befunden zu urteilen, nach Abschluss der Kur eindeutig Arbeitsfähigkeit; der Untersuchte war offensichtlich so weit gebessert, dass er seiner Dienstverpflichtung im seinerzeitigen Arbeitsfeld (welches keiner Amstarzttätigkeit entsprach) hätte nachkommen können. Nach Auswertung der damaligen Befunde kommt die Gutachterin zum Schluss, dass zum Kündigungszeitpunkt eindeutig eine positive Prognose bestanden hat.
Die stattgebende Kündigung vom 30.11.2002 stellt aus Sicht der Gutachterin eine weitere massive seelische Belastung dar, welche zu eine weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Untersuchten beigetragen haben dürfte (siehe Befunde ab Herbst 2002). Bei der Untersuchung am 21.9.2005 zeigte Herr Dr. (M) noch deutliche Symptome einer posttraumatischen Belastungsreaktion. Die daraus resultierende Stressintoleranz ist jedoch nicht als so gravierend einzuschätzen, dass der Untersuchte nicht unter entsprechend geschützten Bedingungen in einem gewohnten Arbeitsfeld derzeit als eigeschränkt arbeitsfähig zu betrachten ist.
…
Insgesamt und zusammenfassend ist fachärztlich festzustellen, dass bei Herrn Dr. (M) unter Berücksichtigung seiner Angaben und der beigebrachten Unterlagen eindeutig Mobbing bestand, und der Untersuchte wiederum unter Berücksichtigung seiner Angaben und der beigebrachten Unterlagen zum Zeitpunkt der Kündigung arbeitsfähig war."
2.6. Dieses fachärztliche Gutachten, welches eindeutig im Widerspruch zu den von der belangten Behörde herangezogenen Gutachten und dem Vorbringen der Mitbeteiligten steht und nach dem überdies nicht auszuschließen ist, dass die Krankenstände des Beschwerdeführers (zumindest zum Teil) auf ein Verhalten oder Unterlassen des Dienstgebers zurückzuführen sind (vgl. das zitierte Erkenntnis Zl. 2011/11/0145), wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht einmal erwähnt. Nach der oben wiedergegebenen Judikatur wäre allerdings eine Auseinandersetzung mit diesem Gutachten zur zweifelsfreien und vollständigen Ermittlung des strittigen Sachverhalts betreffend sowohl die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers als auch die Ursache für seine Krankenstände notwendig gewesen, um der Entscheidung alle wesentlichen tatsächlichen Umstände zu Grunde legen zu können und eine Nachprüfung der Ermessensentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof zu ermöglichen.
3. Da der angefochtene Bescheid jedoch keine Auseinandersetzung mit dem zitierten Gutachten enthält, war er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 18. September 2012
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