VwGH 2005/13/0094

VwGH2005/13/009427.2.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Bernhard Gansrigler, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Fleischmanngasse 9/3/8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 19. Mai 2005, Zl. RV/0520-W/05, betreffend Haftung nach §§ 9 und 80 BAO für Umsatz- und Kapitalertragsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §248;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §248;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Haftung für Kapitalertragsteuer für 1996 im Betrag von 26.106,45 EUR betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde (sohin soweit sie die Haftung für Umsatzsteuer für 1996 in Höhe von 3.820,19 EUR und für Kapitalertragsteuer für Jänner bis August 1997 in Höhe von 14.382,83 EUR betrifft) als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war ab 5. August 1996 Geschäftsführer der mit Gesellschaftsvertrag vom 16. Jänner 1996 gegründeten S. GesmbH und ab 9. Juli 2004 Abwickler der S. GesmbH in Liquidation.

Im Gefolge einer bei der S. GesmbH durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 7. Oktober 1997 u.a. die Umsatzsteuer für 1996 mit dem Betrag von 52.567 S fest, wobei sich eine Zahllast in diesem Umfang ergab. Mit Bescheid ebenfalls vom 7. Oktober 1997 zog das Finanzamt die S. GesmbH zur Haftung für Kapitalertragsteuer für 1996 in Höhe von 359.233 S und für Jänner bis August 1997 in Höhe von 197.912 S heran.

Mit Bescheid vom 30. September 2004 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer nach §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeit in der S. GesmbH heran, welche u.a. die in den erwähnten Bescheiden vom 7. Oktober 1997 angeführte Umsatzsteuer (nunmehr 3.820,19 EUR) und Kapitalertragsteuer (nunmehr 26.106,45 EUR für 1996 und 14.382,83 EUR für Jänner bis August 1997) umfasste.

Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2004 berief der Beschwerdeführer sowohl gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes vom 30. September 2004 als auch gegen die erwähnten Bescheide des Finanzamtes vom 7. Oktober 1997. Er wandte sich im Wesentlichen gegen die Höhe der der S. GesmbH vorgeschriebenen Abgaben und wies ein seine Haftung begründendendes Verschulden vor allem damit zurück, dass die eine Abgabepflicht der S. GesmbH auslösenden Sachverhalte vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer verwirklicht worden seien und dass durch namentlich genannte Personen ohne sein Wissen Handlungen gesetzt worden seien, welche das Finanzamt der GesmbH zugerechnet habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid schränkte die belangte Behörde den Haftungsbetrag auf 44.309,47 EUR ein, wobei dieser Haftungsbetrag wie bisher die Umsatzsteuer 1996 (3.820,19 EUR), die Kapitalertragsteuer 1996 (26.106,45 EUR) und die Kapitalertragsteuer für Jänner bis August 1997 (14.382,83 EUR) umfasste. Der Beschwerdeführer sei seit 5. August 1996 Geschäftsführer und seit 9. Juli 2004 Liquidator der S. GesmbH gewesen, weshalb die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten dieser Gesellschaft seine Sache gewesen sei. Die Uneinbringlichkeit der in Rede stehenden Abgaben bei der Primärschuldnerin stehe auf Grund der Abweisung des Konkurses mangels Vermögens mit Gerichtsbeschluss vom 9. April 1997 fest.

Habe der Geschäftsführer die Kapitalertragsteuer trotz Ausschüttung von Gewinnanteilen nicht abgeführt, liege eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers vor.

Mit seinen Einwänden gegen die Abgabenhöhe, etwa dass von den Prüfern ermittelte verdeckte Ausschüttungen nicht gegeben seien, verwies die belangte Behörde den Beschwerdeführer darauf, dass dem Haftungsbescheid Abgabenbescheide vorangegangen seien, gegen welche der Beschwerdeführer ohnehin berufen habe.

Dem Berufungseinwand des Beschwerdeführers, bestimmte Umsatzsteuerbeträge wären auszuscheiden, weil sie nicht in seinem "Zuständigkeitszeitraum" angefallen wären, hielt die belangte Behörde entgegen, dass die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Abgabenschuldigkeiten erst mit ihrer Abstattung ende, weshalb es am Beschwerdeführer gelegen gewesen sei, sich bei Übernahme der Geschäftsführertätigkeit über die Abgabepflicht der S. GesmbH zu unterrichten. Soweit dem Berufungsvorbringen eine Behinderung in der Ausübung seiner Funktion als Geschäftsführer durch namentlich genannte Personen, insbesondere einen früheren Gesellschafter, entnehmbar sei, weise die belangte Behörde darauf hin, dass dies den Beschwerdeführer nur dann von der Haftung befreit hätte, wenn er seine Funktion unverzüglich niedergelegt hätte. Die vom Beschwerdeführer geschilderte Vorgangsweise, sich Buchhaltungsunterlagen zu beschaffen, zeige, dass er über Monate hinweg seiner gesetzlichen Sorgfaltspflicht nicht entsprochen habe, sich darüber zu unterrichten, in welchem Ausmaß die von ihm vertretene S. GesmbH ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben nach § 80 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2007, 2006/15/0073).

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vor allem die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung bestritten. Auch weite Teile der Beschwerde wenden sich gegen die Höhe der der S. GesmbH vorgeschriebenen Abgaben.

Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.

Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch (gemäß § 248 BAO) gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch beruft, hat die Berufungsbehörde zunächst nur über die Berufung gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Berufung gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen. Die Frage, ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ nur dann zu beantworten, wenn kein eine Bindungswirkung entfaltender Abgabenbescheid vorangegangen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, 2003/13/0131, mwN).

Soweit der Beschwerdeführer ein Fehlen der Rechtskraft der gegenüber der S. GesmbH erlassenen Bescheide des Finanzamtes vom 7. Oktober 1997 ins Treffen führt, ist er darauf hinzuweisen, dass die Geltendmachung der Haftung nicht voraussetzt, dass die Abgaben vorher rechtskräftig festgesetzt worden sind (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 13. September 2006) und er gegen die erstinstanzlichen Abgabenbescheide ohnehin berufen hat (§ 248 BAO).

Das gegen die Höhe der der S. GesmbH mit Bescheiden des Finanzamtes vom 7. Oktober 1997 vorgeschriebenen Abgaben gerichtete Vorbringen des Beschwerdeführers geht daher ins Leere.

Der Beschwerdeführer trägt vor, unter Bedachtnahme auf die Bescheide des Finanzamtes vom 7. Oktober 1997 ergäbe sich bei einer Umsatzsteuerschuld für 1996 in der Höhe von 52.567 S und einem Guthaben an Umsatzsteuer für 1997 in Höhe von 29.520 S nur eine Haftung von 23.047 S anstatt - wie im angefochtenen Bescheid geltend gemacht - von 3.820,19 EUR. Sollte der Beschwerdeführer damit zum Ausdruck bringen wollen, der Betrag von 52.567 S (nunmehr 3.820,19 EUR) an Umsatzsteuer für 1996 hafte für die S. GesmbH deshalb nicht mehr aus, weil eine Gutschrift aus der Umsatzsteuerfestsetzung für 1997 zur Verringerung dieses Betrages am Abgabenkonto der S. GesmbH geführt hätte, so verstößt er mit diesem Vorbringen gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof zu beachtende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG). Im Übrigen ist er darauf hinzuweisen, dass allfällige Meinungsverschiedenheiten über die Gebarung am Abgabenkonto Gegenstand eines Abrechnungsbescheides (§ 216 BAO) wären.

Dem Vorwurf des Beschwerdeführers, manche die Steuerpflicht der S. GesmbH auslösende Sachverhalte seien vor der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit durch ihn verwirklicht worden, hat die belangte Behörde bereits zu Recht entgegengehalten, dass sich ein Geschäftsführer bei Übernahme seiner Funktion auch darüber zu unterrichten hat, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene GesmbH bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Dies deshalb, weil die Pflicht der GesmbH zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung endet und die GesmbH verpflichtet bleibt, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. September 2003, 2000/14/0106). Zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist der Geschäftsführer der GesmbH verhalten.

Die Beschwerde enthält, soweit sie die Haftung für Umsatzsteuer für 1996 (im Betrag von 3.820,19 EUR) und für Kapitalertagsteuer für Jänner bis August 1997 (im Betrag von 14.382,83 EUR) betrifft, kein weiteres die Haftung betreffendes Vorbringen und war in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer trägt zu "Entnahmen" des erwähnten ehemaligen Gesellschafters R. R. aus einer Videothek - wie im Verwaltungsverfahren - vor, er habe davon keine Kenntnis gehabt. Am 29. Juni 1996 sei das "Automatenaufstellgeld" von 120.000 S an R.R. weitergeben worden. Aufzeichnungen zum "Automatenaufstellgeld" hätten nicht existiert und dem Beschwerdeführer sei von seiner Vorgängerin als Geschäftsführer dazu nichts mitgeteilt worden. Wie der Beschwerdeführer die Kapitalertragsteuer hätte einbehalten können, wenn R. R. alles "hinter dem Rücken der Firma", vermutlich wie auch in anderen Fällen "mit gefälschten Unterschriften kassiert" habe, sei offen. Betrug, Diebstahl und Untreue - allenfalls im Zusammenwirken mit der früheren Geschäftsführerin - könnten nicht einfach dem nachfolgenden Geschäftsführer anlastbare verdeckte Ausschüttungen darstellen.

Mit diesem die Haftung für Kapitalertragsteuer für 1996 betreffenden Vorbringen weist der Beschwerdeführer ein Verschulden an einer Verletzung der Pflicht zur Abfuhr an Kapitalertragsteuer für eine verdeckte Ausschüttung von sich. Die belangte Behörde hatte zwar von der objektiven Richtigkeit der Abgabenvorschreibung auszugehen, hätte sich aber mit dem das Verschulden bekämpfenden Einwand des Beschwerdeführers zu befassen gehabt, lässt dies jedoch im angefochtenen Bescheid vermissen.

Der Hinweis allein, auch nach Fälligkeit der diesbezüglichen Kapitalertragsteuer, die allenfalls vor der Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers eingetreten war, bestehe die Pflicht des Beschwerdeführers zur Entrichtung der Abgaben, kann die erforderliche Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen nicht ersetzen, weil damit offen bleibt, ob der Beschwerdeführer nicht von der Pflicht zur Abfuhr oder nachträglichen Entrichtung dieser Kapitalertragsteuer ohne sein Verschulden erst zu einem Zeitpunkt (etwa des Erlassens des erwähnten Bescheides des Finanzamtes vom 7. Oktober 1997) Kenntnis erlangt hätte, zu dem nach den Feststellungen der belangten Behörde für die Entrichtung keine Mittel der S. GesmbH mehr vorhanden gewesen sind (siehe die Abweisung des Konkursantrages vom 9. April 1997).

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er die Haftung für Kapitalertragsteuer für 1996 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff , insbesondere § 59 Abs. 1 VwGG und die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Februar 2008

Stichworte