VwGH 2008/18/0743

VwGH2008/18/074316.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des S E, geboren am 25. Mai 1988, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. August 2008, Zl. E1/278.501/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §27 Abs3;
StGB §70;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §27 Abs3;
StGB §70;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. August 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer, angeblich ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer, dessen Identität und Nationalität auf Grund fehlender Dokumente nicht nachgewiesen sei, sei laut seinen Angaben am 11. Februar 2007 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt und habe am selben Tag beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt. Dieses Verfahren befinde sich derzeit im Berufungsstadium.

Der Beschwerdeführer, der über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfüge, aber nicht im Besitz eigener Barmittel sei, sei am 29. Mai 2008 vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 (achter Fall) und Abs. 3 Suchtmittelgesetz - SMG, § 15 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Er habe im Zeitraum vom Juli 2007 bis zum 3. Mai 2008 an insgesamt drei namentlich bekannte abgesondert verfolgte Suchtgiftabnehmer insgesamt rund 287 Gramm Heroin um EUR 30,-- pro Gramm sowie im selben Zeitraum eine nicht genau festzustellende Menge Heroin um EUR 30,-- pro Gramm und eine nicht genau festzustellende Menge Kokain um EUR 40,-- pro Gramm an unbekannt gebliebene Abnehmer verkauft. Dazu komme, dass er am 5. März 2008 vier Kugeln Heroin zu 4,5 Gramm brutto und zwei Kugeln Kokain zu 1,8 Gramm brutto zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf an unbekannte Abnehmer bereitgehalten habe. Bei der von ihm zu verantwortenden Suchtgiftmenge habe es sich um ca. die halbe Grenzmenge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG - eine Grenzmenge sei jene Menge an Suchtgift, die geeignet sei, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen - gehandelt.

Auf Grund dieser Verurteilung sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß, sodass auch die in § 62 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichem Bescheid vom 16. Juni 2008 habe der Beschwerdeführer erstmals behauptet, "eine Beziehung zu einer jungen Frau" aufgebaut zu haben, die österreichische Staatsbürgerin wäre. Abgesehen davon, dass er nicht behauptet habe, mit dieser im gemeinsamen Haushalt zu leben, habe er durch fehlende genauere Angaben hinsichtlich dieser Frau eine Überprüfung unmöglich gemacht. Zuletzt habe er angegeben, bei "Freunden" zu wohnen. Auf Grund seines fast eineinhalbjährigen inländischen Aufenthaltes und der - im Zweifel zu seinen Gunsten - anzunehmenden Bindungen im Bundesgebiet sei von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- bzw. Familienleben auszugehen gewesen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zu bejahen und im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Erlassung des Rückkehrverbotes zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit Dritter, dringend geboten. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche mehr als augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Schon in Ansehung der besonders großen zu verantwortenden Suchtgiftmenge und der den Suchtgiftdelikten immanenten Wiederholungsgefahr habe eine Verhaltensprognose für ihn nicht positiv ausfallen können.

Im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Von daher gesehen hätten seine privaten Interessen gegenüber den genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers und im Hinblick auf die Art und Schwere der ihm zur Last liegenden Straftaten habe von der Erlassung des Rückkehrverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, allenfalls Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, begegnet in Anbetracht der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten keinen Bedenken.

1.2. Nach den weiteren, insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde liegt dieser Verurteilung zugrunde, dass der Beschwerdeführer - wie oben (I. 1.) dargestellt - nicht einmal ein halbes Jahr nach seiner Einreise begonnen hat, an mehrere Suchtgiftabnehmer Heroin bzw. Kokain zu verkaufen, wobei sich der Tatzeitraum über mehrere Monate erstreckt hat und er dabei gewerbsmäßig, das heißt in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, vorgegangen ist (vgl. § 27 Abs. 3 SMG und § 70 StGB).

In Anbetracht dieses Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2007/18/0127, mwN), begegnet auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand, handelt es sich doch bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist. Die (bloße) Beschwerdebehauptung, dass nur bei Suchtabhängigen mit einer "relevanten" Rückfallgefahr zu rechnen sei, findet im Blickwinkel der gerichtlichen Praxis keine Bestätigung. Im Übrigen ist der seit der Beendigung des genannten strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum viel zu kurz, um einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr anzunehmen, sodass auch deshalb - entgegen der Beschwerdeansicht - kein Grund dafür bestand, eine für ihn günstige Verhaltensprognose zu treffen.

2. Auch gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Erlassung des Rückkehrverbotes sei zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit) dringend geboten (§ 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen jedenfalls nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 2 FPG), bestehen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang vorbringt, dass Migranten zum wirtschaftlichen Wohl des Landes beitrügen, der Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich durchaus nützlich wäre und die belangte Behörde diese öffentlichen Interessen hätte berücksichtigen müssen, so ist dieses Vorbringen bereits deshalb nicht zielführend, weil nach der ständigen hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. Oktober 2008, Zl. 2007/18/0520, mwN) bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG zu Gunsten des Fremden nur dem privaten und familiären Bereich betreffende Umstände, nicht jedoch öffentliche Interessen Berücksichtigung finden. Dem weiteren von ihr behaupteten Umstand. dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers "kaum" möglich wäre, kommt im vorliegenden Zusammenhang keine rechtserhebliche Bedeutung zu, und zwar bereits deshalb, weil weder mit einem Rückkehrverbot noch einem Aufenthaltsverbot darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er abgeschoben werde.

3. Ferner sind - entgegen der Beschwerdeansicht - keine besonderen Umstände erkennbar, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, im Rahmen des ihr gemäß § 62 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Rückkehrverbotes Abstand zu nehmen.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 16. Dezember 2008

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