VwGH 2007/21/0500

VwGH2007/21/050020.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des B, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 10. Oktober 2007, Zl. St 100/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und aus dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2001 nach Österreich ein und heiratete am 3. Dezember 2004 die österreichische Staatsangehörige Sabine R. Unter Berufung auf die Eheschließung beantragte er am 6. Dezember 2004 die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher".

Mit Bescheid vom 9. März 2005 erließ die Bundespolizeidirektion Linz - unter Zugrundelegung der am 18. Jänner 2005 erstatteten Angaben von Sabine R., wonach es sich nur um eine so genannte Scheinehe handle - ein auf § 36 Abs. 1 und 2 Z 6 und 9 sowie die §§ 37 und 39 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren. In der dagegen erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer, wie schon zuvor im erstinstanzlichen Verfahren, darauf hin, dass Sabine R. ihre vorerst getätigten Angaben bei der Fremdenbehörde durch Abgabe einer eidesstättigen Erklärung am 17. Februar 2005 nachträglich bewusst richtig gestellt habe.

Die belangte Behörde gab der Berufung keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Aufenthaltsverbot gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 60 Abs. 1 und 2 Z 9 sowie §§ 63, 66, 86 und 87 des (am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen) Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG.

Die belangte Behörde führte aus, dass Sabine R. im Hinblick auf die eidesstättige Erklärung vom 17. Februar 2005 und im Hinblick auf einen von der erstinstanzlichen Behörde aufgenommenen Aktenvermerk vom 5. April 2005 - demnach habe Sabine R. telefonisch erklärt, von Bekannten ihres Mannes unter Druck gesetzt worden zu sein und beim rechtsfreundlichen Vertreter ihres Ehemannes ein Schriftstück unterschrieben zu haben, wobei ihr gar nicht bewusst gewesen sei, was sie tatsächlich unterschrieben habe - im Berufungsverfahren, am 20. April 2007, erneut vernommen worden sei. Die mit ihr aufgenommene Niederschrift habe folgenden (nachstehend auszugsweise wiedergegebenen) Inhalt:

"Ich gebe wahrheitsgemäß an, dass es sich bei der Verehelichung ... um eine Scheinehe gehandelt hat. Die Aussage in der Niederschrift vom 18.01.2005, wonach die Scheinehe von Herrn ... organisiert wurde, entspricht den Tatsachen. Ich habe am Tag der Verehelichung EUR 2.000,-- erhalten. Anfang Jänner 2005 habe ich noch EUR 300,-- erhalten. Mir wurde ein Geldbetrag von insgesamt EUR 5.000,-- versprochen ...

Ich habe mit (Beschwerdeführer) nie eine sexuelle Beziehung - die Ehe wurde nie vollzogen. Ich habe auch nie mit ihm zusammengelebt.

...

Zur eidesstattlichen Erklärung vom 17.02.2005 gebe ich

Folgendes an:

Ich wurde von (Beschwerdeführer) und seinen Freunden ... bedrängt bei RA ... die Erklärung zu unterschreiben. Mir wurde auch zugesichert, dass ich den noch ausstehenden Betrag (EUR 2.700,--) erhalte, sofern er die Aufenthaltsbewilligung erhält. Für mich war ausschlaggebend für die Unterzeichnung, dass ich den restlichen Betrag erhalte. ...

Ich habe bei der Bundespolizeidirektion Linz am 05.04.2005 angerufen, da ich bereute, dass ich die eidesstattliche Erklärung unterschrieben habe. Ich habe die eidesstattliche Erklärung nur oberflächlich gelesen. ...

Mir wurde heute die eidesstattliche Erklärung zur Einsicht vorgelegt. Ich gebe hiemit wahrheitsgemäß an, dass die Angaben in der Erklärung vom 17. 02. 2005 betreffend Führung einer Lebensgemeinschaft, sexueller Kontakte, gemeinsames Wohnen und verliebt gewesen zu sein, nicht den Tatsachen entsprachen. Mein Beweggrund für die Unterfertigung der Erklärung war der mir noch versprochene Geldbetrag. ..."

Sabine R. habe - so die belangte Behörde weiter - in schlüssiger, nachvollziehbarer und glaubwürdiger Weise dargelegt, dass eine Scheinehe eingegangen worden sei. Ihren Angaben sei - im Verhältnis zum gegenteiligen Vorbringen des Beschwerdeführers u.a. in einer Stellungnahme zu der ihm zur Kenntnis gebrachten letzten Aussage der Sabine R. - schon deshalb mehr Gewicht beizumessen, weil es der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass derartige Eingeständnisse gegenüber den Behörden nicht leichtfertig gemacht würden. Zwar treffe es zu, dass Sabine R. widersprüchliche Angaben gemacht habe, in ihrer ergänzenden Einvernahme vom 20. April 2007 habe sie diese Widersprüche jedoch restlos aufklären können.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass der Tatbestand des § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt sei. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei auch im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich, weil das Eingehen einer Ehe lediglich zur Erlangung eines Aufenthaltstitels gesellschafts- und integrationspolitisch unerwünscht sei und einen krassen Rechtsmissbrauch darstelle. Daraus ergebe sich "nicht nur eine 'tatsächliche' und 'gegenwärtige', sondern auch eine 'erhebliche' Gefahr, die zweifelsohne ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt".

Die belangte Behörde berücksichtigte in den weiteren Überlegungen, dass dem Beschwerdeführer eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen sei. Dennoch erscheine das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer ist als Ehemann Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden. Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat. Für die Erfüllung des zitierten Tatbestandes kommt es darauf an, dass eine Scheinehe bzw. Aufenthaltsehe missbräuchlich zur Erlangung von sonst nicht zustehenden Berechtigungen eingegangen wurde (siehe zum Ganzen mit weiteren Nachweisen aus der hg. Judikatur etwa die hg. Erkenntnisse vom heutigen Tag, Zl. 2007/21/0452 und Zl. 2007/21/0485).

Unter Bezugnahme auf den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde; er habe sich keineswegs zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung auf das Vorliegen einer Ehe berufen, ohne dass tatsächlich ein Familienleben bestanden habe. Was die Einvernahme seiner Ehefrau am 20. April 2007 anlange, so bleibe offen, weshalb er selbst nicht noch einmal einvernommen worden sei. Insbesondere hätte ihm die Aussage seiner Ehefrau im Zuge seiner Einvernahme vorgehalten und ihm die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, ihr Fragen zu stellen.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer weder eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung noch einen Verfahrensmangel aufzuzeigen. Insbesondere ist ihm zu entgegnen, dass er nicht mündlich gehört werden musste und dass ihm auch kein Anspruch auf persönliche Anwesenheit und Fragestellung bei der Vernehmung seiner Ehefrau zukam (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 35 und § 50 Rz 8). Die belangte Behörde war lediglich gehalten, dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Beweisaufnahme zur allfälligen Abgabe einer Stellungnahme vorzuhalten, was allerdings nach der insoweit unbestrittenen Wiedergabe im bekämpften Bescheid ohnehin der Fall war. Tatsächlich hat der Beschwerdeführer dann in der Folge - so wiederum die unbestrittene Bescheiddarstellung - eine Stellungnahme erstattet, in der allerdings von der nunmehr weiter behaupteten Zwistigkeit zwischen den Ehegatten im Zeitraum Februar bis Mai 2007 nicht die Rede war. Schon deshalb kann auch dieses ergänzende Beschwerdevorbringen die Schlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung nicht angreifen. Letzteres gilt auch für das Argument, Sabine R. sei bei Unterfertigung der eidesstättigen Erklärung vom 17. Februar 2005 in der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers über die - insbesondere strafrechtlichen - Folgen einer solchen Erklärung aufgeklärt worden. Hat sie sich ungeachtet einer derartigen Aufklärung dennoch entschlossen, nunmehr die eidesstättig abgegebenen Angaben als unrichtig einzugestehen, so spricht dies - in Anbetracht der nun konkret zu befürchtenden Konsequenzen - eher für die Richtigkeit dieses Eingeständnisses.

Erweisen sich die behördlichen Feststellungen nach dem Gesagten als unbedenklich, so kann kein Zweifel bestehen, dass der - wie erwähnt als Orientierungsmaßstab maßgebliche - Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG verwirklicht wurde. Die daran erkennbar anknüpfende zutreffende Prognose der belangten Behörde iS des § 86 Abs. 1 FPG (tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt) wird in der Beschwerde gar nicht in Frage gestellt. Diese wendet sich in der Folge vielmehr lediglich gegen die behördliche Abwägung nach § 66 FPG, führt dabei aber nur die sechsjährige Dauer des inländischen Aufenthaltes sowie den Umstand ins Treffen, dass der Beschwerdeführer beinahe durchgehend in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden sei. Das vermag der Beschwerde allerdings vor dem Hintergrund, dass diese Gesichtspunkte nicht unwesentlich nur auf die abgeschlossene Aufenthaltsehe zurückzuführen und insofern relativiert sind, nicht zu einem Erfolg zu verhelfen (vgl. auch dazu die schon genannten beiden Erkenntnisse vom heutigen Tag).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2007

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