VwGH 2000/20/0499

VwGH2000/20/049919.12.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Joachim Meixner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 17/2/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Oktober 2000, Zl. SD 354/00, betreffend Entziehung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §60;
WaffG 1996 §10;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs2 Z1;
AVG §60;
WaffG 1996 §10;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer der am 28. Dezember 1995 für zwei Faustfeuerwaffen ausgestellte Waffenpass gemäß § 25 Abs. 3 iVm § 8 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), entzogen.

Zur Begründung dieser Maßnahme knüpfte die belangte Behörde an die in der Berufung nicht bestrittenen Feststellungen der Erstbehörde an, denen die Angaben des Beschwerdeführers in der Niederschrift vom 5. Dezember 1999 zugrunde liegen. Danach habe der Beschwerdeführer in den davor liegenden zwei Jahren cirka achtbis zehnmal Kokain geschnupft. Er sei dazu von "Zufallsbekanntschaften" in diversen Lokalen eingeladen worden. Ein (vor dieser Vernehmung durchgeführter) Urintest habe ein "leicht positives Ergebnis auf Kokain" angezeigt. Daraus folgerte die belangte Behörde rechtlich, angesichts des anzulegenden strengen Maßstabes könne der Beschwerdeführer nicht als verlässlich im Sinne des Waffengesetzes gelten. Wer über einen längeren Zeitraum - wenn auch in größeren Abständen - regelmäßig Suchtgift konsumiere, gewährleiste nicht (mehr) seine waffenrechtliche Verlässlichkeit. Konsumiere jemand Suchtgift, dann komme es ihm gerade darauf an, eine "spürbare" Bewusstseinsbeeinträchtigung herbeizuführen. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer in einem derart beeinträchtigten Zustand eine ihm allenfalls zur Verfügung stehende Waffe missbräuchlich oder leichtfertig verwenden oder damit unvorsichtig umgehen könnte. Die Beteuerung des Beschwerdeführers, keinen Kontakt mit Suchtmitteln mehr zu haben, mache eine positive Zukunftsprognose allein nicht möglich, hafte doch der "Suchtgiftkriminalität" nicht nur eine besondere Gefährlichkeit, sondern auch eine außerordentlich hohe Wiederholungsgefahr an. Auch die vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Gutachten könnten keine Entscheidung "zugunsten des Beschwerdeführers bewirken". Auch wenn nicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 WaffG (gemeint: Vorliegen einer Suchtkrankheit) gegeben seien, könnten auch andere Tatsachen ausreichen, um einer Person die Verlässlichkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG abzusprechen. Eine solche Tatsache sei der mehrfache Suchtgiftkonsum des Beschwerdeführers. Unter Bedachtnahme auf den hier anzulegenden strengen Maßstab, könne vorliegend "nach menschlicher Voraussicht" nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden oder mit Waffen unvorsichtig umgehen könnte. Der Waffenpass - so die belangte Behörde abschließend - sei sohin zu entziehen gewesen, ohne dass der Behörde hierbei Ermessen zugekommen wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Entziehung des Waffenpasses auf § 25 Abs. 3 iVm § 8 Abs. 1 WaffG gestützt. Nach der erstgenannten Bestimmung hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist, was nach § 8 WaffG zu beurteilen ist. Diese Bestimmung lautet - soweit hier relevant - auszugsweise:

"Verlässlichkeit

§ 8. (1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er

  1. 1. Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
  2. 2. mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;

    3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.

(2) Ein Mensch ist keinesfalls verlässlich, wenn er

1. alkohol- oder suchtkrank ist oder ..."

Im Ergebnis kann der belangten Behörde insofern beigepflichtet werden, als der Verwaltungsgerichtshof auch zum geltenden WaffG in ständiger Rechtsprechung judiziert hat, dass angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes bei der Prüfung der Verlässlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 26. November 2003, Zl. 99/20/0489, mit weiteren Nachweisen).

In dem zitierten Erkenntnis vom 26. November 2003 hat der Verwaltungsgerichtshof in einem mit dem vorliegenden insoweit vergleichbaren Fall zur Frage, ob aufgrund eines mehrjährigen Suchtgiftkonsums das weitere Vorliegen der Verlässlichkeit iSd § 8 WaffG zu verneinen ist, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zusammenfassend Folgendes ausgeführt:

"Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann der von der belangten Behörde herangezogene Suchtgiftkonsum, der keine Suchtkrankheit im Sinne des § 8 Abs. 2 Z 1 WaffG begründet, in der Regel - wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die eine andere Bewertung im Rahmen einer auf die Gesamtpersönlichkeit des Betroffenen abstellenden Beurteilung nach ziehen müssten - nur dann die mangelnde Verlässlichkeit des Betroffenen begründen, wenn der Suchtgiftkonsum einen 'waffenrechtlichen Bezug' aufweist."

Vom Vorliegen einer Suchtkrankheit ist die belangte Behörde nicht ausgegangen. Den Feststellungen im angefochtenen Bescheid können aber auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass in Bezug auf den Beschwerdeführer die (oben in der Parenthese genannten) besonderen Umstände gegeben wären oder, dass der Suchtgiftkonsum des Beschwerdeführers einen "waffenrechtlichen Bezug" (im Sinne der weiteren Ausführungen in dem erwähnten Erkenntnis) aufgewiesen, der Beschwerdeführer also etwa die Waffe in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand geführt hätte (vgl. idS zum Alkoholkonsum das Erkenntnis vom 17. September 2003, Zl. 2001/20/0020, mwN). Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Umstand, dass er Exekutivbeamter sei, vermag allerdings für sich genommen in Bezug auf die Frage der Verlässlichkeit im vorliegenden Fall weder zu seinem Vorteil noch zu seinem Nachteil auszuschlagen. Im Übrigen verweist die Beschwerde aber zu Recht auf das im Berufungsverfahren vorgelegte Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 18. April 2000, dem laborchemische Blutbefunde, eine toxikologische Harnuntersuchung sowie eine klinisch psychiatrische und eine testpsychologische Untersuchung zugrunde gelegt worden seien. Danach hätten sich beim Beschwerdeführer keine Hinweise auf Drogen- und Alkoholeinnahmen oder Entzugsbeschwerden ergeben und es bestehe kein Grund, den Besitz oder das Führen von Schusswaffen zu verbieten. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage hätte sich die belangte Behörde bei ihrer Zukunftsprognose über diese aus medizinischer Sicht vorgenommene Einschätzung nicht ohne Weiteres - mit dem Hinweis auf generelle Erfahrungssätze in Bezug auf die "Suchtgiftkriminalität" - hinweg setzen dürfen, sondern sich damit konkret und fallbezogen (gegebenenfalls unter Einbeziehung der Ergebnisse des vom Beschwerdeführer erwähnten Disziplinarverfahrens) befassen müssen.

Insgesamt beruht die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Auffassung somit auf einer Verkennung der Rechtslage, weshalb dieser Berufungsbescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, wobei eine Umrechnung der nach § 24 Abs. 3 VwGG entrichteten Gebühr vorzunehmen war.

Wien, am 17. Dezember 2003

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