VwGH 2003/18/0178

VwGH2003/18/017810.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1957, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1140 Wien, Hadikgasse 104, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Mai 2003, Zl. SD 41/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. Mai 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 14. September 2001 unter Umgehung der Grenzkontrolle unter Zuhilfenahme eines Schleppers über den Flughafen Wien-Schwechat nach Österreich gelangt und habe am 17. September 2001 beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid dieser Behörde vom 16. April 2002 unter gleichzeitiger Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 8 Asylgesetz (1997) zulässig sei, abgewiesen worden sei. Eine dagegen eingebrachte Berufung sei beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Dezember 2002 sei über den Beschwerdeführer, der nicht im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz gewesen sei bzw. sei, wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten verhängt worden, wovon ein Teil von sieben Monaten bedingt nachgesehen worden sei. Den Entscheidungsgründen dieses in Rechtskraft erwachsenen Urteils sei zu entnehmen, dass er zunächst im Verdacht gestanden sei, am 5. Juli und am 9. Juli 2002 eine schwer geistig behinderte Frau zum außerehelichen Beischlaf bzw. zur Unzucht missbraucht zu haben (mit diesem Urteil sei er vom Vorwurf nach § 205 Abs. 1und 2 StGB im Zweifel freigesprochen worden). Im Zuge des wegen des Verdachts nach § 205 StGB geführten Vorverfahrens, am 23. Juli, 29. August und 18. Dezember 2002, habe er die festnehmenden Polizeibeamten bewusst der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, indem er sie mit Strafe bedrohten Handlungen, nämlich der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und des Verbrechens des Amtsmissbrauches nach § 302 Abs. 1 leg. cit., bewusst falsch verdächtigt habe. So habe er mehrfach angegeben, von den beiden Polizeibeamten anlässlich der Festnahme grundlos geschlagen, vorsätzlich verletzt und brutal misshandelt worden zu sein. Zudem hätten ihm diese während der Vernehmung die angebliche strafbare Handlung nur vorgehalten und ihn nur "ja" sagen lassen. Er wäre jedoch nicht korrekt vernommen worden, und es wäre somit ein inhaltlich falsches Protokoll erstellt worden.

Auf Grund dieser rechtskräftigen Verurteilung sei der in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Tatbestand verwirklicht. Da nicht der geringste Zweifel daran bestehe, dass das aufgezeigte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß gefährde, erweise sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - als gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet und für sechs Kinder sorgepflichtig. Er habe keine privaten oder familiären Bindungen zum Bundesgebiet behauptet und angegeben, seinen Lebensunterhalt durch diverse Gelegenheitsarbeiten zu bestreiten und nicht im Besitz ausreichender Barmittel zu sein. Am 16. Jänner 2003 habe er auf Grund eines von ihm durchgeführten Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen werden müssen.

Selbst wenn man auf Grund seines zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch anhängigen Asylverfahrens, während dessen ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukomme, trotz fehlender familiärer und beruflicher Bindungen von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben ausgehen wollte, wäre dessen ungeachtet die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grund des § 37 FrG zu bejahen. Im Hinblick auf sein massives Fehlverhalten unter Verwirklichung des Verbrechenstatbestandes der Verleumdung wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter, als dringend geboten zu erachten. Sein bisheriges Verhalten verdeutliche sehr augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten, weshalb eine Verhaltensprognose für ihn nicht positiv ausfallen könne.

Eine - im Fall der Annahme eines Eingriffs - auch nach § 37 Abs. 2 FrG gebotene Interessenabwägung müsste ebenfalls zu seinen Ungunsten ausfallen. Die ohnedies nicht stark ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers erführen im Hinblick darauf, dass die für das Ausmaß jeglicher Integration wesentliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten deutlich beeinträchtigt würde, eine weitere Minderung. Jedenfalls hätten seine privaten Interessen gegenüber den genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftat könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden. Seinem Vorbringen, eine Abschiebung in die Türkei wäre nicht gerechtfertigt, komme im vorliegenden Zusammenhang keine Relevanz zu, weil im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht zu beurteilen sei, ob und gegebenenfalls in welchen Staat der Fremde (zulässigerweise) abgeschoben werde.

Auf Grund des anhängigen Asylverfahrens sei im Hinblick auf § 21 Abs. 2 Asylgesetz eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat nicht zulässig.

Die von der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vorgenommene Befristung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes erscheine gerechtfertigt, weil in Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers einerseits und dessen privater Situation andererseits ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden könne.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu der (in Rechtskraft erwachsenen) strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers und wendet sich auch nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei. Gegen diese Beurteilung bestehen angesichts der mit diesem Urteil verhängten Freiheitsstrafe keine Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bringt indes vor, dass der Beschwerdeführer zwar vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien den gegen die Polizeibeamten erhobenen Vorwurf, er wäre geprügelt worden, nicht mehr aufrecht erhalten habe, was vom Gericht als Geständnis der Verleumdung interpretiert worden sei, es seien jedoch Strafurteile vielfach "ein Arrangement oder Ergebnis taktischer Überlegungen" und es sei die implizite Annahme im angefochtenen Bescheid, dass das Urteil richtig wäre, verfehlt. So sei nie erwiesen worden, dass die Polizisten nicht geprügelt hätten. Im Übrigen sei nicht im Entferntesten erkennbar, weshalb der Beschwerdeführer die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet haben solle, und sei sein Verhalten völlig situationsangepasst gewesen.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der besagten Verurteilung liegt zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in dem gegen ihn geführten Strafverfahren Polizeibeamte mehrmals einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung und der Verletzung einer Amtspflicht falsch verdächtigt hat, obwohl ihm bewusst war, dass die Verdächtigungen falsch sind. So hat er mehrfach angegeben, dass er von zwei Polizeibeamten anlässlich seiner Festnahme grundlos geschlagen, vorsätzlich verletzt und brutal misshandelt worden sei und dass ein inhaltlich falsches Protokoll erstellt worden sei. In Anbetracht dieses für die genannte Verurteilung maßgeblichen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.

Hiebei ist das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte nicht von der Richtigkeit des strafgerichtlichen Urteils ausgehen dürfen, schon deshalb nicht zielführend, weil mit dieser rechtskräftigen Verurteilung in bindender Weise feststeht, dass der Beschwerdeführer die seiner Verurteilung zu Grunde liegende Straftat begangen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2002, Zl. 2002/18/0201). Entgegen der Beschwerdeansicht ist auf Grund der genannten Verurteilung auch erwiesen, dass die Polizeibeamten den Beschwerdeführer nicht geprügelt haben.

3. In Bezug auf persönliche Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich im Sinn des § 37 Abs. 1 und 2 FrG bringt die Beschwerde nichts vor. Gegen die unter der Annahme eines trotz fehlender familiärer und beruflicher Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriffs in sein Privatleben getroffene Beurteilung der belangten Behörde, dass die genannte Bestimmung der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe, bestehen im Hinblick auf die unwidersprochen gebliebenen Annahmen im angefochtenen Bescheid - obgenanntes strafrechtliches Fehlverhalten, keine persönlichen Bindungen in Österreich, keine ausreichenden Barmittel für den Lebensunterhalt - keine Bedenken.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 10. September 2003

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