VwGH 2008/18/0781

VwGH2008/18/078120.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des M J, geboren am 3. Mai 1985, vertreten durch Dr. Robert Lattermann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Werdertorgasse 12/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. November 2008, Zl. E1/158.158/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 17. November 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Dem Akteninhalt zufolge sei der Beschwerdeführer mit einem von der österreichischen Botschaft in Belgrad ausgestellten und vom 23. September bis 1. Oktober 2003 gültigen Visum "C" in das Bundesgebiet eingereist, jedoch nach Ablauf des Visums nicht wieder ausgereist, sondern habe seinen Aufenthalt im Bundesgebiet unrechtmäßig fortgesetzt. Am 13. Jänner 2004 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geehelicht und anschließend bei der Erstbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht. Am 16. April 2004 sei die Tochter des Beschwerdeführers in Wien geboren worden. Die Ehe des Beschwerdeführers sei am 10. November 2005 rechtskräftig geschieden worden.

Am 14. Juni 2006 sei der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Floridsdorf gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 90 Tagessätzen zu je EUR 5,--, gesamt EUR 450,--, rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 9. Februar 2005 in Wien 21. seine Ehegattin mit der Hand in das Gesicht geschlagen und ihr mit den Füßen gegen den Oberschenkel getreten und sie dabei vorsätzlich am Körper verletzt hätte. Am 28. Juni 2005 hätte der Beschwerdeführer seine Ehegattin wiederum mit voller Wucht mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen und sie dabei neuerlich vorsätzlich am Körper verletzt. Seine Schwiegermutter hätte der Beschwerdeführer gestoßen und dabei ebenfalls vorsätzlich am Körper verletzt.

Am 1. Februar 2007 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, davon zehn Monate bedingt, verurteilt worden. Den Entscheidungsgründen des in Rechtskraft erwachsenen Urteiles sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer und abgesondert verfolgte Mittäter am 16. November 2006 in Wien fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und andere verwertbare Sachen in einem im Zweifel EUR 3.000,-- nicht übersteigenden Wert, einer Person durch Einbruch in ein Gebäude mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht hätten, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er mehrmals fest an der Eingangstüre zum Teppichgeschäft angerissen und mit einem Werkzeug diese Türe zu öffnen getrachtet hätte.

Diese Verurteilung habe den Beschwerdeführer jedoch nicht davon abhalten können, neuerlich einschlägig straffällig zu werden. Am 6. Juni 2007 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß §§ 12 dritter Fall, 127, 129 Z. 1, 130 vierter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten unbedingt rechtskräftig verurteilt worden. Gleichzeitig sei mit Beschluss die gewährte bedingte Strafnachsicht zum vorigen Urteil widerrufen worden. Den Entscheidungsgründen sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer und abgesondert verfolgte Personen in Wien fremde bewegliche Sachen anderen Personen durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen hätten, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, dies und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Der Beschwerdeführer hätte mit einer abgesondert verfolgten Person im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 4. Februar 2007 Verfügungsberechtigten eines Cafes einen Tresor durch Aufbrechen mehrerer Türen weggenommen und dazu beigetragen, dass andere fremde bewegliche Sachen anderen durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen worden wären, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Beschwerdeführer darüber hinaus in der Absicht gehandelt hätte, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. So hätte er am 3. Februar 2007 vor der Eingangstüre Aufpasserdienste geleistet, um bei drohender Entdeckung einen Mittäter mittels Handyanruf zu warnen, wobei der Mittäter einer bekannt gewordenen Person verschiedene Porzellanschalen und eine Diskette im Gesamtwert von ca. EUR 120,--

durch Einbruch in ein Zimmerbrunnengeschäft weggenommen hätte.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG aus, der Beschwerdeführer habe in einer Niederschrift vor der Erstbehörde vom 21. November 2006 angegeben, geschieden zu sein und Sorgepflichten für ein Kind zu haben. Außer seiner Tochter hätte er keine Familienangehörigen in Österreich. Vor seiner Inhaftierung wäre er ohne Beschäftigung gewesen, im Fall seiner Abschiebung in seine Heimat hätte er weder strafrechtliche noch politische Probleme. In einer weiteren Niederschrift vor der Erstbehörde am 9. Februar 2007 habe der Beschwerdeführer seine bisher gemachten Angaben wiederholt. Darüber hinaus habe er angegeben, ohne Beschäftigung und beim AMS im 3. Bezirk als arbeitsuchend gemeldet zu sein. Er wäre nicht im Besitz von Barmitteln. In seiner Berufung vom 26. Februar 2008 mache er darüber hinaus geltend, dass er auch zu seinen Schwiegereltern guten Kontakt hätte. Er wäre stets seiner Sorgepflicht gegenüber seiner Tochter nachgekommen. Grund der Trennung von seiner Gattin wäre gewesen, dass diese massive Drogenprobleme gehabt hätte und ein Zusammenleben nicht mehr möglich gewesen wäre.

Vor diesem Hintergrund sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 66 leg. cit. zu bejahen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit, der körperlichen Integrität und des Eigentums Dritter -

als dringend geboten zu erachten. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Verhaltensprognose könne für den Beschwerdeführer in Ansehung der bei ihm geradezu verwirklichten Wiederholungsgefahr nicht positiv ausfallen.

Eine auch nach § 66 Abs. 2 FPG gebotene Interessenabwägung müsse ebenfalls zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Seine persönlichen Interessen würden im Hinblick darauf, dass die für das Ausmaß jeglicher Integration wesentliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten deutlich beeinträchtigt werde, weiter gemindert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer über keine Barmittel verfüge und seine beruflichen Bindungen sehr schwach ausgeprägt seien, verstärke diese Annahme zusätzlich. Von daher gesehen hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität in den Hintergrund zu treten.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, könne die belangte Behörde angesichts des vorliegenden Sachverhaltes von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen.

Ein Aufenthaltsverbot sei für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden könne. Die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, das auch über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren aufrecht erhalten werden könne, stelle gegenüber der Verhängung eines - auf höchstens zehn Jahre - befristeten Aufenthaltsverbotes die schwerer wiegende Beeinträchtigung der persönlichen Interessen des Fremden dar. Als für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Umstände, die auch für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer von Bedeutung seien, kämen das konkret gesetzte Fehlverhalten und die daraus resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen sowie die privaten und familiären Interessen in Betracht.

Ausgehend von dieser Rechtslage stehe die von der Erstbehörde vorgenommene "Befristung" des Aufenthaltsverbotes mit § 63 FPG in Einklang. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne - selbst unter Bedachtnahme auf dessen private Situation - ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf Grund der unstrittig feststehenden Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Der Beschwerdeführer hat seine geschiedene Ehefrau zweimal durch Schläge mit der Hand in das Gesicht bzw. einmal durch Fußtritte sowie deren Mutter durch Stoßen jeweils vorsätzlich am Körper verletzt. Weiters hat der Beschwerdeführer versucht, sich durch einen Einbruchsdiebstahl unrechtmäßig zu bereichern. Trotz dieser Verurteilung wegen versuchten Einbruchsdiebstahls ist der Beschwerdeführer nur zwei Tage später erneut einschlägig straffällig geworden, indem er neuerlich an Einbruchsdiebstählen mitgewirkt hat, um sich durch deren wiederholte Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Durch diese strafbaren Handlungen hat der Beschwerdeführer gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Gewaltkriminalität sowie der Eigentumskriminalität verstoßen. Zudem hat er sich durch die beiden ersten strafrechtlichen Verurteilungen nicht davon abhalten lassen, nach sehr kurzer Zeit erneut einschlägig straffällig zu werden, wobei er sein Fehlverhalten noch gesteigert hat. Die gewerbsmäßige Begehung von Eigentumsdelikten stellt eine besonders schwere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar.

Aus all diesen Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, für den Beschwerdeführer könne keine positive Prognose erstellt werden, weshalb die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Daran kann auch das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe jetzt erstmalig das Übel der Haft verspürt, sodass er nicht wieder straffällig würde, nichts ändern. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers liegt noch nicht so lange zurück, dass auf Grund des verstrichenen Zeitraumes eine (wesentliche) Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für die in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen angenommen werden kann.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers seine Sorgepflichten für ein Kind aus geschiedener Ehe sowie gute Kontakte zu seinen Schwiegereltern berücksichtigt. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die unter II. 2. dargestellte große Gefährdung öffentlicher Interessen auf Grund seines strafbaren Verhaltens gegenüber. Die aus seinem mehrjährigen Aufenthalt ableitbare Integration des Beschwerdeführers ist in ihrem Gewicht entscheidend dadurch gemindert, dass die dafür maßgebliche soziale Komponente durch das ihm zur Last liegende, gegen die körperliche Integrität und gegen fremdes Vermögen gerichtete insgesamt gravierende Fehlverhalten erheblich gelitten hat. Weiters ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nicht in den inländischen Arbeitsmarkt integriert ist. Bei gehöriger Abwägung dieser Interessenlage kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Da sich der Beschwerdeführer seit September 2003 in Österreich aufhält und die gegenständlichen Straftaten zwischen Februar 2005 und Februar 2007 verübt wurden, kann auch keine Rede davon sein, dass eine Aufenthaltsverfestigung hinsichtlich des Beschwerdeführers eingetreten sei.

5. Die Beschwerde wendet sich dagegen, dass die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen hat. Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/18/0213) ist ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit ( unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie in Anbetracht des gravierenden wiederholten Fehlverhaltens, das der Beschwerdeführer auch trotz bereits erfolgter Verurteilungen gesetzt hat, zum Ergebnis kam, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, auch unter Berücksichtigung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet nicht vorhergesehen werden könne, zumal diese Interessen als entscheidend relativiert anzusehen sind (vgl. oben II.3.).

6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

7. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 20. Jänner 2009

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