Normen
BAO §289 Abs2 idF 2002/I/097;
BAO §303 Abs4;
BAO §307 Abs1;
BAO §307 Abs3;
VwRallg;
BAO §289 Abs2 idF 2002/I/097;
BAO §303 Abs4;
BAO §307 Abs1;
BAO §307 Abs3;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2000, 95/14/0145, VwSlg. 7.526 F/2000, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen einen auf § 299 Abs. 1 lit. c BAO gestützten Aufhebungsbescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich betreffend Einkommensteuer 1989 als unbegründet abgewiesen. Im damals angefochtenen Aufhebungsbescheid vom 17. Februar 1995 wurde dem Finanzamt vorgeworfen, nach der Sachlage gebotene weitere Ermittlungen zur Frage der Ansässigkeit des Beschwerdeführers unterlassen zu haben. Im Gefolge einer abgabenbehördlichen Prüfung habe das Finanzamt am 9. Juni 1993 nach Wiederaufnahme des Verfahrens einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1989 unter der Annahme erlassen, dass der Beschwerdeführer in Kanada ansässig sei. Die gegen den Wiederaufnahme- wie auch gegen den Einkommensteuerbescheid 1989 erhobene Berufung habe der Beschwerdeführer - nachdem ein umfangreicher Vorhalt zur Sachverhaltsaufklärung an ihn ergangen war - mit Eingabe vom 23. Jänner 1995 zurückgenommen. Im Sinne des an den Beschwerdeführer ergangenen Vorhaltes bestünden jedoch ernsthafte Zweifel, wo sich der tatsächliche Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers im Streitjahr befunden habe. In weiterer Folge wären auch die im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellten Geldflüsse - hinsichtlich derer der Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine "beschränkte Steuerpflicht" die Auskunft verweigerte habe - aufzuklären und gegebenenfalls - falls sie aus bisher nicht erklärten Einkunftsquellen stammten - in Österreich zu versteuern gewesen.
Nachdem die Finanzlandesdirektion den Einkommensteuerbescheid 1989 gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO aufgehoben hatte, nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend Einkommensteuer 1989 mit Bescheid vom 29. März 1995 (neuerlich) wieder auf und erließ zugleich einen geänderten Einkommensteuerbescheid gleichen Datums.
Der Beschwerdeführer erhob gegen beide Bescheide vom 29. März 1995 Berufung, in der er u.a. darauf hinwies, dass das Einkommensteuerverfahren 1989 bereits im Anschluss an die abgabenbehördliche Prüfung mit Bescheid vom 9. Juni 1993 wieder aufgenommen worden sei und die Bescheidaufhebung durch die Oberbehörde (lediglich) die Einkommensteuerfestsetzung 1989 betroffen habe.
In der Folge gab das Finanzamt der Berufung betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens mit Berufungsvorentscheidung vom 17. August 1998 statt und hob den Wiederaufnahmebescheid vom 29. März 1995 ersatzlos auf. Zugleich wurde die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1989 vom 29. März 1995 gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO mit der Begründung zurückgewiesen, dass dieser Bescheid durch den Wegfall seiner verfahrensrechtlichen Grundlage ex lege aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sei.
Mit Bescheid vom 29. September 1998 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 1989 unter Berufung auf den Wiederaufnahmebescheid vom 9. Juni 1993 wie im Bescheid vom 29. März 1995 fest. Nach dem bisherigen Ermittlungsverfahren sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich gehabt und in Österreich einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben habe. Da der Beschwerdeführer weder die in Kanada entfaltete Tätigkeit konkret dargelegt noch die im Zusammenhang mit dem Grundstückshandel angefallenen Betriebsausgaben nachgewiesen habe und auch die im Bedenkenvorhalt der Finanzlandesdirektion vom 20. Oktober 1994 aufgezeigten Geldflüsse nicht aufgeklärt worden seien, seien die Bemessungsgrundlagen wie im Vorhalt angekündigt zu schätzen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der (u.a.) gegen den Einkommensteuerbescheid 1989 vom 29. September 1998 erhobenen Berufung teilweise statt. Nach ausführlicher Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens hielt die belangte Behörde dem Einwand des Beschwerdeführers, die Einkommensteuerfestsetzung vom 29. September 1998 verstoße gegen das Verbot, in der selben Sache neuerlich zu entscheiden, entgegen, dass die Oberbehörde mit dem vom Verwaltungsgerichtshof bestätigten Bescheid vom 17. Februar 1995 den Einkommensteuerbescheid vom 9. Juni 1993, nicht jedoch den Wiederaufnahmebescheid vom selben Tag aufgehoben habe. Durch die neuerliche Wiederaufnahme mit Bescheid vom 29. März 1995 sei der Wiederaufnahmebescheid vom 9. Juni 1993 nur vorübergehend aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Mit Berufungsvorentscheidung vom 17. August 1998 sei nämlich dem Rechtsmittel des Beschwerdeführers vom 21. April 1995 gegen den zweiten Wiederaufnahmebescheid vom 29. März 1995 durch dessen ersatzlose Aufhebung stattgegeben worden. Dadurch sei nicht nur der damit verbundene Sachbescheid vom 29. März 1995 ex lege aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, sondern sei auch der erste Wiederaufnahmebescheid vom 9. Juni 1993 wieder aufgelebt. Solcherart stelle der Wiederaufnahmebescheid vom 9. Juni 1993 die rechtskräftige verfahrensrechtliche Grundlage für den am 29. September 1998 erlassenen, nunmehr angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1989 dar.
In der Sache vertrat die belangte Behörde - wie im Bescheid näher ausgeführt - die Ansicht, das Gesamtbild der sich der belangten Behörde im Beschwerdefall bietenden Fakten spräche dafür, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers im Jahr 1989 in Österreich gelegen sei. Österreich sei daher zur Besteuerung des Welteinkommens des Beschwerdeführers berechtigt. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass die in den Vorjahren erzielten Erlöse aus diversen Veräußerungsvorgängen in wirtschaftliche Unternehmen (Gesellschaften, Liegenschaften) in Kanada reinvestiert worden seien und der Beschwerdeführer im Streitjahr daraus nicht erklärte Einkünfte erzielt habe. Der Beschwerdeführer habe nach den insoweit unstrittigen Feststellungen im Jahr 1989 Zahlungen in Höhe von 11,641.330,70 S (Tilgung der Lieferantenverbindlichkeit der seiner Ehefrau gehörenden P. GmbH & Co KG in Höhe von 7,346.360,70 S, Überweisungen am 17. März 1989 und am 26. Mai 1989 in Höhe von 3,799.970 S und 495.000 S auf ein näher bezeichnetes Konto) getätigt und sich beharrlich geweigert, die Herkunft dieser Gelder konkret nachzuweisen. Vor diesem Hintergrund habe das Finanzamt zu Recht "erklärten Einkünften aus Gewerbebetrieb von
138.804 S" weitere Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung in Höhe von jeweils 3,880.443 S im Wege der Schätzung hinzugerechnet. Anders als das Finanzamt könne die belangte Behörde hingegen in den Grundstücksverkäufen des Beschwerdeführers, wie sie sich im Streitjahr dargestellt hätten, keinen gewerblichen Grundstückshandel erblicken. Dem Berufungsbegehren komme daher insoweit Berechtigung zu. Da die Verkäufe außerhalb der Spekulationsfrist erfolgt seien, handle es sich hiebei um nicht steuerbare Veräußerungen von Privatvermögen, sodass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Jahres 1989 entsprechend zu vermindern seien.
Gegen diesen Bescheid - soweit darin über Einkommensteuer 1989 abgesprochen wurde - richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie im Verwaltungsverfahren wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der im Instanzenzug ergangene Einkommensteuerbescheid für 1989 seine verfahrensrechtliche Grundlage im Wiederaufnahmebescheid vom 9. Juni 1993 finden könne. Im Hinblick auf die teilweise Berufungsstattgabe stützt der Beschwerdeführer seine Auffassung nunmehr allerdings darauf, dass der genannte Wiederaufnahmebescheid auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung verweise und sich der Prüfungsbericht "abgabenwirksam nur mit dem Gewinn aus einem vermuteten gewerblichen Grundstückshandel in Österreich" befasst habe. Der Wiederaufnahmebescheid vom 9. Juni 1993 könne nicht zu einem späteren Zeitpunkt zur Festsetzung von Einkommensteuer "aus weltweit vermuteten erheblichen Einkommen genutzt" werden. Die Änderungsbefugnis der Rechtsmittelbehörde gemäß § 289 BAO sei durch die "Sache" begrenzt.
Im Erkenntnis vom 22. Oktober 1997, 95/13/0036, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem vergleichbaren Fall ausgeführt, dass die Rechtsfolge der Wiederaufnahme eines Verfahrens infolge der mit ihr gemäß § 307 Abs. 1 BAO verbundenen Aufhebung des früheren Bescheides in der erneuten Anhängigkeit des betroffenen Abgabenverfahrens besteht. Ein solches Abgabenverfahren bleibt auch nach Aufhebung der (gemeinsam mit dem Wiederaufnahmebescheid erlassenen) Sachentscheidung weiter anhängig und bedarf daher - außer in Fällen, in denen kein Sachbescheid zu ergehen hat - der Erledigung durch einen die aufgehobene Sachentscheidung ersetzenden Bescheid. Die Bestimmung des § 307 Abs. 1 BAO, wonach mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheid die abschließende Sachentscheidung zu verbinden ist, hat rechtlich nicht zur Folge, dass die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung im Fall ihrer Behebung - auf welchem Weg auch immer - nicht durch eine neue Sachentscheidung ersetzt werden müsste. Anders als der Beschwerdeführer meint, besteht bei Erlassung der neuen Sachentscheidung auch keine Beschränkung auf jene Sachverhaltsannahmen, die Grundlage des Wiederaufnahmebescheides waren.
Auch ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 289 Abs. 2 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 liegt nicht vor. Während bei einem verfahrensrechtlichen Bescheid wie dem der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO die Identität der Sache, über die erstinstanzlich abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt ist, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 12. April 1994, 90/14/0044, VwSlg. 6.882 F/1994), ist "Sache" des Einkommensteuerverfahrens die Festsetzung der Einkommensteuer für ein bestimmtes Jahr, ohne dass die Berufungsbehörde an den vom Finanzamt herangezogenen Tatsachenkomplex gebunden wäre.
Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren gemäß § 307 Abs. 3 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Damit scheidet der im wiederaufgenommenen Verfahren erlassene Sachbescheid ex lege aus dem Rechtsbestand aus (vgl. mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung Ritz, BAO3, § 307, Tz 8). Dies gilt jedoch nicht für den Fall, dass der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene neue Sachbescheid seine verfahrensrechtliche Deckung in einem anderen zuvor ergangenen und rechtskräftig gewordenen Wiederaufnahmebescheid findet (vgl. das schon eingangs angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1997). Gerade ein solcher Fall liegt gegenständlich vor.
Der (weitere) Wiederaufnahmebescheid vom 29. März 1995 wurde aufgehoben, weil das Finanzamt das Einkommensteuerverfahren 1989 bereits rechtskräftig mit Bescheid vom 9. Juni 1993 wiederaufgenommen hatte und das Verfahren infolge der Bescheidaufhebung gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO noch nicht durch eine neue Sachentscheidung abgeschlossen war. Mit der vom Finanzamt in seiner Berufungsvorentscheidung vom 17. August 1998 beseitigten abermaligen Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens durch den Wiederaufnahmebescheid vom 29. März 1995 konnte dem mit gleichem Datum erlassenen Sachbescheid der verfahrensrechtliche Bestandsgrund im Sinne des § 307 Abs. 3 BAO nicht genommen werden, weil dieser schon im rechtskräftig gewordenen Wiederaufnahmebescheid vom 9. Juni 1993 gelegen war. Der Einkommensteuerbescheid war entgegen der vom Finanzamt in seinem Bescheid vom 17. August 1998 vertretenen Rechtsansicht somit wegen der Beseitigung des Wiederaufnahmebescheides vom 29. März 1995 durch die Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom 17. August 1998 nicht aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Die Zurückweisung der vom Beschwerdeführer gegen den Sachbescheid des Finanzamtes vom 29. März 1995 erhobenen Berufung durch den vom Beschwerdeführer nicht fristgerecht bekämpften Bescheid des Finanzamtes vom 17. August 1998 hatte rechtlich den Eintritt der Rechtskraft dieses - aus dem Rechtsbestand tatsächlich nicht ausgeschiedenen - Einkommensteuerbescheides 1989 vom 29. März 1995 zur Folge. Der vom Finanzamt am 29. September 1998 für das Jahr 1989 neuerlich erlassene (händische) Einkommensteuerbescheid verstößt somit gegen die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides vom 29. März 1995.
Zum selben Ergebnis gelangt man auch, wenn man sich vor Augen führt, dass jede Wiederaufnahme eines Verfahrens begrifflich ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren voraussetzt. Lag wie im Beschwerdefall ein bereits auf Grund der (rechtskräftig gewordenen) Wiederaufnahmeverfügung vom 9. Juni 1993 anhängiges Einkommensteuerverfahren für das Jahr 1989 vor, musste der abermalige Wiederaufnahmebescheid vom 29. März 1995 ins Leere gehen und ohne Wirkung bleiben. Die "Aufhebung" eines derartigen (nicht wirksamen) Bescheides kann von vornherein nicht die Rechtsfolgen des § 307 Abs. 3 BAO nach sich ziehen.
Da der angefochtene Bescheid somit gegen die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides vom 29. März 1995 verstößt, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das in der Sache erstattete Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Oktober 2008
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