VwGH 2007/18/0557

VwGH2007/18/055716.10.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des A D, (geboren 1984), in W, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. Juli 2007, Zl. E1/302094/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
SMG 1997 §28 Abs6;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
SMG 1997 §28 Abs6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 5. Juli 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehöriger von Gambia, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1, § 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei dem Akteninhalt zufolge am 8. September 2002 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt, der nach § 5 des AsylG 1997 rechtskräftig zurückgewiesen worden sei. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1997 sei am 27. Dezember 2004 widerrufen worden.

Seit dem Jahr 2003 sei der Beschwerdeführer auf Grund einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin im Besitz einer Niederlassungsbewilligung.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. Juli 2003 sei der Beschwerdeführer wegen der Vergehen nach § 27 Abs. 1 und 2 Z. 2, erster Fall des Suchtmittelgesetzes (SMG) zu einer bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Wie sich aus den Entscheidungsgründen dieses Urteils ergebe, habe der Beschwerdeführer am 4. April 2003 und am 26. Mai 2003 in Wien gewerbsmäßig den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich jeweils drei Säckchen Cannabiskraut, anderen überlassen und sechs bzw. vier Säckchen Cannabiskraut durch unmittelbares Bereithalten auf einem bekannten Drogenumschlagplatz unbekannten Abnehmern zu überlassen versucht, sowie im Zeitraum von zumindest vier Monaten bis zum 4. April 2003 sowie vom 4. April 2003 bis zum 26. Juni 2003 Cannabiskraut zum Eigenkonsum erworben und besessen.

Diese Verurteilung habe für den Beschwerdeführer aber augenscheinlich keine Lehre sein können, weil er schon am 7. Februar 2007 neuerlich, und zwar vom Landesgericht Eisenstadt, diesmal wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall und der Vergehen nach § 127 Abs. 1 sechster Fall sowie § 127 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG (offenbar jeweils gemeint: § 27), zu einer 18-monatigen teilbedingten Freiheitsstrafe (fünf Monate unbedingt, 13 Monate bedingt) habe verurteilt werden müssen. Dieser Verurteilung habe zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer und seine österreichische Ehefrau als Mittäterin in Wien im Zeitraum Oktober 2003 bis Oktober 2006 gewerbsmäßig und den bestehenden Vorschriften zuwider eine große Menge (§ 28 Abs. 6 SMG) Suchtgift, nämlich zumindest 2.910 Gramm Cannabiskraut, an einige bekannte und unbekannt gebliebene Abnehmer verkauft hätten und der Beschwerdeführer allein im Zeitraum vom Oktober 2003 bis Oktober 2006 Cannabiskraut besessen habe.

In der Berufung seien die strafrechtlichen Verurteilungen ausdrücklich anerkannt worden. Weiters habe der Beschwerdeführer sinngemäß vorgebracht, seine Taten zu bereuen, nach wie vor mit einer Österreicherin, die er sehr lieben würde, verheiratet zu sein und bis zur Inhaftierung sozial integriert gewesen zu sein, zumal er drei Jahre lang als Kellner gearbeitet hätte.

Der Beschwerdeführer sei "Familienangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG, weil er Drittstaatsangehöriger und Ehemann einer nicht freizügigkeitsberechtigten österreichischen Staatsbürgerin sei. Daher seien iSd § 87 FPG die §§ 85 Abs. 2 und 86 leg. cit. anzuwenden. Er sei allerdings kein "begünstigter Drittstaatsangehöriger" nach § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG, weil er nicht - wie schon erwähnt - Ehemann einer Österreicherin sei, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Es lasse sich nämlich weder aus dem bisherigen Akteninhalt noch aus der Berufung erkennen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätte.

Nach § 86 FPG stelle das persönliche Verhalten eines Fremden, der wiederholt und über einen längeren Zeitraum Suchtgift in einer großen Menge verkauft habe, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich den Schutz der Volksgesundheit, berühre. Bei der Anwendung dieser Gesetzesstelle könnten darüber hinaus die Bestimmungen bzw. Tatbestände des § 60 Abs. 2 FPG als Maßstab herangezogen werden.

Ausgehend von dieser Rechtslage könne kein Zweifel bestehen, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots vorliegen würden. Zum einen sei auf Grund der eingangs erwähnten Verurteilungen der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG mehrfach erfüllt. Das ihnen zugrunde liegende Verhalten lasse aber auch zum anderen die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde und überdies anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich insbesondere dem Schutz der Gesundheit, der Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen, zuwiderlaufe.

Selbst wenn man auf Grund des ca. fünfjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in die persönlichen Interessen des keine Unterhaltspflichten aufweisenden Beschwerdeführers ausgehen wolle, wäre dessen ungeachtet die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grund des § 66 FPG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei nämlich die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit) als dringend geboten zu erachten. Das geschilderte und wiederholte Fehlverhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig seine Gefährlichkeit für die Gesundheit von im Bundesgebiet sich aufhaltenden Menschen und das Unvermögen oder den Unwillen des Beschwerdeführers, die Rechtsvorschriften des Gastlandes, in dem er anfänglich Schutz vor Verfolgung habe finden wollen, einzuhalten. Hinzu trete, dass Suchtgiftdelikten eine große Wiederholungsgefahr nahezu immanent sei, was der Beschwerdeführer nachhaltig unter Beweis gestellt habe.

Eine positive Verhaltensprognose sei für den Beschwerdeführer im Hinblick auf die Gewerbsmäßigkeit, die Tatwiederholung, den langen Tatzeitraum, die große Menge des zuletzt verhandelten Suchtgifts und den damit verbundenen, überaus erheblichen Unrechtsgehalt unter keinen Umständen möglich.

Hinsichtlich der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Diese Beurteilung könne durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer Österreicherin verheiratet sei, die im Übrigen als seine Mittäterin ebenfalls strafgerichtlich zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, nicht maßgeblich verbessert werden. Von daher gesehen hätten die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, selbst unter Berücksichtigung des früheren mehrjährigen Beschäftigungsverhältnisses, gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten. Darüber hinaus sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten voller sozialer Integration eines Fremden nicht rechtswidrig.

Eine Ermessensentscheidung sei unter Rücksichtnahme auf § 56 Abs. 2 FPG nicht in Betracht gekommen.

Das Aufenthaltsverbot sei unbefristet auszusprechen gewesen, weil der Beschwerdeführer sein strafbares Verhalten wiederholt habe, womit die Volksgesundheit nachhaltig gefährdet worden sei und er deutlich gezeigt habe, dass er maßgebliche zum Rechtsgüterschutz aufgestellte Vorschriften überaus gering achte. Deshalb könne nicht vorhergesehen werden, wann der für die Erlassung des Rückkehrverbots (richtig wohl: Aufenthaltsverbots) maßgebliche Grund, nämlich die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, weggefallen sein werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer (unstrittig ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) stellt das den im angefochtenen Bescheid genannten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegende Fehlverhalten nicht in Abrede. Nach dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien liegt ihm das den bestehenden Vorschriften zuwider laufende gewerbsmäßige Überlassen von Suchtgift sowie der Besitz von Suchtgift zum Eigenkonsum im Jahr 2003 zur Last. Diese Verurteilung konnte den Beschwerdeführer nicht davon abhalten, (unstrittig) über einen längeren Zeitraum hinweg wegen des Inverkehrsetzens von Suchtgift sowie wegen des Erwerbes, des Besitzes und des Überlassens von Suchtgift (somit neuerlich einschlägig) straffällig zu werden, wobei er (ebenfalls unwidersprochen) das dieser Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten in Bezug auf eine "große Menge" iSd § 28 Abs. 6 SMG begangen hat. Nach § 28 Abs. 6 leg. cit. ist eine "große Menge" eine solche, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. Der Beschwerdeführer hat durch dieses Gesamtfehlverhalten gravierend gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, verstoßen. Die Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß innewohnende Wiederholungsgefahr hat sich beim Beschwerdeführer schon darin manifestiert, dass er dieses Fehlverhalten über einen langen Zeitraum hinweg begangen hat. Zudem zeigt sich die schon angesprochene, der Suchtgiftkriminalität innewohnende Wiederholungsgefahr auch darin, dass sich der Beschwerdeführer - wie erwähnt - durch seine erste Verurteilung nicht davon hat abhalten lassen, neuerlich einschlägig straffällig zu werden. Angesichts dieses Fehlverhaltens bedeutet ein weiterer inländischer Aufenthalt des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung der besonders gefährlichen Suchtgiftkriminalität betrifft. Der seit dem letzten Fehlverhalten des Beschwerdeführers im Jahr 2006 verstrichene Zeitraum ist jedenfalls zu kurz, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Suchtgiftdelikte als weggefallen oder auch als nur entscheidend gemindert anzusehen. An der vorstehenden Beurteilung vermag das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei bei seinem der zweiten Verurteilung zugrundeliegenden Fehlverhalten von seiner Ehefrau als "Werkzeug" missbraucht worden, es habe sich dabei um Freundschaftsdienste seiner Ehefrau an ihr bekannte Freunde gehandelt und er habe seiner Ehefrau lediglich einen Gefallen erwiesen, er habe sich im Strafverfahren vor dem Landesgericht Eisenstadt geständig verantwortet und er habe aus seinem Fehlverhalten keinen wie immer gearteten Vorteil (auch keinen finanziellen) gezogen, nichts zu ändern, zumal sein strafbares Verhalten mit der besagten strafgerichtlichen Verurteilung bindend feststeht (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133). Auch das Vorbringen, dass der Beschwerdeführer das seiner Verurteilung durch das Landesgericht Eisenstadt im Jahr 2007 zugrundeliegende Fehlverhalten - entgegen der Annahme der belangten Behörde - nicht gewerbsmäßig gesetzt habe, führt zu keinem anderen Ergebnis, weshalb auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe diesbezüglich den Sachverhalt unzureichend ermittelt und aktenwidrig angenommen, fehl geht.

2. Gegen das - nicht bekämpfte - Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme im Grund des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers gegenüber den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbots (§ 66 Abs. 2 FPG; hier:

Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) zurücktreten würden, bestehen aus den im Ergebnis zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Bescheids keine Bedenken.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. Oktober 2007

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