VwGH 2008/22/0715

VwGH2008/22/07156.8.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des F, vertreten durch Dr. Felix Graf, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 10. Juni 2008, Zl. Fr-4250a-5/08, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen albanischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 60 Abs. 1, 60 Abs. 2 Z. 1 und 2, 63 und 66, 86 und 87 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf acht Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies die belangte Behörde auf die rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers durch das Bezirksgericht Feldkirch vom 8. Mai 2006 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen (50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) sowie durch das Landesgericht Feldkirch vom 18. September 2007 wegen der Weitergabe und des Besitzes nachgemachten oder gefälschten Geldes nach § 233 Abs. 1 Z. 12 (gemeint: Z. 2) StGB und des Handels mit Suchtgift in einer großen Menge gemäß § 28 Abs. 2 vierter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten. Der ersten Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 24. Juli 2005 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Mittäter eine dritte Person dadurch vorsätzlich am Körper verletzt habe, dass er ihr Schläge und Fußtritte gegen das Gesicht und den Hinterkopf versetzt habe, wodurch diese Hämatome am rechten Oberlid, an der Nase sowie am Kopf erlitten habe. Der zweiten Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer im Mai bzw. Juni 2007 in Vorarlberg vier Stück nachgemachte EUR 200,-- Banknoten zur Bezahlung von Rechnungen als echt und unverfälscht verwendet und im Juni 2006 insgesamt ca. 60 g Kokain - somit Suchtgift in einer großen Menge - in Verkehr gesetzt habe. Zusätzlich sei der Beschwerdeführer zwischen Februar 2004 und April 2007 insgesamt 35 Mal wegen Verwaltungsübertretungen (davon vier schwere Verwaltungsübertretungen nach dem Führerscheingesetz) rechtskräftig bestraft worden.

Der Beschwerdeführer sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet.

Auf Grund der bestehenden Ehe sei der Beschwerdeführer als Familienangehöriger einer nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin anzusehen und ein Aufenthaltsverbot könne gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG nur verhängt werden, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sei. Das persönliche Verhalten müsse eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Strafrechtliche Verurteilungen allein könnten nicht ohne Weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen seien nicht zulässig.

Auf Grund der gerichtlichen Verurteilungen und der Verwaltungsübertretungen habe der Beschwerdeführer die als Orientierungsmaßstab heranzuziehenden Tatbestände des § 60 Abs. 2 Z. 1 und 2 FPG erfüllt. Der Verurteilung des Landesgerichtes Feldkirch liege u.a. zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Frühjahr 2006 in Vorarlberg insgesamt 60 g Kokain an einen Dritten übergeben habe. Die dabei festgestellte Kokainmenge sei eine "große Menge" im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG und somit geeignet, Gewöhnung hervorzurufen und im großen Maßstab eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. Wegen der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität könne kein Zweifel bestehen, dass das Fehlverhalten des Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Die Weitergabe von Falschgeld gefährde zusätzlich die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Geldverkehrs erheblich.

Von der Möglichkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde Gebrauch gemacht, weil der Beschwerdeführer schwer gegen die öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und am Schutz der Gesundheit anderer verstoßen habe und auf Grund der Umstände im gegenständlichen Fall (große Suchtgiftmenge, gewinnsüchtige Begehung) eine hohe Rückfallsgefahr bestehe. Im Urteil des Landesgerichtes Feldkirch sei ausgeführt, dass der Beschwerdeführer vorgehabt habe, in der Suchtgiftszene in Vorarlberg als Dealer Fuß zu fassen.

Auch aus dem Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch sei die verwerfliche Charaktereigenschaft des Beschwerdeführers zu ersehen, habe er doch einem Dritten von hinten einen massiven Schlag gegen den Kopf versetzt und anschließend auf den am Boden Liegenden eingeschlagen und ihm Fußtritte gegen den Kopf versetzt. Zudem sei der Beschwerdeführer bislang wegen 35 Verwaltungsdelikten (davon vier schwere Übertretungen nach dem Führerscheingesetz) bestraft worden, worin sich eine krasse Missachtung der österreichischen Rechtsordnung auf dem Gebiet der Verwaltung durch den Beschwerdeführer zeige.

Der Beschwerdeführer habe sich im Dezember 2001 kurzfristig auf Grund eines Visums in Österreich aufgehalten, sei am 2. Februar 2002 wiederum in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe am 18. Februar 2002 einen Asylantrag gestellt, den er am 11. Oktober 2002 zurückgezogen habe. Am 12. Dezember 2002 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Aus dieser Ehe seien bislang keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen. Weitere familiäre Bindungen in Österreich seien nicht bekannt bzw. nicht vorgebracht worden.

Zwischen 26. November 2003 und 20. Dezember 2007 habe der Beschwerdeführer über Aufenthaltstitel verfügt. Der Beschwerdeführer habe es nach Ablauf seines letzten Aufenthaltstitels unterlassen, einen Verlängerungsantrag einzubringen, sodass sein Aufenthalt zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im österreichischen Bundesgebiet als unrechtmäßig anzusehen sei.

Mit dem Aufenthaltsverbot werde in einem relevanten Maß in das Privat- und/oder Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. An der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität bestehe jedoch ein schwerwiegendes öffentliches Interesse. Das Aufenthaltsverbot sei nicht nur wegen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, sondern auch im Interesse der Gesundheit anderer sowie zur Verhinderung strafbarer Handlungen dringend geboten. Zu Gunsten des Beschwerdeführers sprächen nur sein mehrjähriger größtenteils rechtmäßiger (bis 20. Dezember 2007) Aufenthalt und seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin.

Im Blick auf die besondere Gefährlichkeit von Suchtgiftdelikten sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes selbst bei völliger sozialer Integration nicht rechtswidrig. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände und Abwägung der gegenläufigen Interessen dränge daher das im hohen Maße bestehende öffentliche Interesse, einen weiteren Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet zu untersagen, das private und familiäre Interesse des Fremden in den Hintergrund. Ein gemeinsames Eheleben könne auch im Ausland weitergeführt werden bzw. seien diesbezüglich keine Hinderungsgründe vorgebracht worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer - unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten - fordert, dass über seine Berufung der unabhängige Verwaltungssenat zu entscheiden gehabt hätte, da seine österreichische Ehegattin von der EU-Freizügigkeit keinen Gebrauch zu machen brauche, genügt es - im Zusammenhang mit der hier zu beurteilenden Zuständigkeitsfrage - auf das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, 2006/21/0342, zu verweisen. Am Maßstab dieser Entscheidungen und der dort vorgenommenen Auslegung der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde ihre Zuständigkeit als Berufungsbehörde zu Recht in Anspruch genommen.

Der Beschwerdeführer ist Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) einer Österreicherin. Gemäß § 87 zweiter Satz FPG gelten für diese Personengruppe die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG. Diese Bestimmungen sind auch dann auf Angehörige von Österreichern anzuwenden, wenn Letztere ihr (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen haben. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer bereits zweimal strafrechtlich verurteilt, und zwar wegen vorsätzlicher Körperverletzung und wegen der Weitergabe von gefälschtem Geld sowie von Suchtgift in einer großen Menge, und weiters insgesamt 35 Mal wegen Verwaltungsdelikten bestraft worden sei, blieben unbestritten. In der Sache kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie aus dem Verhalten des Beschwerdeführers auf eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr schloss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Zu Recht verwies die belangte Behörde auf die verwerfliche Charaktereigenschaft des Beschwerdeführers, wenn er einem am Boden Liegenden Fußtritte ins Gesicht versetzt hat. Aus einem derart rücksichtslosen gewalttätigen Verhalten verbunden mit einem Falschgeld- und einem Suchtmitteldelikt, das geeignet ist, im großen Ausmaß eine Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen herbeizuführen, sowie einer durch die große Anzahl von Verwaltungsdelikten dokumentierten krassen Missachtung der österreichischen Rechtsvorschriften durch den Beschwerdeführer muss auf eine ganz erhebliche Gefährdung im Sinn der genannten Bestimmung geschlossen werden. Diese negative Prognoseentscheidung wird zusätzlich gestützt durch die - unbestritten gebliebene - Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer vorhabe, als "Dealer" in der Suchtgiftszene in Vorarlberg Fuß zu fassen.

Die Beschwerde vermag aber auch nicht die behördliche Beurteilung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG als unrichtig aufzuzeigen.

Gemäß dieser Bestimmungen (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) ist ein Aufenthaltsverbot, würde dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, zulässig, wenn diese Maßnahme zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Ein Aufenthaltsverbot darf jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und die Intensität seiner familiären und sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.

Der Beschwerdeführer kann zwar durch seinen inländischen Aufenthalt seit Februar 2002, das Familienleben mit seiner Ehefrau und seine Berufstätigkeit auf ein nicht unerhebliches Interesse an einem Verbleib in Österreich verweisen. Dem steht jedoch gegenüber, dass das öffentliche Interesse an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität äußerst gravierend ist und der Beschwerdeführer zusätzlich gegen das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Gewaltkriminalität und der Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Geldverkehrs verstoßen hat. Infolge dieses Verhaltens ist das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes so schwerwiegend anzusehen, dass das gegenläufige Interesse des Beschwerdeführers nicht zu einer Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes führen kann.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Eine Kostenentscheidung hatte mangels eines Antrages auf Zuerkennung von Aufwandersatz durch die belangte Behörde zu unterbleiben.

Wien, am 6. August 2009

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