VwGH 2009/21/0014

VwGH2009/21/001427.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, in der Beschwerdesache des A, vertreten durch Mag. Christa Fuchshuber, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Strozzigasse 3, gegen das als Ladungsbescheid bezeichnete Schriftstück der Bundespolizeidirektion Wien vom 3. Dezember 2008, Zl. III-1133235/FrB/08, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem FPG, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
FrPolG 2005 §74 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs3;
VwRallg;
ZustG §21;
ZustG §9 Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
FrPolG 2005 §74 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs3;
VwRallg;
ZustG §21;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, wurde gemäß §§ 86, 87 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Nach Ablauf des ihm gewährten Durchsetzungsaufschubes leitete die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) gegen ihn ein Verfahren zur Sicherung seiner Ausreise ein. Zu diesem Zweck wurde der Beschwerdeführer, der im vorangegangenen Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch einen Rechtsanwalt vertreten war, mit einem ihm persönlich zugestellten Ladungsbescheid aufgefordert, am 11. Juli 2008 zur belangten Behörde zu kommen, was auch dem Rechtsanwalt zur Kenntnis gebracht wurde. Eine Ausfertigung des Ladungsbescheides wurde diesem allerdings nicht übermittelt.

Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2008, der bei der belangten Behörde noch am selben Tag per Telefax einlangte, wies eben jener Rechtsanwalt, der den Beschwerdeführers schon im Aufenthaltsverbotsverfahren vertreten hatte, unter Bezugnahme auf den in der Ladung festgesetzten Termin auf die Erkrankung des Beschwerdeführers hin, übermittelte gleichzeitig eine ärztliche Bestätigung und ersuchte um Bekanntgabe eines "neuerlichen Vorsprachetermins".

Daraufhin teilte die Bundespolizeidirektion Wien mit Schreiben vom 15. Juli 2008 dem einschreitenden Rechtsanwalt "als Bevollmächtigte(n) des" Beschwerdeführers "bezüglich Ihres Mandanten mit, dass dieser mit Ladungsbescheid vom 15. Juli 2008 für 11.08.2008 um 09.00 Uhr neuerlich an das hiesige Amt geladen" worden sei. Unter einem übermittelte die belangte Behörde eine Ausfertigung des soeben genannten Ladungsbescheides, in dem als Verfahrensthema wiederum "Sicherung der Ausreise" angeführt wurde, mittels Rsa-Briefsendung an den Beschwerdeführer. Eine Zustellung desselben an den Rechtsanwalt erfolgte nicht.

Der Beschwerdeführer sprach am 11. August 2008 allerdings nicht bei der belangten Behörde vor. Am 17. Oktober 2008 erließ die belangte Behörde gegen ihn einen auf § 74 Abs. 2 Z 1 FPG gestützten Festnahmeauftrag. Zu dessen Begründung führte sie aus, gegen den Beschwerdeführer bestehe ein seit 19. Dezember 2007 rechtskräftiges und seit 19. Jänner 2008 durchsetzbares Aufenthaltsverbot. Er habe aber bislang seiner Ausreiseverpflichtung und zwei an seine Wohnanschrift gesendeten Ladungsbescheiden keine Folge geleistet.

Am 2. Dezember 2008 wurde der Beschwerdeführer von Polizeibeamten in seiner Wohnung in Wien 16. angetroffen, auf Grund des Festnahmeauftrages festgenommen und der belangten Behörde vorgeführt.

Von dieser wurde der Beschwerdeführer am 3. Dezember 2008 vernommen. Im Zuge dieser Vernehmung gab er (unter anderem und soweit hier wesentlich) an, die Ladung für den 11. August 2008 infolge seines Umzuges nicht erhalten zu haben. Auf die Frage der belangten Behörde, die erkennbar auf das im Verfahren zur "Sicherung der Ausreise" erfolgte Einschreiten des Rechtsanwaltes Bezug nahm, "Ist das noch Ihr Rechtsanwalt?" antwortete der Beschwerdeführer: "Ja es ist noch mein Rechtsanwalt.".

Im Anschluss an die Vernehmung händigte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer noch am 3. Dezember 2008 eine Ausfertigung einer als Ladungsbescheid bezeichneten Erledigung aus, die als Verfahrensgegenstand "Sicherung des Verfahrens gem. § 46 FPG" aufwies, und mit der der Beschwerdeführer unter Androhung der Erlassung eines Festnahmeauftrages für den Fall des Nichtbefolgens aufgefordert wurde, am 4. Dezember 2008 unter Mitnahme eines "Flugticket(s) innerhalb für 1 Woche" zur belangten Behörde zu kommen. Eine Zustellung dieser Erledigung vom 3. Dezember 2008 an den bereits mehrfach erwähnten Rechtsanwalt des Beschwerdeführers erfolgte nicht.

Noch am 3. Dezember 2008 wurde die belangte Behörde von der neuen rechtsfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers per E-Mail in Kenntnis gesetzt, dass sie diesen nunmehr vertrete.

Gegen die dargestellte Erledigung vom 3. Dezember 2008 richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die bezughabenden Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat, und die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat der Beratung und Entscheidung zugeführt hat.

Die Beschwerde erweist sich als nicht zulässig.

§ 10 AVG lautet:

"§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.

(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

(5) Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.

(6) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, dass der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt."

Im Fall des Bestehens eines wirksamen Vertretungsverhältnisses hat sich die Behörde an den Vertreter zu wenden, also alle Verfahrensakte mit Wirkung für die Partei diesem gegenüber zu setzen. Alle Schriftstücke sind bei sonstiger Unwirksamkeit dem Bevollmächtigten zuzustellen. Dieser ist als Empfänger der Schriftstücke zu bezeichnen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, Zl. 2008/22/0607, mwH).

Voraussetzung der Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist die Existenz eines anfechtbaren Bescheides. Zu prüfen ist daher im vorliegenden Fall, ob im Zeitpunkt der Ausfolgung der als Ladungsbescheid intendierten Erledigung vom 3. Dezember 2008 an den Beschwerdeführer ein Vertretungsverhältnis bestanden hat, das eine wirksame Zustellung dieses Bescheides verhindert hat.

Im hier gegenständlichen Verfahren zur Sicherung der Ausreise und Prüfung, ob die Anordnung eines gelinderen Mittels (oder möglicherweise die Verhängung der Schubhaft) erfolgen werde, schritt jener Rechtsanwalt, der den Beschwerdeführer auch schon zuvor im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes vertreten hatte, ein. Er gab im Namen des Beschwerdeführers für das Verfahren "Sicherung der Ausreise" relevante Umstände bekannt (Erkrankung des Beschwerdeführers) und stellte in diesem Verfahren namens des Beschwerdeführers einen konkreten Antrag (auf Festsetzung eines neuen Einvernahmetermins). Darüber hinaus gab der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Vernehmung vom 3. Dezember 2008 - noch vor Genehmigung und Ausfertigung des hier gegenständlichen "Ladungsbescheides" - an, dass der einschreitende Rechtsanwalt immer noch "sein Rechtsanwalt sei".

Aus dieser Erklärung und dem Zusammenhang, in dem sie abgegeben wurde, sowie dem Umstand, dass dieser Rechtsanwalt im hier relevanten Verfahren - schon vor Ausfertigung des angefochtenen Bescheides - namens des Beschwerdeführers Verfahrenshandlungen gesetzt hat, kann nur der Schluss gezogen werden, dass dieser Rechtsanwalt auch im hier fraglichen Verfahren für die Partei als Vertreter auftrete.

Musste die belangte Behörde aber somit vom Bestehen eines Vertretungsverhältnisses auch in diesem Verfahren ausgehen, hatte die persönliche Übergabe des "Ladungsbescheides" vom 3. Dezember 2008 an den Beschwerdeführer keine rechtliche Wirkung. Daran vermag auch die in § 74 Abs. 1 Z 1 FPG enthaltene Anordnung, dass ein Festnahmeauftrag nur dann erlassen werden darf, wenn die Zustellung eines diese Rechtsfolge androhenden Ladungsbescheides zu eigenen Handen erfolgt ist, nichts zu ändern. Dadurch wird nämlich nur das Verbot von Ersatzzustellungen (vgl. § 21 Zustellgesetz) festgelegt, nicht aber der als Empfänger des zuzustellenden Bescheides zu bezeichnende Personenkreis geändert (vgl. im Gegensatz dazu etwa § 76 Abs. 4 FPG, wonach im Falle des tatsächlichen Zukommens einer Ausfertigung eines die Schubhaft anordnenden Bescheides an den Fremden die Zustellung selbst dann als vollzogen gilt, wenn ein Vertretungsverhältnis besteht).

Da der hier in Rede stehende Bescheid rechtlich nie in Existenz trat, war es sohin auch nicht möglich, dagegen zulässigerweise Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu führen. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

Trotz Zurückweisung der Beschwerde war der belangten Behörde allerdings in einem Fall wie dem vorliegenden Aufwandersatz nicht zuzusprechen (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 28. April 2008, Zl. 2007/12/0168, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird).

Wien, am 27. Mai 2009

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