VwGH 2003/02/0210

VwGH2003/02/021021.11.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde

1.) der M O in B, und 2.) der S Weissenberg Familienstiftung mit Sitz in V, Fürstentum Liechtenstein, beide vertreten durch Dr. Christian Hopp, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Johannitergasse 6/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 19. Oktober 1998, Zl. 3-1-30/98/K4, betreffend Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, zu Recht erkannt:

Normen

11992E012 EGV Art12;
11992E057 EGV Art57;
11992E058 EGV Art58;
11992E059 EGV Art59;
11992E060 EGV Art60;
11992E073B EGV Art73b;
11997E056 EG Art56;
62001CJ0452 Ospelt VORAB;
EURallg;
EWR-Abk Anh12;
EWR-Abk Art40;
GVG Vlbg 1993 §5 Abs1 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;
11992E012 EGV Art12;
11992E057 EGV Art57;
11992E058 EGV Art58;
11992E059 EGV Art59;
11992E060 EGV Art60;
11992E073B EGV Art73b;
11997E056 EG Art56;
62001CJ0452 Ospelt VORAB;
EURallg;
EWR-Abk Anh12;
EWR-Abk Art40;
GVG Vlbg 1993 §5 Abs1 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 585,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin ist grundbücherliche Eigentümerin der in Österreich gelegenen Liegenschaft KG Z, im Flächenausmaß von

43.532 m2. Sie besitzt die Staatsbürgerschaft von Liechtenstein. Die Liegenschaft umfasst zahlreiche Grundstücksnummern.

Bei dem Grundstück Nr. 448 (543 m2) handelt es sich um ein Waldstück. Die Grundstücke mit den Nummern 667/1 (16.511 m2), 667/3 (8.080 m2), 670/1 (4.303 m2), 670/3 (112 m2), 672 (4.591 m2), 678 (139 m2), 679/1 (767 m2), 679/2 (1.384 m2), 680 (140 m2), 681/1 (5.279 m2), 681/2 (863 m2) und .52 (820 m2) sind im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Z als Freifläche-Landwirtschaftsgebiet ausgewiesen.

Auf dem Grundstück Nr. .52 befindet sich das Wohnhaus B Nr. 19 ("B Schlösschen"), hinsichtlich dessen mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 7. Oktober 1964, Zl. 7429/64, festgestellt wurde, dass die Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen sei.

Die gegenständlichen Grundstücke grenzen aneinander. Die landwirtschaftlichen Flächen sind derzeit an zwei landwirtschaftliche Betriebe verpachtet. Mit Urkunde vom 9. April 1998 wurde die S Familienstiftung mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein (die Zweitbeschwerdeführerin), deren einzelzeichnungsberechtigte Stiftungsrätin und Erstbegünstigte die Erstbeschwerdeführerin ist, gegründet. Mit Widmungsurkunde vom 16. April 1998 wurde die verfahrensgegenständliche Liegenschaft dem Vermögen der Zweitbeschwerdeführerin gewidmet.

Mit Antrag vom 22. April 1998 wurde um die grundverkehrsbehördliche Genehmigung angesucht.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. Oktober 1998 versagte die belangte Behörde gemäß § 5 Abs. 1 lit. a und § 5 Abs. 2 lit. a und d des (Vorarlberger) Gesetzes über den Verkehr mit Grundstücken (Grundverkehrsgesetz), LGBl. für Vorarlberg Nr. 61/1993 (in der Folge VGVG 1993) die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.

Der Bescheid baut auf den festgestellten (unbestrittenen) Tatsachen auf, dass die Zweitbeschwerdeführerin (wie auch die Erstbeschwerdeführerin) keine Landwirtschaft betreibe und dies auch in Zukunft nicht beabsichtige. Sie wolle die Grundstücke weiterhin denselben Landwirten wie bisher verpachten. Zweck der Familienstiftung sei die Erhaltung des Familienbesitzes und die Verhinderung einer erblichen Aufteilung.

Die belangte Behörde begründete die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung damit, dass bei den gegenständlichen Grundstücken der überwiegende Teil als landwirtschaftliche Grundstücke ausgewiesen seien, weshalb gemäß § 4 Abs. 1 lit. a VGVG 1993 eine grundverkehrsbehördliche Bewilligung erforderlich sei. Solche Flächen sollten nach den Intentionen des VGVG 1993 von Landwirten im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet und erworben werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei es in den durch das VGVG 1993 zu schützenden öffentlichen Interessen gelegen, dass die im Rahmen des Grundverkehrs erworbenen landwirtschaftlichen Grundstücke von den Erwerbern selbst bewirtschaftet würden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei nicht als Landwirtin tätig und habe auch nicht die Absicht, eine Landwirtschaft zu betreiben. Der Erwerb landwirtschaftlich genutzter Grundstücke in der Absicht, diese wieder zu verpachten, widerspreche dem im VGVG 1993 normierten öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes und der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes. Der Versagungstatbestand der mangelnden Selbstbewirtschaftung im Rahmen eines bäuerlichen Betriebes trete auch dann ein, wenn das Grundstück schon vom bisherigen Eigentümer nicht selbst bewirtschaftet worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 26. September 2000, B 2263/98-6 ihre Behandlung ab und trat sie in der Folge gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der ergänzten Beschwerde wird unter anderem vorgetragen, dass die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung den Bestimmungen des "EWR-Abkommens über die Kapitalverkehrsfreiheit" widerspräche.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof legte mit dem Beschluss vom 19. Oktober 2001, Zl. 2000/02/0288, dem Europäischen Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vor:

"1. Sind Art. 12 EG (früher Art. 6 EGV) und Art. 56 ff EG (früher Art. 73b ff EGV) so auszulegen, dass Regelungen, durch die der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken im allgemeinen Interesse der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen ist, im Hinblick auf die in einer anzuwendenden Rechtsvorschrift der Europäischen Union garantierten Grundfreiheiten, insbesondere die Freiheit des Kapitalverkehrs, auch gegenüber Mitgliedstaaten des EWR im Sinne von "dritten Ländern" gemäß Art. 56 Abs. 1 EG (früher Art. 73b EGV) zulässig sind?

2. Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:

Sind Art. 12 EG (früher Art. 6 EGV) und Art. 56 ff EG (früher Art. 73b ff EGV) so auszulegen, dass dadurch, dass die Beschwerdeführer sich unter Anwendung des (Vorarlberger) Gesetzes über den Verkehr mit Grundstücken (Grundverkehrsgesetz), LGBl. für Vorarlberg Nr. 61/1993 - in der Folge VGVG 1993 - beim Verkehr von landwirtschaftlichen Grundstücken schon vor der Einverleibung des Eigentumsrechts im Grundbuch einem "Genehmigungsverfahren" zu stellen hatten, gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen wird und die Beschwerdeführer in einer durch auch gegenüber Mitgliedstaaten des EWR im Sinne von "dritten Ländern" gemäß Art. 56 Abs. 1 EG (früher Art. 73b EGV) anzuwendenden Rechtsvorschriften der Europäischen Union garantierten Grundfreiheit verletzt wurden?"

Mit Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 23. September 2003, Rechtssache C-452/01 , wurden diese Fragen folgendermaßen beantwortet:

"1. Vorschriften wie die des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes vom 23. September 1993 in seiner geänderten Fassung, durch die der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterworfen ist, müssen im Fall einer Transaktion zwischen Staatsangehörigen von Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 anhand von Artikel 40 und Anhang XII dieses Abkommens beurteilt werden, die dieselbe rechtliche Tragweite wie die im Wesentlichen identischen Bestimmungen von

Artikel 73b EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG) aufweisen.

2. Artikel 73b EG-Vertrag sowie die Artikel 73c, 73d, 73f und 73g EG-Vertrag (jetzt Artikel 57 EG bis 60 EG) verwehren es nicht, dass der Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke von der Erteilung einer vorherigen Genehmigung, wie sie das Vorarlberger Grundverkehrsgesetz vorsieht, abhängig gemacht wird. Sie verbieten es jedoch, dass diese Genehmigung in jedem Fall versagt wird, wenn der Erwerber die betreffenden Grundstücke nicht selbst im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet und im Betrieb seinen Wohnsitz hat."

Die für den gegenständlichen Fall wesentlichen Entscheidungsgründe lauten:

"46 Allerdings darf der gewählte Mechanismus der vorherigen Genehmigung in seinen Modalitäten und inhaltlichen Voraussetzungen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Zieles erforderlich ist.

47 Eine der im VGVG aufgestellten Voraussetzungen entspricht diesen Anforderungen nicht vollständig.

48 Das VGVG beruht zwar auf Kriterien, die es den betroffenen Anlegern ermöglichen, von den konkreten und objektiven Umständen Kenntnis zu nehmen, unter denen ihrem Antrag stattgegeben wird (vgl. dazu Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 50), doch macht § 5 Absatz 1 lit. a VGVG den Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke von einer restriktiven Voraussetzung abhängig, die nicht in jedem Fall im Hinblick auf die mit dem VGVG verfolgten Ziele erforderlich ist.

49 Im Ausgangsverfahren wurde die Transaktion zwischen Frau O und der Stiftung nach § 5 Absatz 1 lit. a VGVG nicht genehmigt, da die Stiftung keinen landwirtschaftlichen Betrieb führe, überdies auch nicht die Absicht habe, dies zu tun, und weil der Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken in der Absicht, sie erneut an Landwirte zu verpachten, dem Ziel des VGVG widerspreche, zu gewährleisten, dass die Erwerber landwirtschaftlicher Grundstücke selbst die Betreiber seien. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat ausgeführt, dass diese Gründe auch dann gälten, wenn die betroffenen Grundstücke wie im Ausgangsfall vor der Transaktion von anderen Personen als dem Eigentümer bewirtschaftet worden seien. Die zuständige Stelle hat sich bei dieser Entscheidung offenbar darauf gestützt, dass die in § 5 Absatz 1 lit. a VGVG aufgestellte Voraussetzung, dass der Erwerber das Grundstück im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaften und im Betrieb auch seinen Wohnsitz haben muss, nicht erfüllt ist.

50 Wenn aber das VGVG von den nationalen Stellen so ausgelegt würde, dass es die Erteilung der vorherigen Genehmigung zur Eigentumsübertragung in jedem Fall von der Beachtung dieser Voraussetzung abhängig macht, dann ginge es über das hinaus, was zur Erreichung der mit ihm verfolgten, im Allgemeininteresse liegenden Ziele erforderlich ist und müsste insoweit als mit dem freien Kapitalverkehr unvereinbar angesehen werden.

51 Wenn nämlich in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens das Grundstück, das veräußert wird, zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht von dem Eigentümer, sondern von einem Landwirt als Pächter bewirtschaftet wird, dann steht eine solche Voraussetzung einer Transaktion in Form der Veräußerung an einen neuen Eigentümer entgegen, der den Betrieb ebenfalls nicht bewirtschaften und nicht auf dem Grundstück wohnen würde, sich aber verpflichtet hat, die Bedingungen der Bewirtschaftung des Grundstücks durch denselben Pächter beizubehalten. Durch die Beschränkung der Erwerbs- und Bewirtschaftungsmöglichkeiten auf Landwirte, die über hinreichende Mittel verfügen, um Eigentum an den betreffenden Grundstücken zu erwerben, hat diese Voraussetzung demnach zur Folge, dass die Pachtmöglichkeiten für Landwirte, die nicht über solche Mittel verfügen, eingeschränkt werden. Im Übrigen wird damit ausgeschlossen, dass juristische Personen einschließlich solcher, die Landwirtschaft betreiben sollen, ein landwirtschaftliches Grundstück erwerben können. Sie steht demnach beabsichtigten Veräußerungen entgegen, die als solche die landwirtschaftliche Nutzung und die weitere Bewirtschaftung von Grundstücken durch Landwirte oder juristische Personen wie Zusammenschlüsse von Landwirten in keiner Weise in Frage stellen.

52 Wie die Regierung des Fürstentums Liechtenstein geltend macht, könnten zudem andere Maßnahmen, die den freien Kapitalverkehr in geringerem Maße beeinträchtigten, zum gleichen Ziel des Erhalts einer lebensfähigen landwirtschaftlichen Bevölkerung beitragen. Die Veräußerung von landwirtschaftlichen Grundstücken an eine juristische Person könnte z.B. an besondere Verpflichtungen wie die langfristige Verpachtung des Grundstücks geknüpft werden. Ebenso wären Vorkaufsmechanismen zugunsten der Pächter denkbar, wonach, wenn Letztere nicht das Eigentum erwerben, Erwerbsmöglichkeiten für nicht selbst bewirtschaftende Eigentümer bestehen, die sich verpflichten, die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks beizubehalten.

53 Allerdings sieht das VGVG in § 5 Absatz 1 lit. a vor, dass der Erwerb genehmigt werden kann, auch wenn die in den Randnummern 48 bis 52 des vorliegenden Urteils behandelte Voraussetzung nicht erfüllt ist, soweit dieser Erwerb "der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht". Sofern das VGVG unter Heranziehung dieser Bestimmung von den nationalen Stellen dahin ausgelegt würde, dass die vorherige Genehmigung den Umständen entsprechend anderen Personen als Landwirten, die auf den betreffenden Grundstücken wohnen, erteilt werden kann, wenn sie die erforderlichen Garantien hinsichtlich der Beibehaltung der landwirtschaftlichen Nutzung dieser Grundstücke abgeben, dann beschränkte das VGVG den freien Kapitalverkehr nicht über das hinaus, was zur Erreichung seiner Ziele erforderlich ist."

Im Hinblick auf diese Ausführungen des Urteils, insbesondere dessen Randnummern 49, 50 und 53, hat die belangte Behörde im konkreten Fall § 5 Abs. 1 lit. a VGVG insofern nicht europarechtskonform ausgelegt und damit die Rechtslage verkannt, als sie die Erteilung der Genehmigung zur Eigentumsübertragung in jedem Fall von der Selbstbewirtschaftung der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke abhängig gemacht und aus diesem Grund die angestrebte Genehmigung versagt hat.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. November 2003

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