Normen
AsylG 2005 §10 Abs4;
AsylG 2005;
AVG §68 Abs1;
FrÄG 2009;
FrPolG 2005 §46 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §46a idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §50 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §51 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §76 Abs2a Z1;
EMRK Art3;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;
AsylG 2005 §10 Abs4;
AsylG 2005;
AVG §68 Abs1;
FrÄG 2009;
FrPolG 2005 §46 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §46a idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §50 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §51 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §76 Abs2a Z1;
EMRK Art3;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird
1. dem Antrag, der zur hg. Zl. 2010/21/0352 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht stattgegeben und
2. dem Eventualantrag, eine "einstweilige Anordnung dergestalt zu erlassen, dass die Unzulässigkeit der auf die asylrechtliche Ausweisungsentscheidung gestützten Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland für die Dauer der durch die Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union durch den irischen High Court und den englischen Court of Appeal eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren" festgestellt werde, keine Folge gegeben.
Begründung
Aus der Aktenlage ergibt sich, dass der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, erstmals am 24. Februar 2009 nach Österreich einreiste und einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz stellte. Dieser Antrag wurde gemäß § 5 AsylG 2005 wegen der Zuständigkeit Griechenlands, wo der Beschwerdeführer bereits am 20. Dezember 2008 einen Asylantrag gestellt hatte, (im Instanzenzug) zurückgewiesen und der Beschwerdeführer wurde dorthin ausgewiesen. In Umsetzung dieser Entscheidung wurde der Beschwerdeführer am 24. Juni 2009 nach Griechenland abgeschoben.
Nach seiner Wiedereinreise stellte der Beschwerdeführer am 23. August 2009 neuerlich einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. Auch dieser Antrag wurde gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen und die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Griechenland verfügt. Die Behandlung der gegen das bestätigende Erkenntnis des Asylgerichthofes (rechtskräftig seit 30. November 2009) erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. Jänner 2010 ab, wobei der Beschwerdeführer bereits am 15. Jänner 2010 wieder nach Griechenland überstellt worden war.
Ungeachtet dessen brachte er nach seiner neuerlichen Wiedereinreise bereits am 16. Februar 2010 einen als Folgeantrag (iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gewerteten dritten Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz ein. Über diesen Antrag hat das Bundesasylamt bisher nicht entschieden. Das Bundesasylamt teilte der Fremdenpolizeibehörde mit Schreiben vom 4. März 2010 mit, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 aufgrund des Asylfolgeantrages kein faktischer Abschiebeschutz zukomme. Die hierauf am 8. Juni 2010 - auf Basis der im zweiten Asylverfahren ergangenen Ausweisung - versuchte Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland wurde von ihm vereitelt.
Im Hinblick darauf wurde über den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 8. Juni 2010 gemäß § 76 Abs. 2a Z 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung nach Griechenland verhängt, in der er nach wie vor - nachdem er sich am 21. Juni 2010 und am 20. Juli 2010 durch passiven Widerstand neuerlich seiner Abschiebung widersetzt hatte -
angehalten wird.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 17. August 2010 wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) eine gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 30. Juli 2010 gerichtete Administrativbeschwerde als unbegründet ab und stellte das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung fest. Weiters wies die belangte Behörde den mit der Schubhaftbeschwerde verbundenen Antrag "festzustellen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland für die Dauer des durch die am 29.07.2010 beschlossene Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union durch den irischen High Court eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahrens unzulässig ist," (mangels Zuständigkeit der belangten Behörde) als unzulässig zurück.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die am 30. August 2010 eingelangte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der die aus dem Spruch ersichtlichen Anträge verbunden wurden.
Zum Spruchpunkt 1.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 30 Abs. 2 VwGG begründet der Beschwerdeführer (nur) damit, dass "die Rechtswidrigkeit des die Grundlage für die weitere Anhaltung bietenden bekämpften Bescheids klar zu Tage tritt". Diesbezüglich sei - so die weitere Antragsbegründung - zusammenfassend nochmals darauf zu verweisen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in Umsetzung der im zweiten Asylverfahren ergangenen Ausweisungsentscheidung unzulässig sei, weshalb die Voraussetzungen für die Fortdauer der Schubhaft nicht gegeben seien.
Aus dieser Begründung ergibt sich zunächst, dass sich der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Sache nach nur auf den im bekämpften Bescheid enthaltenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft bezieht. Insoweit tritt aber - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - auch unter Einbeziehung der Beschwerdebegründung die Rechtswidrigkeit nicht "klar zu Tage". In der Beschwerde wird nämlich nicht bestritten, dass die im zweiten Verfahren auf Gewährung von internationalem Schutz ergangene Ausweisung, die gemäß § 10 Abs. 6 AsylG 2005 trotz der Abschiebung am 15. Jänner 2010 aufrecht blieb, in Rechtskraft erwachsen ist und dass dem Beschwerdeführer im Verfahren über den am 15. Februar 2010 gestellten dritten Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 12a Abs. 1 AsylG 2005 kein faktischer Abschiebeschutz zukommt. Demzufolge wird in der Beschwerde auch nicht in Frage gestellt, dass der herangezogene Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 2a Z 1 FPG ("wenn gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt") verwirklicht ist. Schließlich wird in der Beschwerde - im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers: zu Recht - auch der Sicherungsbedarf nicht bestritten.
Das wesentliche Beschwerdeargument bezieht sich vielmehr nur darauf, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland aus näher dargestellten Gründen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und daher unzulässig sei. Dem ist zu entgegnen, dass die asylrechtliche Ausweisung, die mit einer Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt, somit von den Asylbehörden über diese Frage bereits rechtskräftig abgesprochen wurde. Die Schubhaftbehörde ist aber an eine rechtskräftige bzw. durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gebunden (vgl. etwa nur das in der Beschwerde zitierte, noch zum FrG 1997 ergangene, aber auch für die insoweit inhaltsgleichen Regelungen des FPG gültige Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2004/21/0319). Das gilt auch für eine (damit verbundene) Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den betreffenden Staat; jedenfalls soweit diesbezüglich eine seither eingetretene Lageänderung nicht evident ist und für die Schubhaftbehörde offenkundig sein muss, was hier nicht der Fall ist (siehe dazu auch die Begründung im angefochtenen Bescheid Seite 23 ff).
Wenn die Beschwerde ins Treffen führt, das Bundesasylamt betreibe Rechtsverweigerung, indem es bisher nicht über den Antrag vom 16. Februar 2010 (und damit über die Frage eines - nach Ansicht des Beschwerdeführers - gebotenen Selbsteintrittes nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO) entschieden habe, wird deutlich, dass der Beschwerdeführer in Wahrheit beim belangten unabhängigen Verwaltungssenat die Säumigkeit des Bundesasylamtes bekämpfen wollte. Diesbezüglich hätte aber nach Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist Mitte August 2010 ohnehin die Möglichkeit zur Einbringung einer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht an den Asylgerichtshof bestanden. Davon hat der Beschwerdeführer im Übrigen nunmehr - nach dem Vorbringen in der vorliegenden Beschwerde am 26. August 2010 - auch Gebrauch gemacht. Dort wäre auf eine rechtzeitige Entscheidung vor Durchführung der Abschiebung des Beschwerdeführers zu dringen. Dass der Gesetzgeber mit der durch das (am 1. Jänner 2010 in Kraft getretene) FrÄG 2009 vorgenommenen Änderung des § 46 FPG die Möglichkeit eines Abschiebungsaufschubes beseitigte und dass die im § 46a FPG nunmehr vorgesehene Duldung in einem Fall wie dem vorliegenden nicht in Betracht kommt, kann aber nicht dadurch umgangen werden, dass im Rahmen eines Schubhaftüberprüfungsverfahrens beim unabhängigen Verwaltungssenat - ohne gesetzliche Grundlage - ein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung gestellt wird. Ein solcher Antrag ist im Gesetz nur im § 51 FPG vorgesehen und in Bezug auf die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung - wie hier - in einen anderen als den Herkunftsstaat dem Wortlaut nach an die Voraussetzung gebunden, dass er während eines Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbots gestellt wird. Zur Klarstellung sei angemerkt, dass der Beschwerdeführer - offenbar wegen Fehlens dieser Voraussetzung - einen solchen Antrag, der vom unabhängigen Verwaltungssenat gemäß § 6 AVG an die Fremdenpolizeibehörde weiterzuleiten gewesen wäre, nach seinem eigenen Vorbringen nicht stellen wollte. Vielmehr begehrte der Beschwerdeführer dem Inhalt der Administrativbeschwerde zufolge von der belangten Behörde eine von den verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 51 FPG unabhängige, auf eine (im Zusammenhang mit der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens durch den irischen High Court stehende) unionsrechtliche Argumentation gestützte Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung.
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die belangte Behörde in der vorliegenden Konstellation weder als Vorfrage noch als Hauptfrage über die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland im Rahmen des bei ihr geführten Schubhaftbeschwerdeverfahrens abzusprechen hatte. Das diesbezügliche Vorbringen in der Beschwerde, auf das sich die Begründung des vorliegenden Antrags erkennbar bezieht, geht daher ins Leere. Angesichts dessen kam die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht.
Ungeachtet dessen ist aber darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen von Abschiebungshindernissen im Sinne des § 50 FPG auch von Amts wegen zu beachten ist. Mit anderen Worten: Die Fremdenpolizeibehörde müsste trotz Rechtskraft und Durchsetzbarkeit der asylrechtlichen Ausweisung von der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland dann Abstand nehmen, wenn die (auch vor dem Hintergrund des Vorbringens des Beschwerdeführers) vorzunehmende Beurteilung der derzeitigen Lage in Griechenland für abgeschobene Asylwerber in der Situation des Beschwerdeführers zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen würde. In diesem Sinne stellen auch die Erläuterungen der Regierungsvorlage für das FrÄG 2009 zu §§ 50 und 51 FPG (330 BlgNR 24. GP 31) klar, dass unabhängig von einem Verfahren nach dem AsylG oder nach § 51 FPG die Pflicht der Fremdenpolizeibehörde "natürlich unberührt bleibt", das Refoulementverbot jederzeit von Amts wegen wahrzunehmen.
Zum Spruchpunkt 2.
Zu diesem Antrag kann in Bezug auf die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung zunächst auf die Ausführungen zu Punkt 1. verwiesen werden. Entscheidend ist aber, dass die Erlassung einer zur Umsetzung von unionsrechtlichen Grundsätzen dienenden einstweiligen Anordnung schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil die in der Beschwerde diesbezüglich ins Treffen geführte Dublin II-VO (insbesondere deren Art. 3 Abs. 2 betreffend den Selbsteintritt) von der belangten Behörde nicht anzuwenden war. Eine Präjudizialität der (nach dem Vorbringen in der Beschwerde: noch nicht bekannten) Vorlagefragen in den genannten Vorabentscheidungsverfahren, die sich offenbar auf die Auslegung der Dublin II-VO beziehen, besteht daher im vorliegenden Verfahren nicht. Somit war auch diesem Antrag nicht Folge zu geben. Wien, am 6. September 2010
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