VwGH 2008/18/0736

VwGH2008/18/073619.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des P M in O, vertreten durch Maga. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. November 2007, Zl. Fr 1295/07, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 23. November 2007 wurde der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei im Juni 2003 illegal ins Bundesgebiet eingereist, wobei sein Vater diese Einreise im Zuge eines kurzfristigen Aufenthaltes in der Russischen Föderation mit Schlepperhilfe organisiert habe. Danach habe der Beschwerdeführer in Bezug auf den Asylantrag seines Vaters einen Asylerstreckungsantrag eingebracht, der - wie auch die dagegen eingebrachte Berufung - rechtskräftig abgewiesen worden sei. Am 11. Juli 2003 habe der Beschwerdeführer einen zweiten Asylerstreckungsantrag eingebracht und diesen am 12. November 2003 zurückgezogen. Der am 18. März 2004 eingebrachte dritte Asylerstreckungsantrag sei (rechtskräftig) am 10. August 2004 abgewiesen worden. Mit einem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 3. April 2007 sei der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme dahingehend verständigt worden, dass beabsichtigt sei, ihn aus dem Bundesgebiet auszuweisen. Eine Stellungnahme sei dazu nicht abgegeben worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 53 Abs. 1 FPG aus, dass der Beschwerdeführer illegal nach Österreich eingereist sei und den AIS-Auszügen nicht zu entnehmen sei, dass er jemals über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt habe. Zudem sei auch das Asylverfahren auf Grund seines dritten Asylantrages seit 10. August 2004 rechtskräftig negativ beendet worden. Der Beschwerdeführer habe sich daher auch zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Ausweisungsbescheides rechtswidrig in Österreich aufgehalten und befinde sich nach wie vor im Bundesgebiet. Somit sei unter Berücksichtigung der nachfolgenden Ausführungen eine Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG zulässig.

Im Rahmen des Ermessensspielraumes gemäß § 53 Abs. 1 FPG sei zu prüfen, ob der Ausweisung allenfalls § 66 Abs. 1 FPG entgegenstehe. Der Beschwerdeführer befinde sich seit Juni 2003 durchgehend im Bundesgebiet. Er sei derzeit mit seinem Vater, dessen Lebensgefährtin und deren gemeinsamen Sohn, somit seinem Halbbruder, in einer Mietwohnung aufhältig. Der Vater des Beschwerdeführers befinde sich nach insgesamt vier Asylanträgen seit Ende des Jahres 2002 rechtswidrig im Bundesgebiet. Der Asylantrag der Lebensgefährtin des Vaters sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Dezember 2001 abgewiesen worden und ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien sei für zulässig erklärt worden. Dieser Bescheid sei am 27. Dezember 2001 rechtskräftig geworden. Am 24. April 2002 habe die Lebensgefährtin des Vaters eine Berufung verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag eingebracht, worüber bislang nicht entschieden worden sei. Das Asylverfahren des Halbbruders des Beschwerdeführers befinde sich im Berufungsstadium, dieser verfüge somit derzeit über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.

Auf Grund des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich seit Juni 2003 und des gemeinsamen Wohnsitzes mit seinem Vater und seinem Halbbruder müsse davon ausgegangen werden, dass eine Ausweisung in sein Privat- und Familienleben eingreife. Die Ausweisung sei aber das gelindeste Mittel, um den gesetzmäßigen Zustand wiederherzustellen. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Weiterverbleib des Beschwerdeführers in Österreich auch nach Beendigung des Asylverfahrens. Er habe durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich die Normen gebrochen, die den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelten. Diesen Normen komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse werde durch den illegalen Aufenthalt des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt. Er habe auch keine Möglichkeit, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren. Könne sich generell betrachtet ein Fremder in so einer Situation erfolgreich auf § 66 Abs. 1 FPG berufen, liefe dies dem FPG und dem NAG zuwider, deren Ziele ein geordnetes Fremdenwesen und ein geordneter Zuzug von Fremden seien. Es könne nicht bestritten werden, dass der Beschwerdeführer familiäre und sonstige Interessen an einem Weiterverbleib in Österreich habe. Deshalb sei im Rahmen der Prüfung, ob seine Ausweisung zur Wahrung der öffentlichen Ordnung im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei, eine Abwägung seiner persönlichen Interessen mit der durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet ausgehenden Beeinträchtigung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, insbesondere der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, vorzunehmen.

Der Beschwerdeführer sei seit mittlerweile "über vier Jahren" unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Laut Angaben seines Vaters werde der Lebensunterhalt durch Sozialhilfe finanziert und es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sein Vater in der Lage sei, für seinen Unterhalt zu sorgen. Weiters sei im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass die privaten bzw. familiären Bindungen zu seinem Vater und zu seinem Halbbruder in Österreich zu einem Zeitpunkt entstanden seien, zu dem sich zumindest sein Vater über den eigenen unsicheren Aufenthaltsstatus sowie den des Beschwerdeführers und seines Halbbruders in Österreich hätte bewusst sein müssen. Weiters sei der Beschwerdeführer zu einem Zeitpunkt illegal ins Bundesgebiet eingereist, als das Asylverfahrens seines Vaters bereits rechtskräftig negativ beendet gewesen sei. Somit hätte sich der Vater des Beschwerdeführers darüber im Klaren sein müssen, dass auch dieser maximal eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung erhalten könne. Trotzdem habe sein Vater die illegale Einreise des Beschwerdeführers ins Bundesgebiet unterstützt. Die Unsicherheit des weiteren rechtlichen Schicksals des Beschwerdeführers habe daher seinem Vater klar sein müssen. Die familiäre Beziehung zu seinem Vater und seinem Halbbruder in Österreich habe der Beschwerdeführer während seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet begründet. Zwar könne auch ein unrechtmäßiger Aufenthalt eine Integration begründen, auf Grund der vorgenannten und für den Beschwerdeführer nachteilig zu gewichtenden Umstände könne jedoch nur von einer sehr geringfügigen Integration ausgegangen werden. Die Integration eines Fremden verlange nämlich auch die Bereitschaft, die Rechtsordnung seines Aufenthaltsstaates, und zwar auch die fremdenrechtlichen Bestimmungen, zu respektieren. Der Beschwerdeführer habe durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt "seit Juni 2003" die Normen gebrochen, die den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regeln. Sein Vater sei auf Grund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. November 2007 ebenfalls aus Österreich ausgewiesen worden und werde daher mit dem Beschwerdeführer das Bundesgebiet verlassen. Die Ausweisung greife somit nicht in die familiären Beziehungen zu seinem Vater ein. Der Aufenthaltsort des Halbbruders des Beschwerdeführers werde sich nach dessen Mutter richten. Selbst wenn sein Halbbruder im Bundesgebiet verbleiben sollte, könne ein eingeschränkter Kontakt zu ihm aufrecht erhalten werden. Seine Pflichtschulzeit könne der Beschwerdeführer auch in Russland beenden, zumal er zumindest vier Jahre in Russland die Schule besucht habe. Auf Grund dieser Abwägungsgrundlagen, insbesondere aber auf Grund des bereits mehrjährigen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, könne die Interessenabwägung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers vorgenommen werden und die Ausweisung müsse daher als dringend geboten im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG qualifiziert werden. Aus denselben Gründen könne auch im Rahmen des der Behörde eingeräumten Ermessensspielraumes nicht von der Erlassung der Ausweisung abgesehen werden.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 29. September 2008, B 96/08-7, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellte der Beschwerdeführer den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, dass der im Juni 2003 illegal ins Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer während seines inländischen Aufenthaltes lediglich auf Grund seiner Asylerstreckungsanträge über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügt habe, der erste Asylerstreckungsantrag rechtskräftig abgewiesen, der zweite zurückgezogen und der dritte Asylerstreckungsantrag im Juli 2004, rechtskräftig am 10. August 2004, wiederum abgewiesen worden sei, begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer seither unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Soweit sich die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 FPG wendet und vorbringt, der Beschwerdeführer lebe mit seinem Vater, dessen Lebensgefährtin und deren gemeinsamen Sohn, dem Halbbruder des Beschwerdeführers, in häuslicher Gemeinschaft und der Halbbruder verfüge über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz, und unter Hinweis auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) rügt, die belangte Behörde habe den Gehalt der einzelnen Aspekte des Familienlebens des Beschwerdeführers und deren Bedeutung für die vorzunehmende und vorgenommene Abwägung rechtlich falsch beurteilt, gleicht dieses Vorbringen im Wesentlichen jenem in der Beschwerde des Vaters des Beschwerdeführers, die dem hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf diese Entscheidung verwiesen.

Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer, der im Juni 2003 illegal eingereist ist und nur auf Grund mehrerer Asylerstreckungsanträge, die sich - soweit sie nicht zurückgezogen wurden - als erfolglos herausgestellt haben, bis in das Jahr 2004 über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügt hat, nach rechtskräftiger Abweisung des dritten Asylerstreckungsantrages unrechtmäßig im Bundesgebiet geblieben. Da sich auch der Vater des Beschwerdeführers unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. November 2007 ebenfalls ausgewiesen wurde

Das im gegebenen Zusammenhang maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten weist aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) einen hohen Stellenwert auf (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 2. Dezember 2008, Zl. 2008/18/0689). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer, der lediglich bis in das Jahr 2004 über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügt hat, durch seinen daran anschließenden unrechtmäßigen Aufenthalt von über drei Jahren (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) gravierend beeinträchtigt.

Im Hinblick darauf kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers auch gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, nicht als rechtswidrig angesehen werden.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. März 2009

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