VwGH 2006/18/0440

VwGH2006/18/044016.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des ZA, geboren 1974, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. November 2006, Zl. SD 723/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. November 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1, § 60 Abs. 2 Z. 9 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei auf Grund eines vom 9. September bis zum 9. November 2005 gültigen "Schengen-Visums" am 10. September 2005 nach Österreich eingereist und habe hier am 5. November 2005 die österreichische Staatsbürgerin Nicole G. geheiratet. Am 5. Dezember 2005 habe er die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beantragt, welche aber bisher nicht erteilt worden sei. Da es sich um einen Erstantrag gehandelt habe, habe ihm dieser auch keine Aufenthaltsberechtigung verschaffen können. Er halte sich seit dem 10. November 2005 unerlaubt in Österreich auf.

Am 11. Februar 2006 sei die Ehefrau des Beschwerdeführers aus eigenem Entschluss bei der Polizei erschienen und habe dort unter anderem angegeben:

"Ich habe den (Beschwerdeführer) nur deswegen geheiratet, damit er in Österreich bleiben und hier arbeiten kann. ... Ich habe nie mit ihm zusammen gelebt und gab es auch keinerlei sexuellen Kontakt. Für die Scheinehe habe ich insgesamt etwa 5.000 Euro bekommen, womit ich hauptsächlich meine Schulden abgedeckt habe. ..."

Der Beschwerdeführer habe niederschriftlich einvernommen angegeben, er hätte seine Ehefrau im Oktober 2005 bei deren Großvater das erste Mal gesehen und ihr gleich am Tag des ersten Kennenlernens den Heiratsantrag gemacht. Nach zwei bis drei Wochen hätte sie in die Ehe eingewilligt. Die Ehegemeinschaft hätte nur bis zum 23. Dezember 2005 gedauert. Bis dahin hätte sexueller Kontakt bestanden.

Dem gegenüber habe die Ehefrau des Beschwerdeführers am 19. September 2006 neuerlich vernommen angegeben:

"Ich bleibe bei meiner Aussage, welche ich am 11.01.2006 bei der Bundespolizeidirektion Wien zur Niederschrift gegeben habe. Wenn mein Mann ... etwas anderes behauptet, kann ich nur sagen, dass es nicht der Wahrheit entspricht. Ich bin eine Aufenthaltsehe mit (dem Beschwerdeführer) eingegangen. Die Ehe wurde nicht vollzogen. Ich habe für die Eheschließung ... Euro 4.000 erhalten

..."

Der Beschwerdeführer sei kein begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG, weil er kein Ehegatte einer Österreicherin sei, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Es bestehe kein Grund, der Aussage der Zeugin Nicole G. den Glauben zu versagen. Schon die Angaben des Beschwerdeführers, er habe der für ihn völlig fremden Nicole G. schon am Tag des Kennenlernens einen Heiratsantrag gemacht und sich von ihr bereits sechs Wochen nach der Eheschließung wieder getrennt, würden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Scheinehe liefern. Während der Beschwerdeführer ein großes Interesse an der Darstellung eines (vormals) geordneten Familienlebens mit G. haben müsste, um weiterhin die angestrebten fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorteile zu genießen, sei die Interessenlage der genannten Zeugin keineswegs derart eindeutig gelagert, sodass sie glaubwürdiger erscheine.

Die Annahme des § 86 Abs. 1 FPG sei gerechtfertigt. Das Verhalten des Beschwerdeführers, eine Scheinehe (noch dazu gegen Entgelt) zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile einzugehen, laufe öffentlichen Interessen zuwider und stelle eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Fremdenwesens dar, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur zulässig, sondern dringend geboten sei. Das im Eingehen einer Aufenthaltsehe liegende Verhalten, das mit der Täuschung staatlicher Organe über den wahren Ehewillen beginne und sich bis zum dadurch bewirkten Erschleichen staatlicher Berechtigungen und Befugnisse fortsetze, stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die das Grundinteresse der Gesellschaft an einer gesetzlich gesteuerten Zuwanderung, an der Einhaltung der hierfür maßgeblichen Rechtsvorschriften und am Recht auf wahrheitsgetreue Angaben gegenüber Staatsorganen berühre.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG würden - mit Ausnahme des ca. 14-monatigen Aufenthaltes im Bundesgebiet - praktisch keine Umstände (zu Gunsten des Beschwerdeführers) ins Gewicht fallen. Eine von diesem Aufenthalt abgeleitete Integration in Österreich werde in ihrer Bedeutung dadurch gemindert, dass sowohl die Niederlassungsbewilligung als auch die Arbeitsbewilligung nur auf Grund des Eingehens einer Scheinehe erteilt worden sei. Diesen geringfügigen persönlichen bzw. privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet stehe gegenüber, dass er durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe und die Berufung auf diese bei seinem Antrag auf Niederlassungsbewilligung maßgebliche öffentliche Interessen iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt habe. Das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin im Sinn des § 87 FPG (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0119) ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Bei der Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0306).

1.2. Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

1.3. Die Beschwerde wendet sich in Bezug auf diesen Tatbestand gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Die Angaben seiner Frau seien unrichtig. Die belangte Behörde sei seinem Antrag, ihn einzuvernehmen, nicht nachgekommen. Das Verfahren sei mangelhaft geblieben.

1.4. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, mwN) schon in Anbetracht der eindeutigen Aussage der Zeugin Nicole G. und der von der belangten Behörde dargestellten sonstigen Umstände, die für das Vorliegen einer Scheinehe sprechen, keinen Bedenken. Wenn der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel rügt, von der belangten Behörde nicht als Partei vernommen worden zu sei, so bestreitet er damit nicht seine im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Angaben vor der Behörde. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, inwiefern dem behaupteten Verfahrensmangel Relevanz zukommen soll, legt der Beschwerdeführer doch nicht dar, welches für ihn im gegebenen Zusammenhang günstige Ergebnis seine Einvernahme erbracht hätte.

1.5. Der Beschwerdeführer bestreitet im Übrigen nicht, sich zur Erlangung seiner Aufenthalts- und seiner Arbeitsberechtigung auf die Ehe berufen zu haben. Daher begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG (als "Orientierungsmaßstab") verwirklicht sei, keinem Einwand.

1.6. Angesichts des hohen Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die im § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich.

2. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen das Ergebnis der gemäß § 60 Abs. 6 FPG durchgeführten Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 leg. cit. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen das Ergebnis dieser Interessenabwägung aus den von der belangten Behörde zutreffend angegebenen Gründen keine Bedenken.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. Jänner 2007

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