Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdefall steht in Zusammenhang mit den unter dem Begriff "Mehrwertsteuerschwindel des Werner Rydl" durch zahlreiche Medienberichte und Publikationen in der Öffentlichkeit bekannten Vorgängen.
Das den Beschwerdeführer betreffende Umsatzsteuerverfahren für das Jahr 1995 wurde mit Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 22. September 1998 im Instanzenzug abgeschlossen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde wurde mit Erkenntnis vom 27. Juni 2001, 98/15/0184, abgewiesen.
Mit Eingabe vom 29. November 2002 beantragte der Beschwerdeführer beim Finanzamt die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens und die Anerkennung von mit dem Bezug von Parfumölen zusammenhängenden Vorsteuern von ca 1,9 Mio S. Dem Wiederaufnahmeantrag war ein 48 Seiten umfassender Internet-Ausdruck vom 29. August 2002 beigelegt, dessen Inhalt ein Verhandlungsprotokoll vom 16. Verhandlungstag (am 13. Februar 2001) in der Strafsache G des Landesgerichtes für Strafsachen Wien darstellen solle und mit der Wiedergabe von Ausführungen des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. B beginne.
Das Finanzamt wies den Wiederaufnahmeantrag ab, weil die unterschiedliche Würdigung eines Sachverständigengutachtens durch unterschiedliche Staatsorgane keine neu hervorgekommene Tatsache darstelle.
Die gegen die Abweisung erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer behaupte, dass nachstehend dargestellte Umstände erst nach Abschluss des Umsatzsteuerverfahrens neu hervorgekommen seien, was sich aber aus nachstehend angeführten Gründen als nicht stichhaltig erweise:
- Das Gutachten des Univ. Prof. Dr. B sei kein verwertbares oder brauchbares Beweismittel, weil der Gutachter nicht wisse, woher die Proben stammten (Vorbringen des Beschwerdeführers). Die belangte Behörde halte dem entgegen, dass ein Gutachten nicht dadurch entwertet sei, dass die zu untersuchenden Proben dem Sachverständigen ins Labor geliefert worden seien. Es sei unzutreffend und daher nicht neu hervorgekommen, dass das Gutachten unverwertbar oder unbrauchbar sei.
- Univ. Prof. Dr. B habe keine Analysen der Proben durchgeführt, insbesondere keine organanalytischen Untersuchungen (Vorbringen des Beschwerdeführers). Die belangte Behörde verweise darauf, dass selbst in dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Internetausdruck von der Durchführung einer Analyse die Rede sei.
- In den Parfumproben sei weder Rapsöl noch Salpetersäure enthalten gewesen (Vorbringen des Beschwerdeführers). Die belangte Behörde halte in diesem Zusammenhang für wesentlich, dass sich die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion vom 22. September 1998 nicht auf die Beimischung von Rapsöl bzw Salpetersäure gestützt habe.
- Univ. Prof. Dr. B haben den Handelswert der Ware, insbesondere deren ideellen Wert nicht ermittelt und betriebswirtschaftliche Aspekte nicht berücksichtigt (Vorbringen des Beschwerdeführers). Nach Ansicht der belangten Behörde seien derartige Überlegungen über "ideellen Wert" bzw. betriebswirtschaftliche Umstände in einem chemischen Gutachten nicht zu erwarten, sodass diese Umstände nicht neu hervorgekommen seien. Bereits im Schriftsatz vom 14. September 1998 habe der Beschwerdeführer auf ideelle Umstände hingewiesen.
- Es sei nicht festgestellt worden, dass etwas "verlängert oder gestreckt" worden sei (Vorbringen des Beschwerdeführers). Nach Ansicht der belangten Behörde gehe dieses Vorbringen ins Leere, weil die Berufungsentscheidung vom 22. September 1998 nicht mit "Verlängerung oder Streckung" von Substanzen argumentiere.
- Univ. Prof. Dr. B sei zum gleichen Ergebnis gekommen wie Dipl. Ing. F; das Ergebnis bestehe darin, dass die untersuchten Produkte als hochwertige Produkte anzusehen seien (Vorbringen des Beschwerdeführers). Die belangte Behörde halte dem Vorbringen entgegen, aus dem vorgelegten Internetausdruck ergebe sich lediglich, dass einer der Verteidiger zum Sachverständigen Univ. Prof. Dr. B gesagt habe: "Sie kommen zum gleichen Ergebnis." Eine derartige bloße Äußerung eines Verteidigers stelle keinen Wiederaufnahmegrund dar.
Die belangte Behörde führt weiters aus, dass sich die Berufungsentscheidung vom 22. September 1998 nicht bloß auf die Untersuchungen des Univ. Prof. Dr. B gestützt habe, sondern auf eine Reihe anderer Argumente für das Vorliegen von billigen Riechstoffen. Zu diesen Argumenten gehörten ua:
- Das Fehlen eines Nachweises einer branchenüblichen Chargennummer,
- die widersprüchliche Herkunft der Ware und die ungebräuchliche Produktbezeichnung,
- der Holzverschlag als Produktionsstätte und
- die Lieferung in Plastikgebinden.
Selbst wenn der Beschwerdeführer nicht daran gescheitert wäre, das chemische Gutachten des Univ. Prof. Dr. B zu entkräften, verhinderten diese angeführten Argumente die Erlassung eines anders lautenden Bescheides. Der auf § 303 Abs 1 lit b BAO gestützte Wiederaufnahmeantrag sei daher zu Recht abgewiesen worden.
Soweit sich der Beschwerdeführer auch auf § 303 Abs 1 lit c BAO stütze, sei ihm entgegenzuhalten, dass von einer Vorfragenentscheidung keine Rede sein könne, weil der Beschwerdeführer nicht Partei des angesprochenen Strafprozesses vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 303 Abs 1 BAO lautet:
"Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."
Ein Wiederaufnahmewerber ist im Verwaltungsverfahren für das Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes behauptungs- und beweispflichtig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 2000, 2000/15/0056).
In der Beschwerde wird vorgebracht, die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens seien erfüllt. Das Gutachten des Univ. Prof. Dr. B sei kein taugliches und kein verwertbares Beweismittel. Das sei für den Beschwerdeführer erst nach rechtskräftiger Beendigung des wiederaufzunehmenden Verfahrens, nämlich durch das genannte Hauptverhandlungsprotokoll, neu hervorgekommen. Von diesem Protokoll habe er erstmals am 29. August 2002 Kenntnis erlangt. Entscheidend sei, dass der Gutachter Univ. Prof. Dr. B in der Hauptverhandlung nicht habe angeben können, woher die untersuchten Proben stammten, zumal er die Proben nicht selbst gezogen habe. Zudem habe sich ergeben, dass Univ. Prof. Dr. B keine Analysen der vorhandenen Proben durchgeführt habe und dass er weder Rapsöl noch Salpetersäure vorgefunden habe. Der Gutachter habe organoläptische Untersuchungen ausschließlich durch in Form des Riechens von Parfumeuren der Fa D an nicht näher bezeichneten Proben durchgeführt. Er habe auch nicht festgestellt, dass etwas "verlängert oder gestreckt" worden sei. Zudem habe sich ergeben, dass Univ. Prof. Dr. B in den Proben dieselben Inhaltsstoffe vorgefunden habe wie in der Vergleichsserie "Davidoff". Dipl. Ing. F habe in seinem Gutachten festgestellt, dass die von ihm untersuchten Proben aufgrund der darin vorgefundenen Inhaltsstoffe hochwertigen Produkten entsprächen. Weiters habe sich ergeben, dass Univ. Prof. Dr. B weder den Handelswert noch den ideellen Wert der Proben festgestellt habe und keine betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkte berücksichtigt habe.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Abgesehen davon, dass die belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend aufzeigt, dass es der Tauglichkeit eines Sachverständigengutachten über bestimmte Eigenschaften einer Flüssigkeit grundsätzlich nicht entgegensteht, wenn die Flüssigkeit dem Sachverständigen ins Labor geliefert wird, stand bereits im Umsatzsteuerverfahren fest, wo die Proben gezogen worden sind (siehe das hg Erkenntnis 98/15/0184: Proben wurden im Wesentlichen bei der U-GmbH gezogen). Solcherart ist nicht erkennbar, dass die entsprechende Tatsache erst nach Abschluss des Umsatzsteuerverfahrens neu hervorgekommen wäre.
Widersprüchlich ist das Vorbringen, es sei neu hervorgekommen, dass der Gutachter Univ. Prof. Dr. B keine Analysen von den vorhandenen Proben durchgeführt habe, jedoch weder Rapsöl noch Salpetersäure, dafür aber die gleichen Inhaltsstoffe vorgefunden habe, die sich auch in der Vergleichsserie "Davidoff" fänden. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, wie der Gutachter, hätte er keine Analysen durchgeführt, die einzelnen Inhaltsstoffe hätte feststellen können. Zu Recht ging die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon aus, dass Analysen vorgenommen worden sind. Aus dem Gutachten ergibt sich bereits die angewandte Methode: Demnach wurden gaschromatographisch-spektroskopische instrumentelle Messungen durchgeführt, aber auch organoleptische Prüfungen unter Hinzuziehung von "geschulten Parfumeuren" (siehe das hg Erkenntnis vom 17. Oktober 2001, 96/13/0055). Solcherart waren die Methode und auch das Beiziehen "geschulter Parfumeure" bereits im abgeschlossenen Verfahren bekannt. Der Beschwerdeführer zeigt auch nicht auf, aus welchen Gründen die angewandte Methode untauglich sein sollte.
Zum Vorbringen betreffend die Beimischung von Rapsöl und Salpetersäure bzw das "Verlängern oder Strecken" verweist die belangte Behörde zutreffend darauf, dass sich der das Umsatzsteuerverfahren abschließende Bescheid nicht auf solche Umstände gestützt hat. Entscheidend war in jenem Verfahren ausschließlich die Feststellung, dass es sich um minderwertige Parfumöle gehandelt hat (vgl nochmals das hg Erkenntnis 96/13/0055).
Was die Wertbestimmung anlangt, wird im Gutachten des Univ. Prof. Dr. B ausgeführt (siehe nochmals das hg Erkenntnis 96/13/0055), der Handelswert von Parfum setze sich aus den Materialkosten und aus den ideellen Kosten (Werten) zusammen. Die Materialwerte der untersuchten Öle lägen zwischen 100 S und 600 S (pro Liter). Der Beschwerdeführer vermag in keiner Weise aufzuzeigen, der Umstand, dass das Gutachten keine betriebswirtschaftlichen Überlegungen beinhaltet und keine ideelle Werte berücksichtigt, wäre erst nach Abschluss des Verfahrens neu hervorgekommen. Zudem unterlässt der Beschwerdeführer jeden Hinweis darauf, dass und aus welchem Grund die Parfumöle tatsächlich einen ideellen Wert gehabt haben sollten.
Das Vorbringen, in den vom Beschwerdeführer erworbenen Flüssigkeiten seien Inhaltsstoffe festgestellt worden, die sich mit den Inhaltsstoffen der Vergleichsserie "Davidoff" deckten, zeigt schon deshalb keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund auf, weil sich aus diesem Vorbringen, auch wenn es mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen sollte, nicht ergibt, dass die im abgeschlossenen Umsatzsteuerverfahren getroffenen Feststellungen über den Wert der dem Beschwerdeführer gelieferten Flüssigkeiten unrichtig sind. Selbst wenn, was der Beschwerdeführer gar nicht behauptet, die Inhaltsstoffe der ihm gelieferten Flüssigkeiten sich zur Gänze mit jenen der Vergleichsserie deckten, wäre für die Wertbestimmung auch das Mischungsverhältnis relevant. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass für den Wert der Vergleichsserie ideelle Faktoren nicht ohne Bedeutung sind. Verwiesen sei auch darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof die von Dipl. Ing. F im Zusammenhang mit den in der Lieferkette "Rydl" gelieferten Parfumölen erstellten Gutachten schon wiederholt als unschlüssig beurteilt hat (vgl das hg Erkenntnis vom 18. September 2003, 2000/15/0126).
Wenn in der Beschwerde schließlich darauf verwiesen wird, aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergebe sich, dass Univ. Prof. Dr. B zum selben Ergebnis gekommen sei wie Dipl. Ing. F, so tritt die Beschwerde damit in keiner Weise den Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Bescheides entgegen, wonach sich im vom Beschwerdeführer vorgelegten Protokoll lediglich eine in dieser Richtung lautende Verteidigeraussage finde. Solcherart vermag auch dieses Vorbringen keinen Wiederaufnahmegrund aufzuzeigen.
Die Beschwerde vermag sohin nicht aufzuzeigen, dass die belangte Behörde zu Unrecht ausgeschlossen hat, dass es sich bei den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umständen um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel iSd § 303 Abs 1 lit b BAO handle, deren Kenntnis allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Umsatzsteuerbescheid herbeigeführt hätte. Vorbringen zum Wiederaufnahmetatbestand des § 303 Abs 1 lit c BAO enthält die Beschwerde nicht.
Auf das Beschwerdevorbringen zur ergänzenden Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach die Erlassung eines anders lautenden Umsatzsteuerbescheides auch dann nicht in Betracht käme, wenn "die Entkräftung des chemischen Gutachtens nicht gescheitert wäre", braucht somit nicht eingegangen zu werden. Angemerkt sei allerdings, dass es der Verwaltungsgerichtshof als taugliches Indiz gegen die Werthaltigkeit der Flüssigkeiten angesehen hat, dass diese in Plastikgebinden geliefert worden sind (vgl das hg Erkenntnis 98/15/0184).
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 27. November 2003
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