VwGH 2009/18/0308

VwGH2009/18/030824.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des M F, geboren am 17. März 1978, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. Juni 2009, Zl. E1/233465/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §120 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §120 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. Juni 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 21. April 2000 illegal nach Österreich eingereist und habe am 26. April 2000 einen Asylantrag gestellt, der bereits am 30. September 2000 rechtskräftig abgewiesen worden sei. An der Rechtskraft der Abweisung habe die Tatsache der Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages gegen die Versäumung der Berufungsfrist, dem im Übrigen auch rechtskräftig negativ beschieden worden sei, nichts zu ändern vermocht, zumal nicht aktenkundig sei, dass dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 6 AVG aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei.

Der Beschwerdeführer sei seit 3. Mai 2000 ununterbrochen im Bundesgebiet behördlich gemeldet, ohne legale Beschäftigung, ledig, ohne Sorgepflichten und ohne familiäre Bindungen im Bundesgebiet.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, die Behörde habe trotz rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages im Jahr 2000 acht Jahre lang keine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt, daher sei durch den langen unrechtmäßigen Aufenthalt von einem erheblich geminderten Verstoß gegen die öffentliche Ordnung auszugehen.

Unter Hinweis auf die §§ 53 Abs. 1 und 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich "zugegebenermaßen (vgl. Berufungsausführungen) seit Anfang Oktober 2000 unrechtmäßig in Österreich" auf, sodass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG jedenfalls erfüllt sei.

Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens sei gegenständlich unter Berücksichtigung aller weiteren genannten Umstände von solchem Gewicht, dass die allenfalls vorhandenen gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet.

Der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden in Österreich stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, weil er den Gesetzen (FPG und NAG), die diese Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens schützen wollten, widerspreche.

Bei Gegenüberstellung des jahrelangen unrechtmäßigen Aufenthalts und des damit verbundenen sehr großen öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers mit seinen persönlichen Interessen, die sich im Wesentlichen in der Gesamtdauer des Aufenthalts erschöpften, sei ein beträchtlicher Überhang des Ersteren festzustellen. Der Beschwerdeführer übersehe, dass die von ihm verursachte schwere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Aufenthaltswesens nur ihm selbst - und nicht auch der Untätigkeit der Fremdenpolizeibehörde - zuzurechnen sei. Der Beschwerdeführer sei nämlich gesetzlich von sich aus - also ohne weitere behördliche Aktivität - verpflichtet gewesen, nach rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages Österreich zu verlassen und die Rechtskraft der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag im Ausland abzuwarten. Der Beschwerdeführer sei auch wegen des unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG rechtskräftig (seit 19. August 2008) bestraft worden. Trotzdem sei er weiterhin nicht aus Österreich ausgereist.

Im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich der Beschwerdeführer über neun Jahre, davon lediglich sechs Monate rechtmäßig auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz, im Bundesgebiet aufhalte, ein Familienleben in Österreich nicht bestehe, auch kein maßgeblicher Grad an Integration festgestellt worden sei, zumal der Beschwerdeführer der deutschen Sprache noch immer eher ungenügend mächtig sei (vgl. Niederschrift vom 2. Oktober 2008), Bindungen zum Heimatstaat insoweit bestünden, als dort seine Mutter lebe, er strafrechtlich unbescholten sei, eine rechtskräftige Verwaltungsstrafe wegen Verstoßes gegen das Fremdenpolizeirecht vorliege und berufliche Bindungen in Österreich nicht feststellbar seien. Eine Gegenüberstellung der für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe bzw. Umstände ergebe ein klares Übergewicht der Ersteren.

Besondere Umstände, die über obige Erwägungen hinausgehend eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung durch die Behröde zugelassen hätten, seien nicht vorgebracht worden und hätten auch nicht erkannt werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dem "bald zehnjährigen Aufenthalt" - konkret sind es neun Jahre und weniger als zwei Monate - des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei zu wenig Gewicht beigemessen worden.

Dem ist entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bloße Aufenthaltsdauer nicht allein maßgeblich ist, sondern an Hand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen ist, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. etwa zuletzt das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, Zl. 2008/21/0233).

Die belangte Behörde ist bei der gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer seit über neun Jahren im Bundesgebiet aufhält, sein Aufenthalt jedoch nur für etwa sechs Monate auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz rechtmäßig und ansonsten illegal war. Da er weder über ein Familienleben noch über berufliche Bindungen in Österreich verfügt und auch sonst keine integrationsbegründenden Umstände vorgebracht wurden bzw. aus den Verwaltungsakten ersichtlich sind, sind die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet insgesamt als nicht besonders stark ausgeprägt zu bewerten. Seine strafrechtliche Unbescholtenheit vermag diese Interessen nicht wesentlich zu stärken. Durch seinen langjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beeinträchtigt der Beschwerdeführer jedoch das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Hinzu kommt, dass dem Beschwerdeführer die Unrechtmäßigkeit seines Aufenthaltes durch eine - unbestritten gebliebene - rechtskräftige Bestrafung gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG vor Augen geführt wurde.

Wägt man das angeführte öffentliche Interesse gegen die genannten persönlichen Interessen ab, so kann die Ansicht der belangten Behörde, dass sie bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des vorliegenden Falles die Ausweisung des Beschwerdeführers - trotz seines langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet - zur Erreichung des von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Zieles der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, vor allem auf dem Gebiet des Fremdenwesens, im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG für dringend geboten angesehen hat, nicht beanstandet werden. Daran vermag auch der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 4. September 2003, Zl. 2003/21/0057, nichts zu ändern, weil der diesem Erkenntnis zugrunde liegende Sachverhalt - elfeinhalbjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet, davon über neun Jahre rechtmäßig, wobei die äußerst lange Dauer des Asylverfahrens nicht in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist - mit dem gegenständlichen Fall, in dem sich der Beschwerdeführer nur etwa sechs Monate rechtmäßig, dagegen achteinhalb Jahre unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, nicht vergleichbar ist.

3. Die Beschwerde meint weiters, einen wesentlichen Verfahrensfehler darin zu erblicken, dass die belangte Behörde in ihrer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 26. Juni 2008 festgehalten habe, der Beschwerdeführer halte sich zumindest seit dem 1. April 2008 unrechtmäßig in Österreich auf, der angefochtene Bescheid hingegen einen illegalen Aufenthalt seit 1. Oktober 2000 feststelle, da dem Wiedereinsetzungsantrag (gegen den abweisenden Asylbescheid) keine aufschiebende Wirkung zukomme. Wenn im angefochtenen Bescheid festgestellt werde, dass sich der Beschwerdeführer "zugegebenermaßen (vgl. Berufungsausführungen) seit Anfang Oktober 2000 unrechtmäßig in Österreich" aufhalte, verkenne die belangte Behörde, dass die Frage der Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltes nicht vom Zugeständnis einer betroffenen Partei abhängig sei. Die belangte Behörde hätte daher im Wege der Beischaffung des Asylaktes ermitteln müssen, ob dem Beschwerdeführer im asylrechtlichen Wiedereinsetzungsverfahren die aufschiebende Wirkung zugekommen sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde schon deshalb keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, weil sie nicht behauptet, dass dem Beschwerdeführer im asylrechtlichen Wiedereinsetzungsverfahren die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Auch wenn - wie die Beschwerde zutreffend ausführt - die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers unabhängig von dessen Zugeständnis zu beurteilen ist, ist dennoch nicht ersichtlich, inwiefern dem behaupteten Verfahrensmangel Relevanz zukommen soll.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die in der Beschwerde geäußerte Ansicht, die belangte Behörde habe nicht nachvollziehbar dargelegt, seit wann der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet unrechtmäßig sein solle bzw. worin die Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bestehe. Zum einen führt die belangte Behörde im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung sowohl auf Seite 2 als auch auf Seite 4 des angefochtenen Bescheides aus, dass sich der Beschwerdeführer seit Anfang Oktober 2000 unrechtmäßig in Österreich aufhalte bzw. der über neunjährige Aufenthalt im Bundesgebiet nur für sechs Monate durch eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz "gedeckt", der Rest in der Dauer von ca. acht Jahren aber illegal gewesen sei. Andererseits ergibt sich die Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den - trotz rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages nach nur sechs Monaten und rechtskräftiger Bestrafung nach dem FPG - jahrelangen unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, der dem FPG und dem NAG widerspricht, klar aus dem angefochtenen Bescheid.

4. Es liegen auch keine Umstände vor, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, in Ausübung ihres Ermessens von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme abzusehen.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren (somit auch ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung) in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 24. September 2009

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