VwGH 2006/18/0462

VwGH2006/18/046216.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des S E, geboren 1978, vertreten durch Dr. Helge Doczekal, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. September 2006, Zl. SD 1003/06, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbots, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §12 Abs1;
AsylG 2005 §13;
FrPolG 2005 §62 Abs5;
FrPolG 2005 §65 Abs2;
FrPolG 2005 §65 Abs3;
AsylG 2005 §12 Abs1;
AsylG 2005 §13;
FrPolG 2005 §62 Abs5;
FrPolG 2005 §65 Abs2;
FrPolG 2005 §65 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. September 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen libanesischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Rückkehrverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2002 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der in erster Instanz abgewiesen worden sei. Das diesbezügliche Berufungsverfahren sei noch anhängig.

Mit Urteil vom 4. März 2005 sei der Beschwerdeführer nach den §§ 223 Abs. 2, 15, 228 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt worden.

Am 4. Juli 2006 sei der Beschwerdeführer nach § 28 Abs. 2 zweiter und dritter Fall Suchtmittelgesetz (SMG), §§ 15 und 12 StGB, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 erster Fall SMG sowie § 12 dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon zehn Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer einem ebenfalls verurteilten Drogenhändler den Inhaber einer Bar vermittelt habe, über den der Drogenhändler insgesamt 250 Gramm Kokain verkauft habe. Der Beschwerdeführer habe für diese Verkäufe jeweils eine Provision erhalten. Weiters habe der Beschwerdeführer im Frühjahr 2006 mit zwei Mitbeteiligten beschlossen, den Import einer größeren Menge Kokain von den Niederlanden nach Österreich zu organisieren. Nach einem ersten gescheiterten Versuch habe das gemeinsam vorfinanzierte Suchtgift von einem der Täter nach Österreich geschmuggelt werden können. Die Tat sei anlässlich einer Polizeikontrolle auf einem Autobahnrastplatz aufgedeckt worden. Das gesamte Suchtgift (etwa 150 Gramm Kokain und etwa 16 Gramm Cannabisharz) sei sichergestellt worden.

Der in § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG normierte Tatbestand sei verwirklicht. Die in § 62 Abs. 1 FPG normierten Voraussetzungen für die Erlassung des Rückkehrverbots seien gegeben.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten; familiäre Bindungen im Bundesgebiet bestünden nicht. Das Rückkehrverbot sei jedoch mit einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser Eingriff sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten. Wer nach Österreich komme, um Schutz vor Verfolgung zu suchen, und dann im festgestellten Ausmaß straffällig werde, lasse eine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher Rechtsvorschriften erkennen. Dazu komme, dass der Suchtgiftkriminalität nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine große Wiederholungsgefahr inne wohne. Eine Verhaltsprognose zu Gunsten des Beschwerdeführers sei daher nicht möglich. Das Rückkehrverbot sei im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei zu berücksichtigen, dass der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration des Beschwerdeführers nur ein geringes Gewicht zukomme. Zum einen sei der Aufenthalt lediglich auf Grund eines Asylantrages vorläufig berechtigt. Zum anderen werde die Integration in ihrer sozialen Komponente durch das strafbare Verhalten gemindert. Angesichts des Fehlens familiärer Bindungen komme den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet insgesamt nur ein geringes Gewicht zu. Dem stehe das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Die Auswirkungen des Rückkehrverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als die auf das Fehlverhalten des Beschwerdeführers gegründeten gegenläufigen öffentlichen Interessen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Hinblick auf die unstrittig feststehende rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten bestehen keine Bedenken gegen die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG verwirklicht sei.

2. Der Beschwerdeführer ist bereits im März 2005 wegen Verwendung einer falschen oder verfälschten Urkunde sowie versuchter mittelbarer unrichtiger Beurkundung oder Beglaubigung rechtskräftig verurteilt worden. Weiters hat der Beschwerdeführer Verkäufe von Drogen (insgesamt 250 Gramm Kokain) in einer Bar vermittelt und dafür Provision bezogen. Schließlich hat er im Frühjahr 2006 gemeinsam mit zwei Mittätern den Import einer größeren Menge Kokain von den Niederlanden nach Österreich organisiert. Dabei hat er auch zur Vorfinanzierung des Suchtgiftes beigetragen. Nach einem gescheiterten Versuch hat einer der Mittäter das Suchtgift nach Österreich gebracht, wo er mit etwa 150 Gramm Kokain und etwa 16 Gramm Cannabisharz betreten wurde.

Aus diesem Fehlverhalten des Beschwerdeführers resultiert eine bedeutende Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität. Der Umstand, dass die Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz wegen der Beitragstäterschaft des Beschwerdeführers erfolgte, kann diese Gefahr nicht schmälern, handelt es sich doch beim Tatbeitrag des Beschwerdeführers (Vermitteln von Suchtgiftverkäufen gegen Provision, Organisation und Vorfinanzierung eines Suchtgiftschmuggels) keineswegs um einen für die Umsetzung des Tatplanes nur unwesentlichen Anteil. Ebenso wenig wird die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr durch den - zufälligen - Umstand gemindert, dass es bei einem Teil der strafbaren Handlungen beim Versuch geblieben ist.

Soweit der Beschwerdeführer die bedingte Nachsicht eines Teils der Strafe ins Treffen führt, ist ihm zu entgegnen, dass die Fremdenpolizeibehörde die Frage des Dringend-Geboten-Seins eines Aufenthaltsverbots unabhängig von den die teilbedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichts und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenpolizeirechts zu beurteilen hat, wobei sich schon aus § 60 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FPG ergibt, dass auch eine zum Teil bedingt nachgesehene Strafe ein Aufenthalts- oder Rückkehrverbot rechtfertigen kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0376).

Der nach dem Beschwerdevorbringen wie ein "Damokles-Schwert" über dem Beschwerdeführer schwebende Widerruf der bedingten Nachsicht eines Teiles der Strafe führt angesichts der Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß innewohnenden Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2006/18/0376) ebenfalls zu keiner relevanten Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr.

Schließlich wird diese Gefahr auch durch den vorgebrachten Umstand, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers durch dessen Einkommen als Musiker und die Unterstützung durch einen Cousin der Mutter gesichert ist, nicht verringert, hat doch der Beschwerdeführer seine - zum Teil gewerbsmäßig verübten - Straftaten trotz dieser vorgebrachten Sicherung des Lebensunterhaltes begangen.

Aus all diesen Gründen ist die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde die etwa vierjährige Aufenthaltsdauer seit der illegalen Einreise im Jahr 2002 zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt. Ihre Ansicht, dass die daraus ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente durch die Straftaten des Beschwerdeführers gemindert werde, ist unbedenklich. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass eine Cousine seiner Mutter sowie zwei Cousinen dieser Cousine in Österreich lebten und alle diese Personen österreichische Staatsangehörige seien. Daraus resultiert keine relevante Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, zumal er nicht vorbringt, mit einer dieser Personen in Haushaltsgemeinschaft zu leben. Mit dem weiteren Beschwerdevorbringen, trotz des erst kurzen Aufenthalts "relativ gut integriert" zu sein, zeigt er schon mangels Konkretisierung keine ins Gewicht fallende Verstärkung der privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet auf.

Den insgesamt somit nur schwach ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinen Straftaten resultierende große Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Rückkehrverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), kann nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Über die von der Beschwerde ins Treffen geführte Frage der Verfolgung des Beschwerdeführers in seiner Heimat ist nicht im Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbots, sondern im Asylverfahren zu entscheiden. Während der Anhängigkeit des Asylverfahrens ist der Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG, BGBl. I Nr. 100, vor Abschiebung geschützt. Gemäß § 13 AsylG bleibt dieser faktische Abschiebeschutz auch nach rechtskräftiger Verhängung eines Rückkehrverbots bestehen. Sollte dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt werden, würde das Rückkehrverbot gemäß § 65 Abs. 2 FPG außer Kraft treten. Sollte dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden, würde das Rückkehrverbot gemäß § 65 Abs. 3 dritter Satz FPG keine Wirkung entfalten, solange dieser Status besteht. (Vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2006/18/0376.)

5. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es wäre ausreichend gewesen, die Erlassung des Rückkehrverbots gemäß § 62 Abs. 5 FPG auf das Bundesland Wien zu beschränken, verkennt er den Inhalt der genannten Norm. § 62 Abs. 5 FPG räumt nämlich der Behörde nicht die Möglichkeit ein, die Wirkungen des Rückkehrverbots auf einen bestimmten Bereich des Bundesgebietes zu beschränken, sondern eröffnet die Möglichkeit, den Aufenthalt eines mit einem Rückkehrverbot belegten Asylwerbers aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auf einen bestimmten Bereich des Bundesgebietes zu beschränken.

6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. Jänner 2007

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte