VwGH 2009/18/0215

VwGH2009/18/02157.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des B Z W in W, geboren am 20. Juli 1962, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 21, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. April 2009, Zl. E1/155.297/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. April 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 26. Juni 2001 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe am 28. Juni 2001 einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug vom Asylgerichtshof abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer verfüge über keinen Aufenthaltstitel. Solcherart seien die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich des § 66 Abs. 1 FPG - im Grunde des § 53 (Abs. 1) leg. cit. gegeben.

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 3. Jänner 2007 sei über P. eine Geldstrafe von insgesamt EUR 2.000,-- rechtskräftig verhängt worden, weil er es als Arbeitgeber zu verantworten gehabt habe, dass am 11. September 2006 der Beschwerdeführer und ein anderer Fremder als Lieferanten mit dem Ausladen von Lebensmitteln für ein Chinarestaurant beschäftigt worden seien, obwohl für diese Fremden weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung noch eine Zulassung als Schlüsselkraft, eine Entsendebewilligung, eine Anzeigenbestätigung, eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis, ein gültiger Befreiungsschein, eine "Niederlassungsbewilligung-unbeschränkt", ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" oder ein Niederlassungsnachweis ausgestellt worden sei.

Der Beschwerdeführer habe in einer Stellungnahme ausgeführt, allein in Österreich zu sein. Er wäre 2001 hierher gekommen, weil er in China nicht mehr hätte leben können, und würde von der Caritas betreut, von welcher er auch die "Lebensunterlage und die Krankenversicherung" hätte. In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer darüber hinaus geltend gemacht, dass er die Voraussetzungen für die Gewährung des "Bleiberechtes" erfüllte.

Mit diesem Vorbringen übersehe er, dass er bei der Ausübung einer unrechtmäßigen Beschäftigung betreten worden sei, was für sich allein genommen ein Aufenthaltsverbot gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 FPG rechtfertigen würde.

Es sei zwar von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff erweise sich jedoch zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - als dringend geboten. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der nicht bloß kurzfristige unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Er sei auch nicht in der Lage, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet vom Inland aus zu legalisieren. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Die Erlassung der Ausweisung sei daher dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel verfüge, begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK und meint, es sei nicht dargetan worden, worin die Sozialschädlichkeit des Beschwerdeführers bestehe, und die belangte Behörde habe den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz außer Acht gelassen. Infolge des acht Jahre andauernden inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers liege ein berücksichtigungswürdiger Fall gemäß Art. 8 EMRK vor.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 FPG und des Art. 8 Abs. 2 EMRK hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 26. Juni 2001 und seine daraus resultierenden persönlichen Interessen berücksichtigt. Die aus der Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet ableitbare Integration wird in ihrem Gewicht jedoch dadurch entscheidend gemindert, dass sein Aufenthalt zuerst nur auf Grund des von ihm am 28. Juni 2001 gestellten Asylantrages vorläufig berechtigt war und nach der rechtskräftigen negativen Beendigung des Asylverfahrens unberechtigt war. Die Beschwerde behauptet nicht, dass sich Familienangehörige oder sonstige Verwandte des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhielten. Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet - trotz der verhältnismäßig langen Dauer seines inländischen Aufenthaltes - somit kein allzu großes Gewicht zu.

Diesen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers steht das große öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. dazu aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, mwN) und das der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet erheblich beeinträchtigt, gegenüber.

Entgegen der Beschwerdeansicht erscheint die Ausweisung des Beschwerdeführers nach den vom EGMR in dessen Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK aufgestellten Kriterien nicht als unzulässig. Insoweit wird zur näheren Darstellung von diesbezüglichen Entscheidungen des EGMR gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2009, Zl. 2009/18/0138, verwiesen. Wenn die Beschwerde das Urteil des EGMR vom 21. Dezember 2001, Nr. 31465/96 (Sen gegen die Niederlande), ins Treffen führt, so ist der diesem Urteil zugrunde liegende Fall mit dem vorliegenden Beschwerdefall bereits deshalb nicht vergleichbar, weil in jenem Fall zwei der Beschwerdeführer seit vielen Jahren rechtmäßig ein Eheleben in den Niederlanden führten und zwei ihrer Kinder seit ihrer Geburt immer in den Niederlanden gelebt hatten und dort eingeschult worden waren, weshalb der Nachzug ihres weiteren Kindes in die Niederlande als adäquates Mittel für die Etablierung eines gemeinsamen Familienlebens erachtet wurde. Ähnlich verhält es sich mit dem Beschwerdehinweis auf das Urteil des EGMR vom 1. Dezember 2005, Nr. 60665/00 (Tuquabo-Tekle u.a. gegen die Niederlande), dem ein Fall zugrunde lag, in dem die Beschwerdeführerin in den Niederlanden einen Aufenthaltstitel erhalten hatte und dort ein Familienleben gemeinsam mit ihrem Mann und zwei Kindern führte.

Im vorliegenden Beschwerdefall befinden sich hingegen - wie bereits erwähnt - weder Familienangehörige des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, noch ist ihm ein Aufenthaltstitel erteilt worden. Im Übrigen wird auf die - auch in den vorzitierten hg. Erkenntnissen angeführte - Entscheidung des EGMR vom 11. April 2006, Nr. 61292/00 (Useinov gegen die Niederlande), hingewiesen, der ein Fall zugrunde lag, in dem ein Fremder, der mit einer Inländerin zwei gemeinsame minderjährige Kinder hatte und bereits mehrere Jahre in den Niederlanden lebte, aber nicht damit rechnen durfte, sich auf Dauer in diesem Staat niederlassen zu dürfen, ausgewiesen wurde und in welcher Entscheidung der EGMR die Bestimmung des Art. 8 EMRK als durch die Ausweisung des Fremden nicht verletzt erachtete.

Nach der hg. Judikatur (vgl. dazu etwa das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 2008/18/0721, mwN) wäre der Beschwerdeführer nur dann vor einer Ausweisung geschützt und damit unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK in weiterer Folge zu einer Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus berechtigt, wenn eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffes in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- oder Familienleben erforderlich wäre. Die von der Beschwerde angeführten persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich stellen jedoch nach den oben dargestellten Kriterien in der Judikatur des EGMR keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK dar, die es ihm unzumutbar machen würden, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen.

Vor diesem Hintergrund ist auch das weitere Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer sich in Österreich wohlverhalten habe und niemals rechtskräftig bestraft worden sei, nicht zielführend. Ebenso zeigt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, dass die belangte Behörde in der bekämpften Entscheidung Feststellungen getroffen habe, die im erstinstanzlichen Bescheid nicht getroffen worden seien, und der Beschwerdeführer erst mit Zustellung des angefochtenen Bescheides davon in Kenntnis gelangt sei, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, wird doch nicht konkretisiert, um welche Feststellungen es sich dabei handle, sodass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan ist.

Da sich der Asylantrag des Beschwerdeführers als unberechtigt herausgestellt hat und von diesem auch keine weiteren integrationsbegründenden Umstände behauptet wurden, sowie im Hinblick auf das Fehlen von familiären Bindungen und einer beruflichen Integration des Beschwerdeführers im Inland begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers zulässig sei, unter dem Blickwinkel des § 66 FPG (idF der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) keinem Einwand. Hiebei kommt der mehrjährigen Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet für sich allein keine maßgebliche Bedeutung zu.

4. Schließlich sind auch keine besonderen Umstände ersichtlich, die die belangte Behörde dazu hätten veranlassen müssen, von der Ausweisung im Rahmen des ihr gemäß § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens Abstand zu nehmen.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 7. Juli 2009

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