VwGH 2009/21/0284

VwGH2009/21/028424.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Zsizsik & Dr. Prattes Rechtsanwälte OG in 8605 Kapfenberg, Schinitzgasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 14. April 2009, Zl. E 1/2526/2-2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §56 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §65 Abs2;
FrPolG 2005 §65 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §56 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §65 Abs2;
FrPolG 2005 §65 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §66;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde, der mit ihr vorgelegten Bescheidausfertigung und der weiter angeschlossenen Beilagen ergibt sich Folgendes:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Kosovo, wo er von 2000 bis 2004 als Schlosser beschäftigt war.

Zuletzt reiste er am 17. Mai 2008 aus dem Kosovo nach Österreich, um sich hier den Strafverfolgungsbehörden zu stellen. Er hatte nämlich am 9. Dezember 2007 in Spielberg dem B. nach einem Handgemenge durch das Versetzen mehrerer Messerstiche in den Bauch und den linken Brustbereich absichtlich eine an sich schwere Körperverletzung und eine solche, die eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge hatte (oberflächliche Schnittverletzung des Überzugs des Darms und der Muskulatur im Bereich des Unterbauches; Anstich der Milz; Durchtrennung des Zwerchfells mit Blutung aus einer Zwischenrippenschlagader im Bereich der linken oberen Flanke mit Notwendigkeit der Öffnung der Brusthöhle; Verletzung im Bereich der linken Brustwarze bis zur Zwischenrippenmuskulatur, unter der einige Millimeter entfernt das Herz liegt; oberflächliche Verletzung im Bereich des rechten Oberbauches bis in das Unterfettgewebe und ritzartige Verletzung im Bereich des linken Mittelbauches) zugefügt. Er wurde deswegen in der Folge mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 22. Juli 2008 wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht wertete als erschwerend das äußerst brutale Vorgehen und die doppelte Qualifikation der Verletzungsfolge, wobei diesem Erschwerungsgrund auf Grund des Umstandes, dass die Verletzungen nicht nur schwer, sondern sogar lebensbedrohlich waren, besonderes Gewicht zukomme, und als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Beschwerdeführers. Von der bedingten Nachsicht eines Teiles der Freiheitsstrafe sah es ab, weil auf Grund der Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers in Verbindung mit der nicht zuletzt durch (unbegründete) Eifersucht motivierten Tat keine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass er keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde.

Nachdem das genannte Strafurteil in Rechtskraft erwachsen war, erließ die Bundespolizeidirektion Leoben mit Bescheid vom 24. November 2008 gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (die belangte Behörde) mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 14. April 2009 mit der Maßgabe ab, dass der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 62 Abs. 1 bis 3 iVm § 63 Abs. 1 und 2 FPG als unbefristetes Rückkehrverbot bestätigt werde. Dazu führte sie aus, dass der Beschwerdeführer nunmehr am 12. Dezember 2008 einen Asylantrag gestellt habe. Im Übrigen - so die belangte Behörde im Ergebnis - lägen beim Beschwerdeführer, der den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfülle, die Voraussetzungen für die Erlassung eines Rückkehrverbotes im Grunde des § 62 Abs. 1 FPG vor, weil auf Grund seines erhöhten Aggressionspotentials eine Gefährlichkeitsprognose zu seinen Lasten getroffen werden müsse. Unter dem Blickwinkel des § 66 FPG sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet verfüge. Er habe (aber) eine österreichische Freundin, mit der eine Hochzeit geplant sei. Selbst wenn sich daraus - anderweitige private oder wirtschaftliche Bindungen zu Österreich bestünden nicht - aus der Erlassung eines Rückkehrverbotes ein Eingriff in sein Privatleben ergeben würde, wäre ein solcher zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit Anderer dringend geboten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung mit Beschluss vom 21. September 2009, B 539/09, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab, der darüber nach Beschwerdeergänzung erwogen hat:

Der Beschwerdeführer ist Asylwerber. Gegen ihn kann daher gemäß § 62 Abs. 1 FPG ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache in diesem Sinn hat (u.a.) zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 FPG).

Die Beschwerde stellt nicht in Frage, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt ist. Gegen die darauf gegründete Prognose im Sinn des § 62 Abs. 1 FPG führt sie erkennbar ins Treffen, dass sich der Beschwerdeführer bis zur Straftat vom 9. Dezember 2007, die er "aus reinem Selbstschutz" begangen habe, und nunmehr auch in der Justizanstalt Leoben immer wohlverhalten und dass er sich freiwillig der strafrechtlichen Verfolgung in Österreich gestellt habe.

Dem ist zunächst zu entgegnen, dass angesichts des unstrittigen strafrechtlichen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers von einer Tatbegehung "aus reinem Selbstschutz" nicht die Rede sein kann. Im Übrigen dokumentieren die festgestellten mehrfachen Messerstiche und die dabei dem Tatopfer zugefügten Verletzungen eine ausgeprägte Gewaltbereitschaft, sodass auch das sonst in den Raum gestellte Wohlverhalten und die Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden - freilich erst nach fünfmonatiger Flucht - an der von der belangten Behörde zu Recht bejahten Gefährlichkeitsprognose nichts zu ändern vermögen. Dass der Beschwerdeführer auch den Tatbestand des § 56 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt, was indiziert, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet sogar eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde, sei nur mehr der Vollständigkeit halber erwähnt.

Unter dem Blickwinkel des § 66 FPG macht der Beschwerdeführer geltend, dass er nunmehr am 15. Juli 2009 seine österreichische Freundin, mit der er bereits seit Mitte 2007 liiert gewesen sei, geheiratet habe. Seine Ehefrau besuche ihn regelmäßig, auch deren Eltern unterstützten ihn sehr. Außerdem habe er in der Haft eine Antiaggressionstherapie, einen Deutschkurs sowie eine weiterführende Ausbildung absolviert, was ihm nach der Haft auch die Aufnahme einer Beschäftigung - eine Arbeitszusage liege bereits vor - ermöglichen würde.

Die Eheschließung zum einen und die erwähnte Ausbildung sowie die Arbeitszusage zum anderen datieren, wie sich aus den Beschwerdebeilagen ergibt, nach Erlassung des bekämpften Bescheides und stellen schon von daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen dar. Damit bleibt an berücksichtigungswürdigen privaten Interessen im Wesentlichen die schon seinerzeitige Beziehung zur nunmehrigen Ehefrau. Dem steht jedoch das massive strafrechtliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers gegenüber, der sich davon abgesehen zumindest in den Jahren 2000 bis 2004 in seinem Heimatstaat (Kosovo) aufgehalten hat, der dort einer Beschäftigung nachgegangen ist und der daher erkennbar Bindungen zum Heimatstaat (vgl. § 66 Abs. 2 Z 5 FPG) aufweist. Insgesamt kann daher an der Zulässigkeit der Erlassung eines Rückkehrverbotes auch im Grunde des § 62 Abs. 3 iVm § 66 FPG kein Zweifel bestehen. Aus den vom Beschwerdeführer zitierten verwaltungsgerichtlichen Erkenntnissen lässt sich nichts Anderes gewinnen. Dem Einwand schließlich, auf Grund der herrschenden Blutrache im Kosovo habe er bei seiner Rückkehr für sich und seine Verwandten das Schlimmste zu befürchten, ist der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz entgegenzuhalten. Erweist sich seine Befürchtung als berechtigt und wird ihm daher der Status des Asylberechtigten oder der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, so hätte das nämlich im ersten Fall das Außerkrafttreten des Rückkehrverbotes (§ 65 Abs. 2 FPG) bzw. im anderen Fall dessen Wirkungslosigkeit (§ 65 Abs. 3 FPG) zur Folge.

Zusammenfassend lässt somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. November 2009

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