VwGH 2009/02/0326

VwGH2009/02/032626.1.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des H P in V, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 1. Dezember 2008, Zl. uvs-2008/31/3309-2, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 1. Dezember 2008 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe sich am 21. August 2008 um 22.28 Uhr an einem näher genannten Ort nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vermutet werden habe können, dass er zuvor ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Die Verweigerung der Durchführung des Alkotestes sei dadurch erfolgt, dass er den Tatort verlassen habe.

Er habe dadurch § 5 Abs. 2 i.V.m. § 99 Abs. 1 lit. b StVO übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.500.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 15 Tage) verhängt wurde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 21. August 2008 gegen 22.15 Uhr einen dem Kennzeichen nach näher bezeichneten LKW (sog. "Pick-up") an einem näher genannten Ort gelenkt. Da das Fahrzeug im Zuge dieser Fahrt mehrmals in Richtung Fahrbahnmitte und Gegenfahrbahn gelenkt und anschließend wieder unvermittelt in Richtung des rechten Fahrbahnrandes zurückgelenkt und dies von der Patrouille eines nachfahrenden Polizeifahrzeuges wahrgenommen worden sei, sei es an einem näher genannten Ort zu einer Lenkerkontrolle gekommen.

Im Verlauf dieser Amtshandlung sei beim Beschwerdeführer Alkoholgeruch wahrgenommen worden. Aufgrund dessen sei er zur Ablegung eines Alkomattestes mit dem im Dienstfahrzeug mitgeführten Alkomaten aufgefordert worden. Eine Ablegung eines Alkomattestes sei jedoch nicht sofort möglich gewesen, weil die nach den Verwendungsrichtlinien für den Einsatz von Alkomaten vorgesehene 15-minütige Wartezeit einzuhalten gewesen sei. Im Zuge des Zuwartens habe sich der Beschwerdeführer gegenüber den Polizisten uneinsichtig und unkooperativ verhalten. Er habe mehrfach seinen Unmut über die aus seiner Sicht unangemessene Wartezeit zum Ausdruck gebracht. Der Beschwerdeführer sei dabei von den Beamten über die Folgen einer Verweigerung belehrt worden.

Der Beschwerdeführer habe darauf hingewiesen, dass man früher zur Inspektion gebracht worden sei, um dort den Alkotest durchführen zu können. Er glaube, dass die Polizei die Gesetze manchmal selbst nicht kenne. Schließlich habe er sinngemäß gesagt "Ihr Sterndlfuchser könnt mir nicht vorschreiben, wie lange ich zu warten habe." und habe unmittelbar danach den Ort der Amtshandlung verlassen. Eine Äußerung dahingehend, dass der Beschwerdeführer gesundheitliche Probleme gehabt habe und/oder dringend seine Notdurft verrichten müsse, sei nicht erfolgt.

Nachdem der Beschwerdeführer den Ort der Amtshandlung verlassen und es keinen Hinweis darauf gegeben habe, dass er wieder zurückkehren würde, sei die Amtshandlung für beendet erklärt worden und hätten auch die beiden Beamten mit ihrem Dienstfahrzeug nach ca. 1 bis 2 Minuten den Anhalteort verlassen.

Diese Feststellungen würden sich aufgrund der glaubwürdigen Angaben der einvernommenen Meldungsleger der Polizeiinspektion S. ergeben. Diese hätten einen guten und glaubwürdigen Eindruck gemacht. Dass sich der Beschwerdeführer nach einer Wartezeit von 10 Minuten und somit vorzeitig vor Ablegung des Alkomattestes vom Ort der Amtshandlung entfernt habe, sei unstrittig und werde selbst vom Beschwerdeführer eingeräumt.

Dass der Beschwerdeführer sich im Bezug auf das Vorliegen einer Gesundheitsbeeinträchtigung, bzw. einem dringenden Bedürfnis nachkommen zu müssen, nicht geäußert habe, sei von den Meldungslegern glaubhaft versichert worden. Seitens des Beschwerdeführers sei im Übrigen gar nicht behauptet worden, er habe den Polizeibeamten mitgeteilt, dass er auf Grund einer Magenverstimmung unverzüglich die Toilette aufsuchen müsse.

Die Organe der Straßenaufsicht seien berechtigt gewesen, den Beschwerdeführer zum Alkotest aufzufordern. Es seien Alkoholisierungssymptome (unsichere Fahrweise, Alkoholgeruch der Atemluft) vorgelegen.

Durch sein unbefugtes Entfernen vom Anhalteort und der daraus resultierenden Nachtrunkgefahr habe der Beschwerdeführer seinen Alkoholisierungszustand verschleiert und es sei dabei ohne Belang, ob der Beschwerdeführer später wieder allenfalls an den Anhalteort zurückgekehrt sei. Ebenso sei unerheblich, ob und wie lange die Polizisten auf eine Rückkehr des Beschwerdeführers allenfalls noch zugewartet hätten.

Die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens habe unabhängig davon, dass es sich bei diesem Beweisantrag angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beschwerdeführer selbst im Rahmen seiner Einvernahme und der mündlichen Berufungsverhandlung nie von Magenbeschwerden gesprochen habe, um ein geradezu mutwilliges Vorbringen handle, deswegen unterbleiben können, weil der Beschwerdeführer selbst bei Vorliegen entsprechender akuter medizinischer Beschwerden keinesfalls von der Obliegenheit befreit gewesen wäre, die amtshandelnden Exekutivorgane über diese Beschwerden in Kenntnis zu setzen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof: Dieser lehnte mit Beschluss vom 21. September 2009, B 139/09, ihre Behandlung ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im Zuge der ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, es sei seitens des Verwaltungsgerichtshofs noch nicht geklärt worden, wie lange Polizeibeamte zuwarten sollten, wenn ein Bürger in sein Wohnhaus gehe, um die Toilette aufzusuchen. Es sei nämlich nicht nachvollziehbar, dass Polizeibeamte unverzüglich den Ort der Amtshandlung verlassen und a priori eine Verweigerung eines Alkotests annehmen dürften.

Ferner fehle eine Rechtsprechung darüber, ob ein Polizeibeamter in einem solchen Fall Nachschau halten müsse, ob derjenige, der den Ort der Amtshandlung kurzzeitig verlasse, um auf die Toilette zu gehen, medizinische Hilfe benötige. Die Beamten seien, als der Beschwerdeführer wenige Minuten nach Aufsuchen der Toilette wieder auf die Straße zurückgekehrt sei, nicht mehr vor Ort gewesen. Die Amtshandlung hätte fortgesetzt werden können, was jedoch aufgrund der Abwesenheit der Beamten unmöglich gewesen sei.

Der Beschwerdeführer habe sich vom Anhalteort entfernen müssen bzw. sei dies unumgänglich gewesen. Aufgrund dieser Notstandshandlung fehle es zur Strafbarkeit an der inneren Tatseite, bzw. könne man dem Beschwerdeführer nicht vorwerfen, fahrlässig oder gar vorsätzlich den Alkoholtest verweigert zu haben.

Es sei ferner ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Beweis dafür beantragt worden, dass eine Magenverstimmung, an der der Beschwerdeführer am Vorfallstag gelitten habe, absolut geeignet sei, "ihn dazu anzuhalten", oftmals an diesem Tag die Toilette aufzusuchen. Es seien jedoch überhaupt keine Erhebungen in diese Richtung durchgeführt worden; es könne daher nicht von einem fairen Verfahren nach Art. 6 EMRK gesprochen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 2 StVO sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, zu untersuchen (Z. 1). Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Es entspricht der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2007/02/0019, m.w.N.), dass der objektive Tatbestand bereits mit der Weigerung, sich dem Alkotest zu unterziehen, vollendet ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargelegt hat, gilt als Weigerung, sich dem Atemalkoholtest zu unterziehen, auch ein Verhalten des Probanden, das das Zustandekommen des vorgesehenen Tests verhindert (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2007). Ein solches Verhalten ist darin zu erblicken, dass der Beschwerdeführer jenen Ort, an dem die Atemluftprobe durchgeführt werden sollte, verlässt.

Es entspricht ferner der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. September 2004, Zl. 2001/02/0241), dass den Anordnungen des einschreitenden Straßenaufsichtsorgans im Rahmen der "Zumutbarkeit" Folge zu leisten ist und auch keine Berechtigung des Probanden besteht, die Bedingungen für die Ableistung der Atemluftprobe festzusetzen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag im Rahmen der ihm zustehenden Kontrolle (vgl. näher das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) die Beweiswürdigung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten den Alkomattest im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO verweigert habe, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Es gab nämlich für die einschreitenden Polizeibeamten - wie diese im Zuge ihrer Einvernahme als Zeugen vor der belangten Behörde übereinstimmend darlegten - keinen wie immer gearteten Anhaltspunkt, dass der Beschwerdeführer den Anhalteort zwecks Aufsuchens einer Toilette kurzfristig hätte verlassen müssen. Vielmehr bekundete der Beschwerdeführer gegenüber den Beamten lediglich seinen Unmut über die lange Wartedauer bezüglich der Aufwärmphase des Alkomaten und verließ schließlich den Anhalteort. Durch dieses für die Beamten wahrnehmbare Verhalten hat der Beschwerdeführer bereits den Tatbestand einer Weigerung nach § 5 Abs. 2 StVO verwirklicht.

Es erübrigt sich daher auch auf die Frage näher einzugehen, wie lange Polizeibeamte in einem solchen Fall hätten zuwarten sollen bzw. ob die Polizeibeamten medizinische Hilfe hätten herbeiholen müssen.

Ferner lagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass für den Beschwerdeführer eine Notstandssituation (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 99/02/0077) bestanden habe, zumal der Beschwerdeführer selbst im Zuge seiner Einvernahme vor der belangten Behörde ausführte, dass er in der Wohnung nicht die Notdurft verrichtet habe, sondern "sodann gleich wieder zum Tatort" zurückgekehrt sei. Die in diesem Zusammenhang gerügte Rechtswidrigkeit ist daher nicht gegeben.

In Bezug auf die gerügte unterlassene Einholung eines medizinischen Gutachtens liegt schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor, weil bei der erst lange Zeit nach dem Vorfall durchzuführenden medizinischen Untersuchung des Beschwerdeführers nicht mehr hätte festgestellt werden können, dass dieser tatsächlich zum Vorfallszeitpunkt aufgrund der behaupteten Magenverstimmung eine Toilette hätte aufsuchen müssen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. Jänner 2010

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