Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Berufung des Beschwerdeführers vom 1. August 2005 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. Juni 2005 gemäß § 63 AVG als verspätet zurückgewiesen wurde (Spruchpunkt B), wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Gambia, beantragte am 27. April 2004 Asyl. In der Niederschrift über seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt vom 27. Mai 2005 wurde zur Wohnadresse des Beschwerdeführers wörtlich festgehalten: "Eig. Adresse unbekannt, ohne Unterkunft".
Mit Bescheid vom 5. Juni 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig und verfügte gemäß § 8 Abs. 2 AsylG die Ausweisung "aus dem österreichischen Bundesgebiet".
Nach Einholung einer Auskunft aus dem Zentralen Melderegister, die keine aktuelle Meldeadresse ergab (laut Register war der Beschwerdeführer zuletzt in der Zeit von 11. Februar bis 23. Mai 2005 an der Adresse "1010" (richtig 1020( W, Lgasse 11 gemeldet) erfolgte die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 6. Juni 2005 durch "Hinterlegung im Akt". In der über diesen Zustellvorgang vorgenommenen Beurkundung hielt das Bundesasylamt fest, der Beschwerdeführer sei an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig. Eine "neuerliche" Abgabestelle habe nicht festgestellt werden können. Der Bescheid werde daher gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt.
Am 8. Juni 2005 langte beim Bundesasylamt per Telefax eine Meldebestätigung über die an diesem Tag erfolgte Anmeldung des Beschwerdeführers an der Adresse 1100 W, Sgasse 22, ein. Eine Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an diese Adresse fand nicht statt. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer jedoch laut einem aktenkundigen Vermerk am 28. Juli 2005 anlässlich einer Akteneinsicht ausgefolgt.
Mit dem am 1. August 2005 per Telefax an das Bundesasylamt übermittelten Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Berufungsfrist und erhob zugleich Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 5. Juni 2005. Er sei - so die Begründung seines Antrages - nicht darüber informiert worden, dass der (erstinstanzliche) Bescheid auch durch Hinterlegung im Akt zugestellt werden könne. In einer am selben Tag eingebrachten "Ergänzung" führte er aus, er habe während seiner Einvernahme bereits mitgeteilt, keine Adresse zu haben. Es wäre daher notwendig gewesen, ihn über die möglichen Formen der Zustellung zu informieren oder eben zuzuwarten, bis er eine neue Adresse bekannt gebe.
Mit Bescheid vom 2. August 2005 wies das Bundesasylamt den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab. In ihrer Begründung ging die Behörde - ohne nähere Darlegungen - davon aus, dass die Zustellung ihres Bescheides vom 5. Juni 2005 am 6. Juni 2005 rechtswirksam erfolgt sei. Dem Wiedereinsetzungsantrag komme - aus näher dargestellten Gründen - keine Berechtigung zu.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 71 AVG ab. Gleichzeitig wies sie die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 5. Juni 2005 gemäß § 63 AVG als verspätet zurück. Letzterer sei am 6. Juni 2005 durch Hinterlegung beim Bundesasylamt ohne vorhergehenden Zustellversuch rechtswirksam zugestellt worden, weil der Beschwerdeführer an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig gewesen sei und eine "neuerliche" Zustelladresse nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt habe werden können. Dem Wiedereinsetzungsantrag komme keine Berechtigung zu, weil der Beschwerdeführer im Zuge des Verfahrens nachweislich über die Wichtigkeit der Bekanntgabe der Änderung seiner Zustelladresse belehrt worden sei. Er habe jedoch die Anweisungen betreffend die Bekanntgabe der Änderung seiner Zustelladresse nicht befolgt.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerde bestreitet primär die Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges vom 6. Juni 2005 und verweist darauf, dass § 8 Abs. 2 ZustG eine Änderung der Abgabestelle voraussetze. Eine Abgabestelle habe jedoch - so die Beschwerde - zum ersten Mal am 8. Juni 2005 (gemeint: die Anmeldung an der Adresse 1100 W, Sgasse 22) vorgelegen. Die Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. Juni 2005 ohne vorhergehenden Zustellversuch sei daher zu Unrecht erfolgt.
Damit zeigt sie (zumindest zum Teil) eine relevante Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die Asylbehörden gehen davon aus, dass der Beschwerdeführer die in § 8 Abs. 1 ZustG festgelegte Pflicht verletzt habe, die Änderung seiner bisherigen Abgabestelle unverzüglich mitzuteilen. Da der Beschwerdeführer an der von ihm angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig gewesen sei und eine neue Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt habe werden können, sei die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch gemäß § 8 Abs. 2 ZustG vorzunehmen gewesen.
Richtig ist, dass die Rechtswirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nach § 8 Abs. 2 ZustG neben der Änderung der bisherigen Abgabestelle und der Unmöglichkeit, eine neue Abgabestelle ohne Schwierigkeiten festzustellen, auch die Unterlassung der Mitteilung dieser Änderung durch den Empfänger der behördlichen Sendung voraussetzt.
Die Behörden haben aber übersehen, dass der Beschwerdeführer bereits anlässlich seiner erstinstanzlichen Einvernahme am 27. Mai 2005 bekannt gegeben hatte, über keine Unterkunft mehr zu verfügen, also auch die Unterkunft an der Adresse 1020 W, Lgasse 11, aufgegeben zu haben (an dieser Adresse war er laut Meldeauskunft nur bis 23. Mai 2005 gemeldet). Der Vorwurf an den Beschwerdeführer, die Mitteilung über die Aufgabe der zuletzt genannten Abgabestelle unterlassen zu haben, trifft daher nicht zu.
Soweit sich die Beschwerde daher gegen Spruchpunkt B des angefochtenen Bescheides wendet (Zurückweisung er Berufung als verspätet), ist ihr Erfolg beschieden.
Keine Berechtigung kommt der Beschwerde allerdings insofern zu, als sie die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages (Spruchpunkt A des angefochtenen Bescheides) bekämpft. Hiezu argumentiert die Beschwerde, der ungesetzliche Zustellvorgang stelle in Verbindung mit der über den Beschwerdeführer verhängten Schubhaft ein vorhergesehenes Ereignis dar. Dem ist zu erwidern, dass ein allfälliger Zustellmangel des erstinstanzlichen Bescheides eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist nicht erforderlich machte und der Beschwerdeführer durch die Abweisung seines diesbezüglichen Antrages in seinen Rechten nicht verletzt worden ist. Auch die behauptete Inhaftierung des Beschwerdeführers führt schon deshalb zu keiner anderen Beurteilung, weil sie zur Begründung der beantragten Wiedereinsetzung gar nicht herangezogen wurde.
Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich seines Spruchpunktes B gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, im Übrigen aber gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 4. September 2008
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