Normen
GebG 1957 §33 TP5;
GebG 1957 §33 TP5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Am 16. Mai 2002 schlossen die Mitbeteiligte als Vermieterin und die Firma N. Modehandelsges.m.b.H. als Mieterin einen Mietvertrag über ein in diesem Vertrag näher bezeichnetes Geschäftslokal in einem Einkaufszentrum in Wien VI. Der Mietvertrag lautet, soweit im Beschwerdefall von Relevanz:
"§ 10 - Instandhaltung der Mietsache
Umbauten des Mieters
Der Mieter verpflichtet sich, sämtliche am Mietgegenstand notwendig werdende Reparaturen auf eigene Kosten durchzuführen und überhaupt den Mietgegenstand unter einvernehmlichem Ausschluss des § 1096 ABGB auf eigene Kosten in gutem und ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten, soweit es sich nicht um ernste Schäden am Gebäude handelt. ...
§ 11 - Versicherungen
Soweit aus der Art des Geschäftsbetriebes des Mieters eine über dem Durchschnitt liegende Feuergefährdung ableitbar ist, ist dies dem Vermieter mitzuteilen. Die daraus resultierende Prämienerhöhung der vom Vermieter für die Gebäudesubstanz samt technischen Einrichtungen abgeschlossenen Feuerversicherung trifft ausschließlich den Mieter. Der Mieter verpflichtet sich zum Abschluss einer ausreichenden Betriebshaftpflicht- und Betriebsunterbrechungsversversicherung."
Mit Bescheid vom 27. Oktober 2005 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien als Abgabenbehörde erster Instanz gegenüber der Mitbeteiligten die Gebühr für dieses Rechtsgeschäft gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG 1957 - unter Einbeziehung der Verpflichtung in die Bemessungsgrundlage, eine Betriebshaftpflichtversicherung und Betriebsunterbrechungsversicherung abzuschließen - gemäß § 201 BAO fest.
In der dagegen erhobenen Berufung vertrat die Mitbeteiligte zusammengefasst den Standpunkt, der Abschluss einer Betriebshaftpflicht- und Betriebsunterbrechungsversicherung stelle schon deshalb keine gebührenrechtlich relevante Nebenleistung dar, weil dieser Vertrag auf ein gesondertes Rechtsgeschäft, nämlich die Beauftragung eines Versicherungsunternehmens durch den Mieter, zurückzuführen sei. Es könnten jedoch nur solche Kosten in die Bemessungsgrundlage einfließen, die dem Vermieter (durch die von ihm erfolgte Beauftragung) erwachsen seien und er sich diesbezüglich den Ersatz vom Mieter ausbedinge, daher dieser ihm auch die Kosten ersetzen müsse, um in den Genuss der Bestandsache zu gelangen. Im gegenständlichen Fall sei der Mieter im Abschluss des Versicherungsvertrages völlig frei gestellt. Dem Vermieter erwüchsen durch den Abschluss des Versicherungsvertrages keinerlei Kosten, die auf den Mieter überwälzt würden, damit dieser überhaupt in den Genuss der Bestandsache komme. Darüber hinaus fehle dem Vermieter auch jegliche Information über die Höhe der Jahresprämien der von den Mietern abgeschlossenen Versicherungen.
Nachdem die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 22. Dezember 2005 abgewiesen hatte, beantragte die Mitbeteiligte die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz über die Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und änderte den Erstbescheid dahingehend ab, dass sie die Gebühr nach § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG 1957 - unter Ausscheidung der Verpflichtung zum Abschluss einer Betriebshaftpflicht- und Betriebsunterbrechungsversicherung aus der Bemessungsgrundlage - festsetzte. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG 1957 sowie von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung aus, im vorliegenden Fall sei strittig, ob die Verpflichtung zum Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung bzw. einer Betriebsunterbrechungsversicherung Teil der Bemessungsgrundlage für die Bestandvertragsgebühr sei. Eine Betriebshaftpflichtversicherung decke die Erfüllung von Schadenersatzansprüchen Dritter und die Abwehr von unberechtigten Schadenersatzansprüchen infolge fahrlässiger oder grob fahrlässiger Handlungen des Unternehmers oder der Unternehmerin, der gesetzlichen Vertreter oder Vertreterinnen und der im Betrieb tätigen Familienangehörigen, sämtlicher Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und auch der Subunternehmer und Subunternehmerinnen (Gehilfenhaftung). Sei es durch einen Sachschaden oder durch Krankheit bzw. Unfall eines Geschäftsleiters oder einer Geschäftsleiterin zu einer Betriebsunterbrechung gekommen, sollten z.B. Gehälter, Mieten, Steuern und Zinsen (laufende Fixkosten) und die entgangenen wirtschaftlichen Erträge abgedeckt sein, so könne dies durch eine Betriebsunterbrechungsversicherung gewährleistet werden. Beides diene wohl der Abwendung wirtschaftlichen Schadens vom Unternehmer, habe aber mit der Erhaltung der Bestandsache oder der Erleichterung der Ausübung des bestimmungsgemäßen Gebrauches der Sache nicht unmittelbar zu tun.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Amtsbeschwerde der Abgabenbehörde erster Instanz, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Gleichfalls hat die Mitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Abgabenbehörde erster Instanz sieht einen erhöhten Wert der Bemessungsgrundlage in der Verpflichtung zum Abschluss einer "ausreichenden Betriebshaftpflicht- und Betriebsunterbrechungsversicherung" nach § 11 dritter Satz des gegenständlichen Mietvertrages. Sie vertritt in ihrer Beschwerde den Standpunkt, zum Wert und somit auch zur Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Gebühr zählten alle Leistungen, zu deren Erbringung sich der Bestandnehmer verpflichtet habe, um in den Genuss des Gebrauchsrechtes am Bestandobjekt zu gelangen. Es sei nicht erforderlich und entscheidend, dass diese Verpflichtung gegenüber dem Bestandgeber selbst zu erbringen sei. Wesentlich sei vielmehr, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang zur Überlassung der Bestandsache bestehe.
Die belangte Behörde setzt dem in ihrer Gegenschrift vorerst - aus Enzyklopädien sowie aus Anboten von Versicherungsmaklern entnommene - Begriffsbestimmungen der Betriebshaftpflicht- und Betriebsunterbrechungsversicherung entgegen. Nach dem "Gesamtcharakter der angebotenen Produkte" stehe immer die subjektive Komponente der finanziellen Absicherung des Unternehmens in allen Lebenslagen im Vordergrund. Die streitgegenständlichen Betriebsversicherungen würden im Interesse des Bestandnehmers am Erhalt seiner Existenzgrundlage zur Abwehr von Schadenersatzansprüchen Dritter (auch Kunden) gegen ihn (seine Angestellten) abgeschlossen. Dass dadurch mittelbar auch das Bestandobjekt berührt werde, spiele eine "untergeordnete Rolle".
Die Mitbeteiligte hält in ihrer Gegenschrift zusammenfassend fest, dass die Vereinbarung betreffend den Abschluss einer Betriebshaftpflicht- und Betriebsunterbrechungsversicherung bei der Gebührenberechnung außer Betracht zu bleiben habe, weil sie
- keine Leistung des Mieters darstelle, um in den Genuss des Gebrauchsrechtes zu gelangen,
- in keinem Austauschverhältnis zur Einräumung des Benützungsrechtes stehe,
- nicht der Sicherung oder Erhaltung der Bestandsache diene,
- auch nicht deren Benützung erleichtere, und darüber hinaus
- in keinem wirtschaftlichen Bezug zum Bestandverhältnis stehe.
Zur Darstellung der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage und von dazu ergangener Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird vorerst gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/16/0111, verwiesen.
Gemäß § 17 Abs. 1 des Gebührengesetzes 1957 (GebG 1957) ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.
Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird nach Abs. 2 dieser Bestimmung bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet, welcher die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.
Für die Einbeziehung des Wertes einer Verpflichtung in die Bemessungsgrundlage nach § 33 TP 5 GebG 1957 ist nicht entscheidend, dass diese Verpflichtung gegenüber dem Bestandgeber selbst zu erbringen ist (Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Rz 76 zu § 33 TP 5 GebG 1957). Wesentlich für eine solche Einbeziehung ist, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang zur Überlassung der Bestandsache besteht (Fellner, aaO, Rz 77 zu § 33 TP 5 GebG 1957).
Im § 17 Abs. 1 GebG 1957 ist als Prinzip - Urkundenprinzip - festgelegt, dass für die Beurteilung der Gebührenschuld der schriftlich festgelegte Inhalt der Urkunde maßgebend ist. § 17 Abs. 2 GebG 1957 hat zum Inhalt, dass bei einem - in Bezug auf die Art oder Beschaffenheit des Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände - undeutlichen Urkundeninhalt bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet wird, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat (vgl. Fellner, aaO, Rz 2 und 16 zu § 17 GebG 1957).
Die nach § 17 Abs. 1 GebG 1957 für die Beurteilung der Gebührenschuld maßgebliche Urkunde ist im Beschwerdefall der eingangs genannte Mietvertrag vom 16. Mai 2002, der in seinem § 11 dritter Satz die Verpflichtung des Mieters zum Abschluss einer "ausreichenden Betriebshaftpflicht- und Betriebsunterbrechungsversicherung" enthält. Der Inhalt der von der Mitbeteiligten als Mieterin abzuschließenden Betriebshaftpflicht- und Betriebsunterbrechungsversicherung ergibt sich dagegen nicht aus der maßgeblichen Urkunde, sodass der Umfang der Verpflichtung der Mitbeteiligten zum Abschluss einer ausreichenden Betriebshaftpflicht- und Betriebsunterbrechungsversicherung nach dem Inhalt dieser Urkunde auslegungsbedürftig ist.
Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Umfang der Verpflichtung an Hand nicht näher begründeter Definitionen des Deckungsumfanges einer Betriebshaftpflicht- und Betriebsunterbrechungsversicherung zu bestimmen versuchte, entfernte sie sich vom eingangs genannten Urkundenprinzip des § 17 Abs. 1 GebG 1957. Vielmehr hat die Undeutlichkeit des § 11 dritter Satz des vorliegenden Mietvertrages zur Folge, dass nach § 17 Abs. 2 GebG 1957 - bis zum Gegenbeweis - der Tatbestand vermutet wird, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat - im Beschwerdefall daher, dass auch die Verpflichtung nach § 11 dritter Satz des gegenständlichen Mietvertrages in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist.
Wenn die belangte Behörde und die Mitbeteiligte schließlich in ihren Gegenschriften den "Gegenbeweis" im Sinn des § 17 Abs. 2 GebG antreten wollen, hat dies schon deshalb außer Betracht zu bleiben, weil selbst ausführliche Darlegungen in der Gegenschrift mangelhafte Feststellungen im angefochtenen Bescheid grundsätzlich nicht zu ersetzen vermögen (vgl. die in Dolp,
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 607 wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 25. Oktober 2006
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