VwGH 2009/17/0110

VwGH2009/17/01108.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des KE in G, vertreten durch die Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Glacisstraße 27, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 29. April 2009, Zl. A8/2-1647/2001-22, betreffend Aufhebung eines Bescheides nach § 220 Abs. 2 Stmk LAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §245 Abs3;
BAO §77;
BAO §80;
BAO §85 Abs2;
LAO Stmk 1963 §191 Abs3;
LAO Stmk 1963 §54;
LAO Stmk 1963 §57;
LAO Stmk 1963 §62 Abs2;
VwRallg;
BAO §245 Abs3;
BAO §77;
BAO §80;
BAO §85 Abs2;
LAO Stmk 1963 §191 Abs3;
LAO Stmk 1963 §54;
LAO Stmk 1963 §57;
LAO Stmk 1963 §62 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Dem Beschwerdeschriftsatz und dem angefochtenen Bescheid samt Beilagen ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit Bescheid vom 3. November 2008, zugestellt am 7. November 2008, wurde der Beschwerdeführerin ein ergänzender Kanalisationsbeitrag in Höhe von EUR 4.654,21 zur Zahlung vorgeschrieben.

Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2008 brachte die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin in Vertretung der "abgabepflichtigen Partei" K GmbH einen Antrag auf Fristverlängerung zur Einbringung einer Berufung gegen die genannte Abgabenvorschreibung ein und unterfertigte diesen Antrag mit K GmbH.

Am 17. Dezember 2008 langte beim Magistrat der Stadt Graz eine Eingabe der Beschwerdeführerin, welche mit "Berichtigung" überschrieben war, ein. Darin führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie in der genannten Abgabensache am 9. Dezember 2008 einen Antrag auf Fristverlängerung eingebracht habe. In dieser Eingabe sei sie jedoch irrtümlich mit K GmbH bezeichnet worden. Tatsächlich sei jedoch die Beschwerdeführerin abgabepflichtig, sodass hiermit die Bezeichnung der abgabepflichtigen Partei im Rubrum der Eingabe vom 9. Dezember 2008 sowie am Ende des Antrages auf den Namen der Beschwerdeführerin berichtigt werde.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2008 wurde der Beschwerdeführerin die Frist zur Einbringung einer Berufung gegen den Abgabenbescheid vom 3. November 2008 "antragsgemäß" bis 9. Jänner 2009 verlängert.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde diesen Bescheid in Ausübung des Aufsichtsrechtes auf. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, bei der K GmbH und der Beschwerdeführerin handle es sich um zwei unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten. Die Beschwerdeführerin sei eine kirchliche Ordensgemeinschaft und als solche Gesellschafterin der K GmbH. Die K GmbH, in deren Namen am letzten Tag der Rechtsmittelfrist (9. Dezember 2008) die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist eingebracht habe, sei jedoch mangels Parteistellung nicht legitimiert gewesen, einen solchen Antrag zu stellen. Erst am 17. Dezember 2008, also nach Ablauf der Rechtsmittelfrist des Bescheides vom 3. November 2008, sei von der Beschwerdeführerin erstmals eine Eingabe betreffend eine Rechtsmittelfristverlängerung ("Berichtigung" betreffend der "abgabepflichtigen Partei") eingebracht worden. Obwohl von der Beschwerdeführerin innerhalb der Rechtsmittelfrist, also bis 9. Dezember 2008, kein Antrag auf Fristverlängerung eingebracht worden sei, habe die Abgabenbehörde erster Instanz ihr gegenüber den Bescheid vom 17. Dezember 2008 erlassen und diesen damit mit Rechtswidrigkeit belastet. Der Antrag vom 9. Dezember 2008 wäre richtigerweise von der Abgabenbehörde erster Instanz ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen gewesen. Das Austauschen eines Antragstellers könne nicht mehr als bloß geringfügig erachtet werden. Wegen des Vorrangs der Rechtsrichtigkeit vor der Rechtsbeständigkeit des aufzuhebenden Bescheides sei der Bescheid vom 17. Dezember 2008 aufzuheben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen der Stmk. LAO lauten:

"3. Abschnitt

Verkehr zwischen Angabenbehörden, Parteien und sonstigen Personen A. Anbringen

§ 62

(1) …

(2) Formgebrechen von Eingaben wie auch das Fehlen einer Unterschrift berechtigen an sich die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

§ 88

(1) …

(2) Von der Abgabenbehörde festgesetzte Fristen können verlängert werden. Die Verlängerung kann nach Maßgabe der Abgabenvorschriften von Bedingungen, insbesondere von einer Sicherheitsleistung (§ 170), abhängig gemacht werden.

§ 191

(1) Die Berufungsfrist beträgt einen Monat. ...

(2) ...

(3) Die Berufungsfrist kann aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt verlängert werden. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt.

§ 220

(1) In Ausübung des Aufsichtsrechts kann ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden, …

(2) Ferner kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

(6) Durch die Aufhebung eines Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat."

Die Verlängerung der Berufungsfrist setzt einen diesbezüglichen Antrag voraus. Der Antrag auf Fristverlängerung kann rechtswirksam nur innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt werden. Antragsberechtigt sind diejenigen, die zur Einbringung der Berufung berechtigt sind. Ein verspätet eingebrachter Antrag ist zurückzuweisen (vgl. Ritz, BAO3, Tz 11 ff zu § 245, mwN).

Das Recht, Berufung gegen die Abgabenvorschreibung vom 3. November 2008 zu erheben, stand im Beschwerdefall unstrittig ausschließlich der Beschwerdeführerin zu, weil nur an diese die erstinstanzliche Abgabenvorschreibung gerichtet war. Daraus ergibt sich in weiterer Folge, dass nur sie berechtigt war, einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Erhebung der Berufung zu stellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1972, Zl. 1429/72).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid vom 17. Dezember 2008, mit welchem der Beschwerdeführerin die Verlängerung der Berufungsfrist gewährt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil nicht diese, sondern die nicht rechtsmittellegitimierte K GmbH den Fristverlängerungsantrag gestellt hatte.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass der Antrag eindeutig namens der K GmbH eingebracht worden ist. Sie wendet aber ein, die falsche Parteienbezeichnung, die auf einem Hörfehler bei der Erstellung dieses Schriftsatzes beruhe, sei von ihr in zulässiger Weise berichtigt worden.

Strittig ist zunächst, ob - wie die Beschwerdeführerin vermeint - ein nach § 62 Abs. 2 Stmk. LAO sanierbarer Formmangel vorliegt, wenn ein berufsmäßiger Parteienvertreter einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist irrtümlich nicht im Namen des von ihm vertretenen Abgabepflichtigen, an den der Abgabenbescheid ergangen ist, sondern im Namen einer anderen Person (im Beschwerdefall der K GmbH, an der die Beschwerdeführerin beteiligt ist) stellt.

Unter Formgebrechen iSd § 62 Abs. 2 Stmk. LAO können nur solche Mängel verstanden werden, die aus der Eingabe als solche erkennbar sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1980, Zl. 2678/79). Als Formgebrechen sind nur Verletzungen von Vorschriften anzusehen, die das Gesetz aufstellt, um eine formelle Behandlung eines Anbringens sicherzustellen oder für die Behörde zu erleichtern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1972, Zl. 1429/72, welchem - wie auch im Beschwerdefall - der Sachverhalt zu Grunde lag, dass ein Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist gegen einen an den Gesellschafter gerichteten Bescheid von der Gesellschaft eingebracht worden ist).

Ein Vertreter kann nur als Vertreter jener Person angesehen werden, für die er nach außen hin auftritt. Vertritt er dabei irrtümlich eine Person, der im Abgabenverfahren keine Parteistellung zukommt, so wird dieser Legitimationsmangel nicht dadurch zu einem sanierbaren Formgebrechen, dass der Vertreter auch zur Vertretung der Partei befugt gewesen wäre. Die Frage, worauf der Irrtum des Parteienvertreters zurückzuführen sei, ist in diesem Zusammenhang unerheblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1980, Zl. 2678/79).

Im Beschwerdefall ist die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin gegenüber der Abgabenbehörde nicht in deren Namen, sondern eindeutig im Namen der K GmbH aufgetreten. Da darin nicht ein behebbares Formgebrechen erblickt werden kann, war die Abgabenbehörde auch nicht verpflichtet, einen Mängelbehebungsauftrag zu erteilen (vgl. die bei Ritz, BAO3, Tz 15 zu § 85 genannte hg. Rechtsprechung). Dem Schriftsatz vom 17. Dezember 2008 kam auch nicht die Wirkung einer "Berichtigung" oder Mängelbehebung zu.

Der Bescheid vom 17. Dezember 2008, mit welchem der Beschwerdeführerin eine von ihr nicht (fristgerecht) beantragte Fristverlängerung gewährt worden ist, erweist sich daher als rechtswidrig.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass "nicht jede auch noch so geringfügige Rechtswidrigkeit das rechtsstaatliche Prinzip bzw. den Grundsatz der materiellen Rechtskraft (auch eines im Abgabenverfahren ergangenen Bescheides) durchbrechen" dürfe. Der Ansicht der Beschwerdeführerin, es sei nur "geringfügig rechtswidrig", in einem laufenden Verfahren die Partei auszuwechseln, kann aber nicht gefolgt werden, weil der rechtswidrige Bescheid zur Folge hatte, dass die Abgabenvorschreibung trotz des Ablaufs der Berufungsfrist (welche von der Beschwerdeführerin nicht genützt wurde) nicht in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2003, Zl. 2001/15/0133).

Indem die Oberbehörde bei Wahrnehmung einer nicht bloß geringfügigen Rechtswidrigkeit mit Aufhebung der Bescheide vorgegangen ist, hat sie das bei der Aufhebung eines Bescheides der Behörde eingeräumte Ermessen im Sinne des Gesetzes gehandhabt. Auf dem Boden des Beschwerdevorbringens ist der Ermessensentscheidung daher nicht entgegen zu treten.

Somit ergibt sich bereits aus dem Beschwerdeinhalt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war. Wien, am 8. September 2009

Stichworte