Normen
GSpG 1989 §52 Abs1 Z5;
MRKZP 07te Art4 Abs1;
StGB §168 Abs1;
VStG §30 Abs2;
VwRallg;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z5;
MRKZP 07te Art4 Abs1;
StGB §168 Abs1;
VStG §30 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1. Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Kopie des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 8. Mai 2009 wurde zunächst festgestellt, dass der Beschwerdeführer verdächtig sei, eine Übertretung "nach § 52 Abs. 1 Z 5 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2006," begangen zu haben und daran anschließend unter der Überschrift "Spruch" "das Verwaltungsstrafverfahren" gegen den Beschwerdeführer gemäß § 30 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz bis zur Entscheidung des Gerichtes ausgesetzt, "da die Tat einen Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte (fallenden) strafbaren Handlung" bilde.
In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, dass die Verwaltungsübertretung gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG gegenüber dem strafgerichtlichen Vergehen nach § 168 StGB subsidiär sei, sodass (der Ausgang des) Verfahrens bei Gericht abzuwarten sei.
1.2. Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm den §§ 24 und 51 VStG mit der Maßgabe keine Folge gegeben wurde, dass der erstinstanzliche Bescheid insoferne präzisiert werde, "als die Aussetzung des gegen den Beschuldigten wegen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 5 des Glücksspielgesetzes behängenden Verwaltungsstrafverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des parallel gegen ihn anhängigen strafgerichtlichen Strafverfahrens wegen des Vergehens nach § 168 Abs. 1 StGB" erfolge.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, welches zur Anzeige sowohl an die Staatsanwaltschaft Innsbruck als auch an die Bezirkshauptmannschaft Reutte geführt hatte, aus, dass auf Grund der Anzeige die Staatsanwaltschaft Innsbruck zu einem näher genannten Aktenzeichen ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 168 Abs. 1 StGB eingeleitet habe. In diesem Verfahren sei es zur Durchsuchung der Filiale der Firma S GmbH, deren Filialleiter der Beschwerdeführer sei, und Sicherstellung von drei Spielautomaten und der dazugehörigen Chipkarten gekommen. Nach § 168 Abs. 1 StGB begehe das Vergehen des Glücksspieles, wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhingen oder das ausdrücklich verboten sei, veranstalte oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördere, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt werde.
Dem gegenüber normiere § 52 Abs. 1 Z 5 des Glücksspielgesetzes, BGBl. Nr. 620/1989 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2008, dass eine Verwaltungsübertretung begehe, wer Glücksspielapparate oder Glücksspielautomaten, die dem Glücksspielmonopol unterlägen, außerhalb einer Spielbank betreibe (Veranstalter) oder zugänglich mache (Inhaber).
Nach der einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung trete diese Verwaltungsübertretung bei Vorliegen des gerichtlichen Vergehens nach § 168 Abs. 1 StGB zurück.
Nach § 30 Abs. 2 VStG sei dann, wenn eine Tat von der Behörde nur zu ahnden sei, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bilde und zweifelhaft sei, ob diese Voraussetzung erfüllt sei, das Verwaltungsstrafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage vom Gericht rechtskräftig entschieden worden sei.
Entgegen dem Vorbringen in der Berufung werde im bereits anhängigen gerichtlichen Strafverfahren wegen Vergehens nach § 168 Abs. 1 StGB zu klären sein, ob der Beschuldigte tatsächlich den Tatbestand dieses Vergehens in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt habe. Somit sei im derzeit anhängigen Verwaltungsstrafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung im gerichtlichen Strafverfahren zweifelhaft im Sinne des § 30 Abs. 2 VStG, ob das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten den Tatbestand des Vergehens des Glücksspiels nach § 168 Abs. 1 StGB erfülle oder nicht.
In diesem Zusammenhang sei auch auszuführen, dass nach Strejcek/Bresich, Glücksspielgesetz 1989, die Veranstaltung von Ausspielungen mittels Glücksspielautomaten, bei denen die Wertgrenzen des § 4 Abs. 2 des Glücksspielgesetzes überschritten würden, jedenfalls eine Verwaltungsübertretung gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 des Glücksspielgesetzes darstelle, eine Strafbarkeit gemäß § 168 StGB aber noch nicht zwingend vorliege. Würden solche Ausspielungen mit einem Einsatz von etwa EUR 1,-- und einem möglichen Gewinn von beispielsweise EUR 30,-- bloß zum Zeitvertreib veranstaltet und handle es sich hiebei um geringe Beträge - die Strafgerichte würden diese Ausnahme erfahrungsgemäß sehr großzügig judizieren -, sei eine Strafbarkeit gemäß § 168 Abs. 1 StGB nicht gegeben. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen den Verwaltungsstraftatbeständen des § 52 Glücksspielgesetz und dem gerichtlichen Tatbestand des § 168 StGB seien auch die jeweiligen Schulderfordernisse im Bezug auf die subjektive Tatseite. Zur schuldhaften Verwirklichung des Straftatbestandes des § 168 StGB sei zumindest dolus eventualis erforderlich. Zur schuldhaften Verwirklichung eines der Verwaltungsstraftatbestände des § 52 Glücksspielgesetz sei hingegen gemäß § 5 VStG fahrlässiges Verhalten ausreichend.
Auf Grund dieser Umstände sei es rechtskonform gewesen, das Verwaltungsstrafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Strafgerichtes über diese Frage auszusetzen.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. In der Beschwerde wird geltend gemacht, dass bereits die Erstbehörde bei ihrer Beurteilung davon ausgegangen sei, dass ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliege. Wenn die Behörde davon ausgehe, dass ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliege, so sei die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens weder vorgesehen noch zulässig. Die Berufungsbehörde habe den Spruch zwar abgeändert und selbst eine Beurteilung der Rechtslage vorgenommen, "ob nämlich (hier wesentlich) eine Übertretung des § 168 Abs. 1 StGB" vorliege. Die Gründe, die die Berufungsbehörde anführe, vermögten jedoch nicht zu überzeugen.
2.2. Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerde, dass Gegenstand des angefochtenen Bescheides lediglich die Aussetzung des gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens wegen des Verdachts der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG gemäß § 30 Abs. 2 VStG ist.
§ 30 Abs. 2 VStG lautet:
"(2) Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über die Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist."
2.3. Wie sowohl der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.199/1998 als auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. März 1999, Zl. 98/17/0134, festgestellt haben, ist § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG in verfassungskonformer Auslegung dahingehend zu verstehen, dass das Delikt des Glücksspiels gemäß § 168 Abs. 1 erster oder zweiter Fall StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 erster Fall GSpG vollständig erschöpfe. Eine Bestrafung nach § 168 Abs. 1 erster oder zweiter Fall StGB schließe demnach die Bestrafung wegen desselben Verhaltens im Hinblick auf das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 des siebenten Zusatzprotokolls zur Menschenrechtskonvention nach § 52 Abs. 1 Z 5 erster Fall GSpG (in der Fassung vor BGBl. I Nr. 126/2008) aus. Daran hat sich auch durch die am 27. August 2008 in Kraft getretene Neufassung des § 52 GSpG (die im Beschwerdefall anzuwenden war) nichts geändert; § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG blieb durch die genannte Novelle unverändert. Insoweit treffen die in dem genannten Erkenntnis im Anschluss an den Verfassungsgerichtshof getroffenen Aussagen zur Erschöpfung des Unrechts- und Schuldgehalts des § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG durch eine Bestrafung nach § 168 Abs. 1 StGB weiterhin zu.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht auch keinen Grund, im Lichte des jüngsten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes zur Frage der Doppelbestrafung, dem Erkenntnis vom 2. Juli 2009, B 559/08, von der dargestellten Auffassung zur Subsidiarität des § 52 Abs. 1 GSpG gegenüber § 168 StGB abzugehen. Hat der Verfassungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis doch (in Fortführung u.a. der in Slg. 15.199/1998 vertretenen Rechtsauffassung auch im Lichte der jüngeren Rechtsprechung des EGMR) klargestellt, dass es bei der Beurteilung der Frage, ob eine Bestrafung wegen "derselben strafbaren Handlung" erfolge, auf die Straftatbestände und nicht auf das tatsächliche Verhalten ankomme. Damit sind aber weiterhin die vom Verfassungsgerichtshof in seinem bereits genannten Erkenntnis Slg. 15.199/1998 zu § 52 Abs. 1 GSpG angestellten Überlegungen zum Verhältnis des § 52 Abs. 1 GSpG zu § 168 StGB maßgeblich. Der Umstand, dass eine Bestrafung nach § 168 Abs. 1 erster oder zweiter Fall StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG auch in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2008 vollständig erschöpft, führt auch nach dem genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes dazu, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Subsidiarität des im Beschwerdefall von den Verwaltungsbehörden allenfalls anzuwendenden § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG gegenüber dem gerichtlichen Straftatbestand anzunehmen ist (dies würde im Übrigen umso mehr gelten, wollte man die Rechtsauffassung des EGMR insoweit strenger verstehen, als man unterstellte, dass es dem EGMR entgegen der Auslegung des Verfassungsgerichtshofes ausschließlich auf die der Bestrafung jeweils zu Grunde gelegten Fakten ankäme; für die Strafbarkeit nach § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG sind keine anderen Sachverhaltselemente erforderlich als jene, die einer Bestrafung nach § 168 StGB zu Grunde zu legen wären).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Erkenntnis auch zu § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG klargestellt, dass die Verwaltungsbehörde gegebenenfalls gemäß § 30 Abs. 2 VStG das Verwaltungsstrafverfahren auszusetzen habe. Nach der hg. Rechtsprechung besteht grundsätzlich die Verpflichtung der Behörde, bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 30 Abs. 2 VStG das bei ihr anhängige Verwaltungsstrafverfahren auszusetzen (vgl. die Nachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II2, E 14 ff. zu § 30 VStG).
2.4. Gegenstand des Verfahrens betreffend die Aussetzung nach § 30 Abs. 2 VStG ist jedoch nicht, ob tatsächlich ein in die Zuständigkeit der Gerichte fallender Tatbestand verwirklicht wurde, dient doch die Aussetzung nach § 30 Abs. 2 VStG gerade umgekehrt dazu, das Verwaltungsstrafverfahren bis zu einer Entscheidung, ob ein solcher Tatbestand erfüllt wurde, auszusetzen.
Auf die Beschwerdeausführungen zur Qualifikation der Rechtsauffassung der Behörde erster Instanz und der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens des Tatbestandes nach § 168 StGB ist daher nicht näher einzugehen. Die belangte Behörde hat aber überdies keine Beurteilung vorgenommen, ob ein strafbarer Tatbestand gemäß § 168 Abs. 1 VStG vorliegt, sondern lediglich im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes es für geboten erachtet, das Verwaltungsstrafverfahren bis zur Klärung dieser Frage auszusetzen. Sie ist damit entgegen den Beschwerdeausführungen davon ausgegangen, dass diese Frage erst zu klären sei und überdies die Verwaltungsbehörden an die diesbezügliche Rechtsauffassung des Gerichts gebunden seien. Aus diesem Grund wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Aussetzung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 30 Abs. 2 VStG von der belangten Behörde abgewiesen.
2.5. Im Verfahren betreffend die Aussetzung des Verwaltungsstrafverfahrens ist weiters nicht darüber zu entscheiden, ob das Verwaltungsstrafverfahren zu Recht eingeleitet wurde. Auf die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen ist daher nicht näher einzugehen.
2.6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
2.7. Es wird darauf hingewiesen, dass die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden
Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78).
Wien, am 8. September 2009
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