VwGH 2008/22/0921

VwGH2008/22/092110.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über den Antrag des AS in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Verfahrenshilfeantrages hinsichtlich beabsichtigter Bekämpfung des Spruchpunktes 1 des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 4. September 2008, Zl. MA35-9/1928252-04+05-7, betreffend Wiederaufnahme eines Aufenthaltstitelverfahrens, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
AVG §70 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
AVG §70 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit der am 31. Oktober 2008 zur Post gegebenen Eingabe vom 30. Oktober 2008 ersuchte der Antragsteller um Gewährung der "Verfahrenshilfe zum Zweck der Ausführung der Beschwerde gegen den Bescheid über Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den Antrag um Verlängerung des Aufenthalts". Dieser Bescheid sei dem Antragsteller am 12. September 2008 zugestellt worden. Mit demselben Schriftsatz beantragte er "die Wiedereinsetzung, da die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides in irreführender Weise war, indem in ihr vorgegeben wurde, dass ich sie nur erheben könnte, wenn ich das Geld für die Bezahlung eines Rechtsanwalts und zusätzlich noch 180,- Euro aufbringen könnte". Die "Möglichkeit der Verfahrenshilfe" sei in der Rechtsmittelbelehrung verschwiegen worden. Davon habe der Antragsteller "leider erst nach Ablauf der 6-Wochen-Frist" erfahren.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn diese durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach § 46 Abs. 3 VwGG ist in den Fällen des Abs. 1 der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Gemäß § 46 Abs. 4 VwGG ist über den Antrag in nicht öffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden.

Gemäß § 26 Abs. 3 VwGG ist die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gewahrt, wenn die Partei innerhalb der Frist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt hat. Der vorliegende Antrag richtet sich offensichtlich auf Wiedereinsetzung in diese Frist (vgl. in diesem Sinne auch den hg. Beschluss vom 9. August 2007, 2007/20/1050).

Mit Spruchpunkt 1 jenes Bescheides, den der Antragsteller, ein türkischer Staatsangehöriger, beim Verwaltungsgerichtshof zu bekämpfen beabsichtigt, verfügte der Landeshauptmann von Wien gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG von Amts wegen die Wiederaufnahme eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens betreffend Erteilung eines Aufenthaltstitels.

Begründend wurde (auf das hier Wesentliche zusammengefasst) ausgeführt, es sei hervor gekommen, dass es sich bei der vom Vater des Antragstellers am 18. Februar 2000 mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossenen Ehe um eine "Aufenthaltsehe" gehandelt habe. Das auf Grund des vom Antragsteller gestellten Antrages vom 19. Februar 2004 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren sei von Amts wegen wiederaufzunehmen gewesen, weil der infolge dieses Antrages erteilte Aufenthaltstitel erschlichen worden sei und im Verfahren bewusst Täuschungshandlungen gesetzt worden seien. Unter einem wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen. Darüber hinaus enthält der anzufechtende Bescheid zu Spruchpunkt 1 die Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen diesen gemäß § 70 Abs. 3 AVG eine Berufung nicht zulässig sei, sowie in diesem Zusammenhang den Hinweis, dass gegen Spruchpunkt 1 Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof und beim Verfassungsgerichtshof eingebracht werden könne.

Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 AVG die Wiederaufnahme eines Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG stattfinden. Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem (§ 69 Abs. 4 AVG). Nach § 70 Abs. 3 AVG steht einem Antragsteller gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiederaufnahme das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde, wenn aber in der Sache eine Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, an diesen zu. Gegen die Bewilligung oder die Verfügung der Wiederaufnahme ist eine abgesonderte Berufung nicht zulässig.

Der Landeshauptmann von Wien begründete seine Zuständigkeit mit den Bestimmungen des NAG. Gemäß § 3 Abs. 1 NAG ist Behörde nach diesem Bundesgesetz der örtlich zuständige Landeshauptmann. Nach § 3 Abs. 2 NAG entscheidet über Berufungen gegen Entscheidungen des Landeshauptmannes der Bundesminister für Inneres.

Entgegen der in der Rechtsmittelbelehrung des gegenständlichen Bescheides ausgedrückten Ansicht ist gemäß § 70 Abs. 3 AVG eine Berufung gegen einen die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid nicht schlechthin unzulässig. § 70 Abs. 3 AVG sieht nämlich diesbezüglich lediglich vor, dass gegen derartige Entscheidungen eine abgesonderte Berufung nicht zulässig ist.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Beschwerde ist Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG zu beachten, wonach eine Beschwerde erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden kann. Eine Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem die Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens verfügt wird, ist mangels Erschöpfung des Instanzenzuges dann zurückzuweisen, wenn gegen diesen Bescheid noch eine - wenn auch keine abgesonderte - Berufung zusteht, so wie dies nach § 70 Abs. 3 zweiter Satz AVG, wenn es sich nicht um letztinstanzliche Wiederaufnahmebescheide handelt, der Fall ist. Lediglich dann, wenn es sich um einen im Administrativverfahren nicht anfechtbaren Bescheid handelt, ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2, § 70, E 41, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Im gegenständlichen Fall steht dem Antragsteller gegen jenen Bescheid, den er anzufechten beabsichtigt, hinsichtlich der Entscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 NAG das Rechtsmittel der Berufung an den Bundesminister für Inneres offen. Wenngleich der gegenständliche Ausspruch über die Verfügung der Wiederaufnahme nicht abgesondert mit Berufung bekämpft werden kann, so kann er doch gemeinsam mit der Bekämpfung der den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im wiederaufgenommenen Verfahren abweisenden Entscheidung in Berufung gezogen werden (vgl. den gleichgelagerte Fälle betreffenden hg. Beschluss vom heutigen Tag, 2008/22/0874, 0875).

Mangels Erschöpfung des Instanzenzuges konnten sohin die in § 26 VwGG festgesetzten Fristen nicht zu laufen beginnen (eine vor Erschöpfung des Instanzenzuges erhobene Beschwerde wäre schon allein deswegen zurückzuweisen),

weshalb es rechtlich auch nicht möglich war, die dort festgesetzten Fristen zu versäumen und deswegen die Wiedereinsetzung zu begehren.

Wien, am 10. Dezember 2008

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