VwGH 2007/18/0509

VwGH2007/18/050916.10.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des O Y in W, geboren 1980, vertreten durch Dr. Herbert Eisserer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 34/40, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Juni 2007, Zl. E1/37.559/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. Juni 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 23. Februar 2002 nach Österreich eingereist und habe am 15. Juni 2002 die österreichische Staatsbürgerin M. geehelicht sowie am 15. Juli 2002 einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt, wobei er sich auf seine Ehe berufen habe, worauf ihm von der Bundespolizeidirektion St. Pölten eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" bis 22. August 2003 erteilt worden sei, die anschließend um ein weiteres Jahr verlängert worden sei.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Tulln vom 14. Oktober 2004 sei diese Ehe gemäß § 23 Ehegesetz rechtskräftig für nichtig erklärt worden. In der Urteilsbegründung werde ausgeführt, dass die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer den Aufenthalt in Österreich und den uneingeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu sichern und ihm die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu ermöglichen. Der Beschwerdeführer habe für die Eheschließung insgesamt rund EUR 12.000,-- an verschiedene Vermittler zu bezahlen gehabt. Die Herstellung einer dem Wesen einer Ehe entsprechenden Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft sei zu keinem Zeitpunkt geplant gewesen. Die Ehe sei nicht vollzogen worden, und es habe der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin nie zusammengewohnt oder gemeinsam gewirtschaftet.

Auf dem Boden dieser gerichtlichen Feststellungen bestehe für die belangte Behörde kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer mit seiner Gattin eine Ehe bloß zum Schein geschlossen habe. Die belangte Behörde habe daher als erwiesen angenommen, dass er die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben, und sogar für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet habe.

Damit seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt. Der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung des Aufenthaltsverbotes rechtfertige.

Der Beschwerdeführer sei seit mehr als fünf Jahren in Österreich aufhältig und verfüge über familiäre Bindungen zu seinem Vater, der bereits österreichischer Staatsbürger sei. Außerdem gehe er regelmäßig einer Arbeitstätigkeit nach. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen, der jedoch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, somit zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, rechtsmissbräuchlich vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch gemäß § 66 Abs. 2 FPG zu bejahen. Nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe er eine Beschäftigung als Arbeiter eingehen können, weshalb die durch seinen Aufenthalt erzielte Integration wesentlich geschmälert werde. Auch basiere die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes auf dem besagten rechtsmissbräuchlichen Verhalten. Von daher gesehen hätten die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten müssen. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familie an seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Interessen durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Ablauf der festgesetzten Frist angenommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die vom Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe mit Urteil des Bezirksgerichtes Tulln vom 14. Oktober 2004 mit der Begründung rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist, dass die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen worden sei, um ihm den Aufenthalt in Österreich und den uneingeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu sichern sowie die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, wobei (u.a.) die Herstellung einer dem Wesen einer Ehe entsprechenden Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft nie geplant gewesen und die Ehe nie vollzogen worden sei. Auf Grund dieses Urteils steht bindend fest, dass er die Ehe ausschließlich zu den genannten Zwecken geschlossen hat, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0398).

Im Hinblick darauf zeigt die Beschwerde mit dem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe sich immer gegen die Feststellung der Behörde ausgesprochen, dass er für die Eheschließung einen höheren Betrag bezahlt und nie mit der Ehefrau zusammengewohnt hätte, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf und geht auch der weitere Beschwerdevorwurf, dass der angefochtene Bescheid keine nachvollziehbare Beweiswürdigung erkennen lasse, ins Leere.

Der Beschwerdeführer hat sich unstrittig bei der Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels auf seine Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin berufen. Im Hinblick darauf begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Das Eingehen einer Ehe zum ausschließlichen Zweck, fremdenrechtlich oder ausländerbeschäftigungsrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen, stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar (vgl. dazu nochmals das vorzitierte Erkenntnis), weshalb auch gegen die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, kein Einwand besteht.

3. Bei der Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Februar 2002, seine Berufstätigkeit und seine Bindung zu seinem in Österreich aufhältigen Vater, der bereits über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügt, berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Das Gewicht seiner privaten und beruflichen Interessen auf Grund seines bisherigen inländischen Aufenthaltes und seiner Berufstätigkeit wird jedoch dadurch entscheidend relativiert, dass die Berechtigungen für seinen Aufenthalt und seine Berufstätigkeit nur auf die rechtsmissbräuchlich eingegangene Ehe zurückzuführen sind.

Diesen Interessen steht - wie von der belangten Behörde zutreffend ausgeführt - das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), selbst dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man dieser Abwägung die Beschwerdebehauptung zu Grunde legte, dass der Beschwerdeführer den öffentlichen Wohlstand im Land durch seine Arbeitstätigkeit in erheblicher Weise gefördert habe. Denn bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG sind zu Gunsten des Fremden nur den privaten und familiären Bereich betreffende Umstände, nicht jedoch öffentliche Interessen zu berücksichtigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. September 2007, Zl. 2007/18/0171, mwN).

Entgegen der Beschwerdeansicht kann auch keine Rede davon sein, dass dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen sei, warum die Interessenabwägung zu Gunsten der öffentlichen Rücksichten ausgegangen sei.

4. Ferner bestehen gegen die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes keine Bedenken.

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1, 5 und 12 bis 14 leg. cit. unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Nach § 63 Abs. 2 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer - im Rahmen des § 63 Abs. 1 leg. cit. - auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Das Aufenthaltsverbot ist somit für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2007, Zl. 2007/18/0365, mwN).

Der Beschwerdeführer ist zum Schein eine Ehe eingegangen, um eine Aufenthaltsberechtigung zu erlangen. Dabei handelt es sich - wie bereits ausgeführt - um ein das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in gravierender Weise beeinträchtigendes Verhalten. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts dessen die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe nicht vor Verstreichen eines Zeitraumes von zehn Jahren erwartet werden könne.

5. Schließlich ergeben sich auch weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände, die es geboten hätten, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. Oktober 2007

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