VwGH 2004/21/0241

VwGH2004/21/024119.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über den Antrag des V, vertreten durch Dr. Elmar Kresbach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/4/29, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung gemäß § 34 Abs. 2 VwGG, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §24;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §24;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Begründung

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. August 2004, Zl. 2004/21/0156, wurde das Verfahren über die Beschwerde des nunmehrigen Antragstellers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 16. März 2004, mit dem die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung versagt worden war, eingestellt. Zur Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof aus, der Antragsteller sei dem Auftrag zur Mängelbehebung der dem Verwaltungsgerichtshof vom Verfassungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde nur unvollständig nachgekommen, weil er mit dem Mängelbehebungsschriftsatz vom 12. August 2004 die zur Ergänzung zurückgestellte Beschwerde nicht wieder vorgelegt habe.

Mit dem vorliegenden Antrag vom 27. September 2004 begehrt der Antragsteller (unter gleichzeitiger Vorlage der Beschwerde) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist. Er begründet diesen Antrag damit, dass sein Rechtsvertreter bei Unterfertigung des dreifach ausgefertigten Mängelbehebungsschriftsatzes die "Beilagen kontrolliert und den Schriftsatz zur Abfertigung der Kanzleileiterin, Frau D.S., übergeben" habe. Dabei, so die Vermutung des Antragstellers, dürfte die ursprüngliche Beschwerde aus dem abzuschickenden Paket an Schriftsätzen "und Beilagen" herausgeglitten und in Verstoß geraten sein. Die äußerst gewissenhafte und erfahrene Kanzleileiterin habe bei der Kontrolle der Beilagen jedoch nicht bemerkt, dass ein Schriftstück (gemeint: die ursprüngliche Beschwerde) gefehlt habe. Die vorzulegende Beschwerde sei daher erst nach der Kontrolle durch den Rechtsvertreter in Verstoß geraten. Da die Kanzleileiterin einen "derartigen Fehler" bislang noch nicht begangen habe, habe der Rechtsvertreter des Antragstellers davon ausgehen können, dass sie die Abfertigung des Mängelbehebungsschriftsatzes vom 12. August 2004 "mit den erforderlichen Beilagen" vornehmen werde. Den Rechtsvertreter des Antragstellers treffe sohin bei der Versäumung der Frist zur Mängelbehebung kein oder allenfalls nur ein geringes Verschulden.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist der Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Die Partei muss das Verhalten seines Rechtsvertreters gegen sich gelten lassen (vgl. Walter/Thienel, a. a.O., E 72 ff zu § 71 AVG).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes umfasst die anwaltliche Sorgfaltspflicht auch die Überwachung des Umstandes, ob die Schriftstücke in gesetzmäßiger Anzahl und Form, versehen mit den notwendigen Unterschriften, versandbereit sind, nicht aber zum Beispiel die näheren Umstände der Postaufgabe solcher Schriftstücke oder die Kuvertierung von Beilagen, die - nach dem Inhalt des Hauptschriftsatzes - diesem beigelegt waren.

Die Begründung des vorliegenden Wiedereinsetzungsantrages lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass die Vorlage der ursprünglichen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der in Rede stehenden Mängelbehebung trotz der gebotenen Sorgfalt des Rechtsvertreters des Antragstellers unterblieben und dieser Fehler (erst) durch ein nicht vorhersehbares Versehen der Kanzleikraft bei der Ausfertigung des Mängelbehebungsschriftsatzes verursacht worden sei. Dieser Ansicht des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden:

Der vom Antragsteller im genannten Beschwerdeverfahren zur Mängelbehebung vorgelegte Schriftsatz vom 12. August 2001 trägt auf der ersten Seite nach dem Vermerk "3-fach" den Hinweis "1 Beilage". Dieser Schriftsatz langte beim Verwaltungsgerichtshof mit einer Beilage (nämlich einer Kopie des angefochtenen Bescheides), nicht aber mit der dem Antragsteller zur Verbesserung zurückgestellten Beschwerde ein. Geht man mit dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag davon aus, die äußerst gewissenhafte und erfahrene Kanzleileiterin habe trotz durchgeführter Kontrolle der abzufertigenden Post nicht bemerkt, dass die ursprüngliche Beschwerde (als eine der vom Rechtsvertreter des Antragstellers dem Mängelbehebungsschriftsatz angeschlossenen Beilagen) aus diesem Schriftsatz herausgeglitten war, so kann darin ein (bloßer) Abfertigungsfehler - der Kanzleikraft -, wie er im Wiedereinsetzungsantrag behauptet wird, nicht erblickt werden, konnte doch die Kanzleikraft wegen des am Mängelbehebungsschriftsatz angebrachten Vermerks "1 Beilage" gar nicht erkennen, dass diesem Schriftsatz richtigerweise mehrere Beilagen anzuschließen gewesen wären.

Um daher sicher zu stellen, dass mit dem Mängelbehebungsschriftsatz nicht bloß eine Beilage sondern sämtliche vom Rechtsvertreter diesem Schriftsatz angeschlossen gewesenen Beilagen (also neben der Kopie des angefochtenen Bescheides insbesondere auch die ursprüngliche Beschwerde) abgefertigt werden, hätte es entweder einer entsprechenden Korrektur des genannten Vermerks am Mängelbehebungsschriftsatz oder der ausdrücklichen Weisung des Rechtsvertreters des Antragstellers gegenüber seiner Kanzleikraft bedurft, dass dem Schriftsatz vom 12. August 2004 - entgegen dem dortigen Vermerk "1 Beilage" - mehrere Beilagen, und damit jedenfalls auch die ursprüngliche Beschwerde, anzuschließen seien. Dass der Rechtsvertreter des Antragstellers auf die genannte Weise vorgegangen wäre, wurde im Wiedereinsetzungsantrag nicht behauptet.

Die unterlassene Mängelbehebung im genannten Beschwerdeverfahren beruhte somit nicht auf einem bloß minderen Grad des Verschuldens des Antragstellers. Mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG war der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher abzuweisen.

Wien, am 19. Oktober 2004

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