VwGH 2011/18/0072

VwGH2011/18/007212.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des MM in W, vertreten durch Mag. Sebastian Kellermayr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. November 2010, Zl. E1/399.272/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art3;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art3;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen georgischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer, dessen Identität mangels Personaldokumente nicht geklärt sei, sei am 6. April 2002 unrechtmäßig in Österreich eingereist. Am 11. April 2002 habe er einen Asylantrag gestellt, dem am 22. März 2007 in letzter Instanz nicht Folge gegeben worden sei. Die Behandlung einer dagegen eingebrachten Beschwerde sei am 15. Februar 2010 (richtig: mit hg. Beschluss vom 27. Jänner 2010, Zl. 2008/23/1109) abgelehnt worden.

Bereits früher, nämlich mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 13. April 2005, sei gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dem sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer eine Beschäftigung entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes aufgenommen habe. Eine dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde sei mit Erkenntnis vom 3. Juli 2008, Zl. 2005/18/0186, abgewiesen worden.

Es bestehe kein Zweifel, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet unrechtmäßig sei und sohin die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Es sei im Rahmen der Interessenabwägung zu beachten, dass der Beschwerdeführer ledig sei und keine Sorgepflichten habe. Er habe zwar geltend gemacht, eine Lebensgemeinschaft mit einer Frau zu führen, mit der er lediglich kirchlich verheiratet sei. Es sei jedoch aktenkundig, dass diese Frau zufolge eines Beschlusses des Bezirksgerichtes Hernals gemäß § 382e EO (diese Bestimmung regelt die Möglichkeit der Erlassung einer einstweiligen Verfügung zum allgemeinen Schutz vor Gewalt) lediglich als seine Lebensgefährtin bezeichnet werde. Diese habe sich im November 2009 vom Beschwerdeführer getrennt, weil er mehrmals gewalttätig geworden sei. Auch nach dem Auszug des Beschwerdeführers aus ihrer Wohnung hätte er die Frau insofern weiter bedroht als sie alles machen hätte sollen, damit er zu einem Aufenthaltstitel käme. Der Beschwerdeführer hätte sie mehrmals dazu zu bewegen versucht, ihn für fremdenrechtliche Zwecke an ihrer Wohnanschrift polizeilich zu melden. Weiters hätte sie - über Drängen des Beschwerdeführers - angeben sollen, dass er "ihr Mann" sei. Am 28. Juli 2010 sei der Beschwerdeführer gegenüber dieser Frau "deswegen" (offenbar gemeint: weil sie seinen Wünschen nicht nachgekommen sei) aggressiv geworden und habe gedroht, sie umzubringen. Darüber hinaus sei auch aktenkundig, dass der Beschwerdeführer bereits in Deutschland unter verschiedenen Identitäten in Erscheinung getreten sei. Mit der genannten Frau bestehe jedenfalls seit 14. Juni 2010 selbst nach den polizeilichen Meldedaten kein gemeinsamer Wohnsitz mehr.

Zwar sei angesichts der genannten Umstände von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, jedoch sei dieser Eingriff zulässig, weil er zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten sei. Gegen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Bereich des Fremdenwesens verstoße, wer einen Asylantrag stelle, der sich als nicht berechtigt erweise, und im Anschluss an das Asylverfahren Österreich nicht verlasse. Der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers stütze sich ausschließlich auf seinen unberechtigten Asylantrag. Er habe in Österreich keine familiären Bindungen, keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Sein Lebensunterhalt sei bis zuletzt durch öffentliche Mittel finanziert worden. Er lebe in einem "Quartier der Diakonie". Es seien auch keine Umstände geltend gemacht worden, die eine besondere Integration des Beschwerdeführers annehmen ließen. Sohin wiege das Ausmaß der dem Beschwerdeführer zurechenbaren Integration keinesfalls derart schwer, wie es "die Dauer seines Aufenthalts implizieren" würde. Es sei auch nicht zu erkennen, dass sich der Beschwerdeführer als erwachsener, offenbar gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter in seinem Heimatland nicht reintegrieren könnte. Seinen eigenen Angaben zufolge lebe seine Mutter in G, weshalb er dort auch familiäre Bindungen aufweise. Allfällige mit einer Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft verbundene Schwierigkeiten habe der Beschwerdeführer hinzunehmen. Seinen privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet komme sohin kein derartiges Gewicht zu, dass demgegenüber die öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten hätten.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt nicht vor, über irgendeine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet zu verfügen. Angesichts dessen begegnet die behördliche Beurteilung, er halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, und es sei der eine Ausweisung ermöglichende Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt, keinen Bedenken.

Soweit der Beschwerdeführer in seinen Ausführungen geltend macht, es lägen in seinem Fall asylrechtlich relevante Gründe bzw. Gründe, die im Sinn des Art. 3 EMRK seine Ausweisung und Abschiebung unzulässig machen würden, vor, ist er darauf hinzuweisen, dass dies nicht im gegenständlichen Verfahren zu überprüfen ist, weil dafür eigene Verfahren zur Verfügung stehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. November 2010, Zl. 2007/18/0901, mwN); ein solches Verfahren - fallbezogen ein Asylverfahren - hat der Beschwerdeführer im Übrigen auch tatsächlich angestrengt.

Wenn der Beschwerdeführer des Weiteren - mit Blick auf § 66 FPG - vorbringt, dass er sich bereits acht Jahre in Österreich aufhalte, die Bindung an seine Mutter in G "aus der Natur der Sache heraus vergangen" sei, er Bindungen an Freunde und Vereinskollegen in Österreich aufweise, seinen gesamten Lebensmittelpunkt nach Österreich verlegt habe und seine Familie mit seiner Lebensgefährtin zerstört werde, zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde ist bei der nach § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung davon ausgegangen, dass mit der gegenständlichen Ausweisung ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Dabei hat sie die Dauer des bisherigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ausreichend berücksichtigt. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Richtigkeit der behördlichen Feststellungen, wonach er eine berufliche Integration nicht aufzuweisen habe. Soweit er auf seine Lebensgefährtin hinweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass den Feststellungen zufolge die Lebensgemeinschaft bereits beendet ist und somit insoweit vom Bestehen einer familiären Beziehung nicht mehr auszugehen war. Dass diese Feststellungen unrichtig wären, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt es aber auch hinsichtlich des gegen seine frühere Lebensgefährtin gerichteten festgestellten Fehlverhaltens, das die belangte Behörde bei der Beurteilung, welches Gewicht den öffentlichen Interessen an seiner Aufenthaltsbeendigung beizumessen sei, gewürdigt hat, im vorliegenden Fall nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob er für dieses Verhalten auch strafgerichtlich verurteilt wurde.

Der Beschwerdeführer vermag mit seinem Vorbringen keine Umstände aufzuzeigen, die im Rahmen der gebotenen Abwägung zu dem Ergebnis hätten führen müssen, seine Ausweisung aus Österreich wäre unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK unzulässig. Die geltend gemachten Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer von etwas mehr als 8 1/2 Jahren nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Bei der Bewertung des privaten Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde vor allem auch berücksichtigen, dass er auf Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen konnte, er werde dauerhaft in Österreich verbleiben können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, Zl. 2008/21/0509).

Davon ausgehend wurde das Gewicht der erlangten Integration von der belangten Behörde zutreffend als gemindert angesehen. Den in der Beschwerde geltend gemachten Kontakten zu Bekannten und Vereinskollegen kommt im vorliegenden Fall keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Mit der belangten Behörde ist aber auch darauf hinzuweisen, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die trotz negativen Abschlusses ihres Asylverfahrens in Österreich - unrechtmäßig - verbleiben, was nach dem Gesagten eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstellt (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom 27. Jänner 2011). Es ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher einstufte als das gegenläufige, der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Inlandsaufenthalts des Beschwerdeführers. Ein die Unzulässigkeit der Ausweisung bewirkendes direkt aus Art. 8 EMRK abzuleitendes Aufenthaltsrecht musste dem Beschwerdeführer nicht zugestanden werden, woran letztlich auch die von ihm angesprochene strafrechtliche Unbescholtenheit und der nur mehr lose familiäre Kontakt in seinem Heimatland nichts zu ändern vermögen.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 12. April 2011

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