VwGH 2006/18/0218

VwGH2006/18/021813.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des M Y in W, geboren 1982, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 31. Mai 2006, Zl. SD 2094/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AuslBG;
EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AuslBG;
EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 31. Mai 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 und 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei mit einem von der österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellten Visum C, gültig für einen 14tägigen Aufenthalt bis 3. September 2002, in das Bundesgebiet eingereist. Er habe bereits am 3. Juli 2002 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und - darauf gestützt - Aufenthaltstitel erteilt erhalten.

Bei der niederschriftlichen Vernehmung am 20. April 2005 vor der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt habe seine (frühere) Ehegattin zunächst versucht, die Ehe mit dem Beschwerdeführer als "normale Ehe" darzustellen, sie habe dann jedoch angegeben, nur versucht zu haben, den Schein der Ehe aufrecht zu erhalten. Sie wäre mit ihm eine Scheinehe eingegangen und hätte dafür EUR 3.000,-

- erhalten. In einem Lokal wäre sie von einer Frau angesprochen worden, die die Eheschließung vermittelt hätte. Den Beschwerdeführer hätte sie das erste Mal bei der Botschaft gesehen, wo sie die erste Hälfte des Betrages, EUR 1.500,--, erhalten hätte. Nach der standesamtlichen Heirat hätte sie die zweiten EUR 1.500,-- bekommen. An der gemeinsamen Meldeadresse mit dem Beschwerdeführer hätte sie allein gewohnt. Die Wohnung hätte zwar seinem Schwager gehört, der Beschwerdeführer selbst hätte dort jedoch nur fallweise übernachtet und in einem anderen Zimmer geschlafen. Es hätte nie sexuelle Kontakte gegeben. Die Ehe wäre lediglich deshalb geschlossen worden, damit der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich und eine legale Beschäftigungsmöglichkeit erhielte. Sie selbst wäre im Juli 2004 ausgezogen, als sie einen anderen Arbeitsplatz bekommen hätte.

Der Beschwerdeführer bestreite dieses Vorbringen und habe angegeben, eine Ehescheidungsklage eingebracht zu haben. Seine Gattin hätte diese Aussagen seiner Meinung nach getätigt, um ihn unter Druck zu setzen und dadurch Geld von ihm einzufordern.

Die Ehe des Beschwerdeführers sei seit 13. Jänner 2005 rechtskräftig geschieden.

Die belangte Behörde sei zur Ansicht gelangt, dass der Beschwerdeführer eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, mit seiner Ehegattin jedoch ein gemeinsames Eheleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt habe. Die diesbezüglichen Angaben der Exgattin seien nachvollziehbar und schlüssig gewesen. Sie stünden mit der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus in Übereinstimmung und seien daher glaubhaft gewesen. Dem gegenüber seien die Angaben des Beschwerdeführers kaum substantiiert und wenig schlüssig gewesen. So sei nicht nachvollziehbar gewesen, weshalb ihn seine Gattin unter Druck hätte setzen sollen, um dadurch Geld einzufordern, wenn es sich doch um keine Scheinehe gehandelt haben solle. Des weiteren sei die Gattin bei ihrer Vernehmung der zeugenschaftlichen Wahrheitspflicht unterlegen und hätte bei wahrheitswidrigen Angaben mit einem Strafverfahren rechnen müssen. Die Behauptungen des Beschwerdeführers hätten die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben nicht erschüttern können. Solcherart sei der in § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierte Tatbestand verwirklicht.

Der Beschwerdeführer sei am 15. März 2006 auf einer Baustelle in Wien von Organen des Zollamtes Wien bei einer Beschäftigung betreten worden, die er mangels Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG nicht hätte ausüben dürfen. Er sei seit 16. Jänner 2006 (sohin nach rechtskräftiger Scheidung) bei diesem Unternehmen zur Sozialversicherung gemeldet gewesen. Solcherart sei auch der in § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG normierte Tatbestand verwirklicht.

Die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 leg. cit. - im Grund des § 60 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen.

Der Beschwerdeführer sei geschieden und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen bestünden offenbar zu einem Bruder. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMKR genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und geregelten Arbeitsmarktes - dringend geboten. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein ebenso hoher Stellenwert zu wie den die Beschäftigung von Fremden regelnden Bestimmungen des AuslBG. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Diese wiege jedoch nicht schwer, sei doch zu bedenken gewesen, dass sich der weitaus überwiegende Aufenthalt auf das genannte Fehlverhalten (die Scheinehe) stütze. Auch die Bindungen zum Bruder würden dadurch relativiert, dass er mit diesem nicht im gemeinsamen Haushalt lebe und beide Brüder volljährig seien. Insgesamt sei das dem Beschwerdeführer zuzusprechende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet gering gewesen. Dem stünden die genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse am Verlassen des Bundesgebietes. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 leg. cit. zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Angesichts des vorliegenden Sachverhaltes sei dieses Aufenthaltsverbot mit nunmehr zehn Jahren zu befristen gewesen. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten einerseits und unter Bedachtnahme auf die aktenkundige Lebenssituation des Beschwerdeführers andererseits könne vor Ablauf dieser Frist nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 dieser Bestimmung umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Gemäß § 60 Abs. 2 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 8) von einem Organ der Zollbehörde, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen, oder (Z. 9) eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

2. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die (geschiedene) Ehegattin des Beschwerdeführers bei ihrer Vernehmung vor der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt die im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Angaben gemacht hat, und stellt auch nicht in Abrede, dass er diesen Angaben mit der Behauptung entgegengetreten sei, dass seine Gattin diese Angaben getätigt habe, um ihn unter Druck zu setzen und dadurch Geld von ihm einzufordern.

Im Rahmen ihrer Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde darauf hin, dass es nicht nachvollziehbar erscheine, weshalb die frühere Ehegattin des Beschwerdeführers diesen unter Druck hätte setzen sollen, wenn es sich doch um keine Scheinehe gehandelt habe. Auf diese Ausführungen geht die Beschwerde nicht ein. Wenn diese vorbringt, dass die geschiedene Ehegattin zugegeben habe, den Beschwerdeführer in dessen Wohnung gefolgt zu sein, was indiziere, dass es zu einem "echten Eheleben" gekommen sei, so spricht dieses Vorbringen nicht gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde, erscheint es doch nicht unplausibel, dass die frühere Ehegattin des Beschwerdeführers - wie sie angegeben hat - versucht habe, den Schein der Ehe aufrecht zu erhalten. Dass, wie die Beschwerde meint, die gemeinsame "effektive Wohnsitznahme" nicht erforderlich gewesen sei und "nach der Behördenpraxis auch die gemeinsame Meldung ausgereicht hätte", ist eine bloße (unsubstantiierte) Behauptung, zumal, was gerichtsnotorisch ist, die Fremdenpolizeibehörde bei Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe Ermittlungen auch durch Befragungen von anderen Hausbewohnern durchführt.

Vor diesem Hintergrund kann der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zukommenden Kontrollbefugnis (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht finden, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig sei, und begegnen die von ihr getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, mit seiner Ehegattin jedoch nie ein gemeinsames Eheleben geführt habe, keinen Bedenken.

Von daher begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG verwirklicht sei, keinem Einwand.

3. In Bezug auf den Vorwurf der "Schwarzarbeit" vertritt die Beschwerde die Auffassung, dass dem Beschwerdeführer die Rechtsposition nach Art. 6 (Abs. 1) des auf dem Assoziierungsübereinkommen EWG-Türkei vom 12. September 1963 gründenden Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (ARB) zukomme, sodass für seine Tätigkeit, bei der er am 15. März 2006 auf einer Baustelle in Wien betreten worden sei, gemäß § 4c AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung und ein Befreiungsschein zu erteilen gewesen sei.

Abgesehen davon, dass die Beschwerde nicht behauptet, dass es zu einer solchen Erteilung auch tatsächlich gekommen sei, ist dieses Vorbringen deshalb nicht zielführend, weil einem Fremden selbst in dem Fall, dass er den Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten hat, die Begünstigung nach dem ARB nicht zugute kommt, wenn er diesen Zugang rechtsmissbräuchlich im Weg einer Scheinehe erlangt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 2004, Zl. 2004/18/0164, mwN).

Im Hinblick darauf ist auch die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer vorhalten müssen, dass er am 15. März 2006 bei einer Beschäftigung betreten worden sei, die er mangels einer Bewilligung nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen, nicht zielführend, zumal die Beschwerde nicht darlegt, welche Behauptungen - sieht man von dem genannten Vorbringen betreffend den ARB und die sich daraus ableitbare Begünstigung ab - er aufgestellt hätte, die zu einem für ihn günstigen Ergebnis geführt hätten.

Im Übrigen bestreitet die Beschwerde nicht, dass der Beschwerdeführer am 15. März 2006 bei Arbeiten auf einer Baustelle in Wien von Organen des Zollamtes Wien betreten worden sei und seit 16. Jänner 2006 von einem Unternehmen zur Sozialversicherung angemeldet sei.

Von daher begegnet auch die Beurteilung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG verwirklicht sei, keinen Bedenken.

4. Angesichts des hohen Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, ist die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 2006, Zl. 2006/18/0157, mwN). Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer durch die genannte unerlaubte Tätigkeit auch das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von gegen die Regelungen des AuslBG erbrachter Arbeit beeinträchtigt hat (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das zu § 36 Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes 1997 ergangene Erkenntnis vom 27. April 2004, Zl. 2004/18/0099, der wegen der insoweit unveränderten Rechtslage auch hier maßgebliche Bedeutung zukommt).

5. Gegen das - nicht bekämpfte - Ergebnis der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG bestehen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken.

6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. September 2006

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