VwGH 2009/02/0302

VwGH2009/02/030226.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde 1. des E W und 2. der E-W-W Wirtschaftsgenossenschaft m.b.H., beide in Wien, beide vertreten durch Mag. Martin Paar, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. August 2009, Zl. UVS- 07/S/14/1048/2008-8, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:

Normen

ASchG 1994 §130 Abs1 Z19;
ASchG 1994 §9 Abs1;
ASchG 1994 §9;
AÜG §1 Abs2;
ESV 2003 §2 Abs1 Z2;
VStG §5 Abs1;
VStG §9;
VwRallg;
ASchG 1994 §130 Abs1 Z19;
ASchG 1994 §9 Abs1;
ASchG 1994 §9;
AÜG §1 Abs2;
ESV 2003 §2 Abs1 Z2;
VStG §5 Abs1;
VStG §9;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem in Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Erstbeschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Vorstandsmitglied und somit zur Vertretung nach außen Berufener der zweitbeschwerdeführenden Partei (einer reg. Genossenschaft m.b.H.) zu verantworten, dass diese Genossenschaft als Arbeitgeberin am 29. August 2007 an einem näher genannten Ort die Verpflichtung betreffend die Gestaltung von Arbeitsvorgängen oder die Gestaltung oder Einrichtung von Arbeitsplätzen insofern verletzt habe, als bei Anschlussarbeiten an einer Stromschiene benachbarte, unter Spannung stehende Teile entgegen den Bestimmungen der 5. Sicherheitsregel der ÖVE EN 50110- 1:1997-06 (EN 50110-2-100 eingearbeitet), Punkt 6.2, nicht abgedeckt worden seien, obwohl Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen hätten, dass elektrische Anlagen entsprechend den Bestimmungen der ÖVE EN 50110-1:1997-06 (EN 50110-2-100 eingearbeitet) betrieben würden; insbesondere dürften Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen sowie Arbeiten in der Nähe von unter Spannung stehenden Teilen nur dann durchgeführt werden, wenn diese Arbeiten nach der ÖVE EN 50110-1:1997-06 (EN 50110-2-100 eingearbeitet) zulässig seien und die in der ÖVE EN 50110-1:1997-06 (EN 50110-2-100 eingearbeitet) vorgesehenen Schutzmaßnahmen getroffen worden seien.

Der Erstbeschwerdeführer habe dadurch § 130 Abs. 1 Z. 19 ASchG i.V.m. § 2 Abs. 1 Z. 2 der Elektroschutzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 424/2003, und Punkt 6.2 ÖVE EN 50110-1:1997-06 (EN 50110-2-100 eingearbeitet) sowie § 9 VStG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 1.815.- - (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage 12 Stunden) verhängt wurde.

Ferner wurde ausgesprochen, dass die zweitbeschwerdeführende Partei für die verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführer wenden u.a. ein, für die Beurteilung, inwiefern eine Überlassung von Arbeitskräften vorliege, sei hilfsweise das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) heranzuziehen. Vom AÜG sei die Überlassung von Arbeitskräften innerhalb einer Arbeitsgemeinschaft oder bei der betrieblichen Zusammenarbeit zur Erfüllung gemeinsam übernommener Aufträge nicht umfasst (vgl. § 1 Abs. 2 Z. 4 lit. a AÜG). Die zweitbeschwerdeführende Partei sei im Verhältnis zur E. GmbH (als Arbeitgeberin des verunfallten Arbeitnehmers H. P.) weder als Arbeitsgemeinschaft noch als Konzern zu beurteilen. Definitionsgemäß arbeite die zweitbeschwerdeführende Partei eng mit ihren Mitgliedern zusammen, um diesen Großaufträge, welche die einzelnen Mitgliedsbetriebe nicht alleine akquirieren könnten, zur gemeinsamen Erfüllung derselben zu vermitteln. Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass die E. GmbH kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen der zweitbeschwerdeführenden Partei abweichendes und unterscheidbares Werk hergestellt habe, sondern ausschließlich die Arbeitskraft in der Person des verunfallten H. P. für die Erfüllung der Aufgaben im Rahmen eines näher genannten Kongresses zur Verfügung gestellt habe, sei unrichtig und verkenne das Wesen der Einkaufs- und Wirtschaftsgenossenschaft in Form der zweitbeschwerdeführenden Partei, welche für ihre Mitglieder als Genossenschaft gewissermaßen als Clearingstelle Aufträge entgegennehme und diese Aufträge zur Erfüllung dem Auftraggeber gegenüber an ihre Mitglieder weitergebe, welche die Arbeiten wiederum je nach Bedarf und Anforderung mit einzelnen Mitarbeitern durchführten. Der Umstand, dass es bei Abrechnungen zwischen der zweitbeschwerdeführenden Partei und ihren Mitgliedern zu Vorauszahlungen kommen könne, ändere nichts am Wesen der koordinierten Auftragsakquisition und Durchführung durch die zweitbeschwerdeführende Partei, welche weder überlassene Arbeitskräfte im Sinne des AÜG, noch im Sinne des § 9 ASchG einsetze. Die im Messebereich eingesetzten Arbeitskräfte würden nicht für die zweitbeschwerdeführende Partei, sondern für die einzelnen Mitgliedsunternehmen arbeiten. Eine extensive Auslegung des § 1 AÜG sowie des § 9 Abs. 1 ASchG im Sinne einer Ausweitung der Strafbarkeit verbiete der Grundsatz "nulla poena sine lege."

Ganz in diesem Sinne scheine die belangte Behörde vorzugehen, wenn sie ausführe, dass eine Überlassung von Arbeitskräften über das AÜG hinausgehend auch im Falle von Arbeitsgemeinschaften anzunehmen sei. Der Typus "Akquisition und Verrichtung von Arbeiten im Rahmen einer Wirtschaftsgenossenschaft" sei weder vom AÜG, noch vom ASchG erfasst.

Gemäß § 130 Abs. 1 Z. 19 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 EUR bis

7.260 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 EUR bis

14.530 EUR zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Gestaltung von Arbeitsvorgängen oder die Gestaltung oder Einrichtung von Arbeitsplätzen verletzt.

§ 2 Abs. 1 der Elektroschutzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 424/2003, lautet:

"(1) Arbeitgeber/innen haben dafür zu sorgen, dass elektrische Anlagen entsprechend den Bestimmungen der ÖVE EN 50110- 1:1997-06 (EN 50110-2-100 eingearbeitet) betrieben werden.

Insbesondere

1. müssen Arbeiten an und das Bedienen von elektrischen Anlagen entsprechend der ÖVE EN 50110-1:1997-06 (EN 50110-2-100 eingearbeitet) vorbereitet, gestaltet und durchgeführt werden und

2. dürfen Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen sowie Arbeiten in der Nähe von unter Spannung stehenden Teilen nur dann durchgeführt werden, wenn diese Arbeiten nach der ÖVE EN 50110- 1:1997-06 (EN 50110-2-100 eingearbeitet) zulässig sind und die in der ÖVE EN 50110-1:1997-06 (EN 50110-2-100 eingearbeitet) vorgesehenen Schutzmaßnahmen getroffen sind."

Punkt 6.2 der ÖVE EN 50110-1:1997-06 (EN 50110-2-100 eingearbeitet) lautet:

"Dieser Abschnitt behandelt die wesentlichen Anforderungen zum Herstellen und Sicherstellen des spannungsfreien Zustandes an der Arbeitsstelle für die Dauer der Arbeit. Dies erfordert die eindeutige Festlegung des Arbeitsbereiches.

Nachdem die betroffenen Anlagenteile festgelegt sind, müssen die folgenden fünf wesentlichen Anforderungen (5 Sicherheitsregeln) in der angegebenen Reihenfolge eingehalten werden, sofern es nicht wichtige Gründe gibt, davon abzuweichen:

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