VwGH 2002/18/0072

VwGH2002/18/00725.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M in I, geboren 1972, vertreten durch Dr. Gerhard Thaler und Mag. Josef Kunzenmann, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Leopoldstraße 16/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 7. März 2002, Zl. III 4033-23/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 7. März 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 sowie den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Mit rechtskräftigem Urteil der Landesgerichtes Innsbruck vom 21. Dezember 2001 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130 erster Fall StGB mit einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten belegt worden. Dem Urteil liege folgender Schuldspruch zu Grunde (Unterstreichungen im Original):

"Die Beschuldigten Mehmed E. (der Beschwerdeführer), Saban S., Sead M. sind schuldig, es haben in M. und V.

1. Mehmed E. und Saban S. im Zeitraum von zumindest 13.03.2001 bis 31.05.2001 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter fremde bewegliche Sachen, nämlich Waren wie Lebensmittel, Toilettenartikel, Getränke etc. unerhobenen, jedenfalls S 25.000,-- übersteigenden Wertes, in wiederholten Zugriffen, nämlich bei mindestens 12 bis 14 Angriffen, Verantwortlichen der Firma W. & D. mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung dieser Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen;

2. Sead M. zumindest von Mitte April 2001 bis 31.05.2001 Mehmed E. und Saban S. in den unter Pkt. 1 genannten Taten in zumindest 5 Fällen dabei unterstützt, die Diebsbeute in einem insgesamt S 25.000,-- übersteigenden Wert zu verheimlichen, wobei er die Hehlerei gewerbsmäßig betrieb."

Der Beschwerdeführer sei im Dezember 1992 als Flüchtling auf Grund des Bosnienkrieges nach Österreich gekommen und habe seither rechtmäßig hier gelebt. Seit 1993 arbeite er auch erlaubt, zuletzt seit 1. Juli 2001 bei der Transportfirma N. in Innsbruck als LKW-Fahrer. Im Jahr 1999 habe der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck eine unbefristete Niederlassungsbewilligung erhalten. Er sei seit 9. Dezember 2000 mit Indira H. verheiratet und habe ein am 10. Juni 2001 geborenes gemeinsames Kind. Die Eltern des Beschwerdeführers und zwei seiner Geschwister lebten in Bosnien, zwei Brüder lebten in der Schweiz. Ein Onkel und zwei Schwestern des Beschwerdeführers lebten in Österreich. An Schulden müsse der Beschwerdeführer derzeit für zwei Kredite monatlich S 5.000,-- (EUR 363,36) zurückzahlen. Einen Kredit habe der Beschwerdeführer aufgenommen, um seinen Eltern in Bosnien zu helfen, den anderen, um den durch seine strafbaren Handlungen verursachten Schaden zu ersetzen. Es werde davon ausgegangen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers über seine wirtschaftliche Situation bzw. die seiner Familie zutreffe.

Das Gesamt-Fehlverhalten des Beschwerdeführers zeige deutlich seine negative Einstellung zur Rechtsordnung. Es entstehe der Eindruck, dass er nicht gewillt sei, sein Verhalten den Gesetzen anzupassen. Daraus ergebe sich die berechtigte Folgerung, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Die genannte Verurteilung erfülle den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 dritter Fall FrG.

Im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vor. Die sich im Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele jedoch dringend geboten.

Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet gut integriert und mit intensiven privaten Bindungen versehen. Eine intensive familiäre Bindung bestehe zu seiner im Bundesgebiet ebenfalls gut integrierten Ehefrau und dem gemeinsamen Kleinkind, mit welchen Personen der Beschwerdeführer in Innsbruck in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Die Integration sei jedoch in ihrer sozialen Komponente durch die schweren Straftaten des Beschwerdeführers beeinträchtigt. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen daher höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb dieses auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.

Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß §§ 38, 35 FrG komme nicht zum Tragen. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche § 39 Abs. 1 FrG.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Feststellung im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21. Dezember 2001 wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls mit einer auf drei Jahre bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten belegt worden. Er bestreitet auch nicht, dass er - entsprechend den Feststellungen des Gerichtes - (gemeinsam mit einem Mittäter) zumindest im Zeitraum vom 13. März 2001 bis zum 31. Mai 2001 wiederholt (in mindestens zwölf bis vierzehn Angriffen) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Waren in einem insgesamt jedenfalls S 25.000,-- übersteigenden Wert gestohlen habe. In Anbetracht dieser unbestrittenen Verurteilung gelangte die belangte Behörde zutreffend zur Auffassung, dass im Beschwerdefall der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 dritter Fall FrG erfüllt worden sei. Das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten rechtfertigt auch die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG, weil durch die geschilderten Straftaten das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/18/0343) gravierend beeinträchtigt wurde. An dieser Beurteilung vermag das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe sich sofort dazu bereit erklärt, eine Schadensgutmachung durchzuführen bzw. er habe gegenüber der geschädigten Firma eine Schadensgutmachung von EUR 8.720,74 anerkannt und hierauf bereits EUR 5.087,10 geleistet, nichts zu ändern.

2.1. Gegen die von der belangten Behörde im Grund des § 37 FrG getroffene Beurteilung bringt der Beschwerdeführer vor, dass er sich über neun Jahre in Österreich aufgehalten habe, ohne dass er straffällig geworden sei. Es habe sich "beim Vorfall" um eine einmalige Sache gehandelt. Er führe mit seiner Gattin und seinem Kleinkind ein gemeinsames Familienleben. Er sei hier integriert, übe einen regelmäßigen Beruf aus und habe den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich. Hätte die belangte Behörde pflichtgemäß weitere Erhebungen vorgenommen, so hätte sich herausgestellt, dass "die Ehegattin seit 10 Jahren aber auch der Fremde selbst seit ihrem Aufenthalt in Österreich seit 9 Jahren ihren (auch österreichischen) Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut haben." Die belangte Behörde sei auch der Frage nicht nachgegangen, "inwieweit die Familie im Falle der Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes finanziell weiter existieren kann." Es sei nicht erhoben worden, welches Einkommen der Beschwerdeführer erziele, wie die Gattin und auch das minderjährige Kind versorgt werde und wie die gesamte wirtschaftliche Lage der Familie sei. Bei rechtsrichtiger Abwägung hätte die belangte Behörde im Hinblick auf den Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zur Ansicht gelangen müssen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 37 FrG unzulässig sei.

2.2. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Dauer des inländischen Aufenthaltes von über neun Jahren sowie das Zusammenleben mit seiner Frau und seinem Kind zugute gehalten. Weiters hat sie berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer in Österreich als LKW-Lenker arbeitet. Zu Recht hat die belangte Behörde aber auf die Minderung der sozialen Komponente der Integration durch die Straftaten des Beschwerdeführers hingewiesen.

Diesen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers steht die Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen durch die Straftaten des Beschwerdeführers gegenüber. Auf Grund der im festgestellten Deliktszeitraum von über zweieinhalb Monaten gewerbsmäßig begangenen, zumindest zwölf bis vierzehn Diebstähle von Waren in einem insgesamt jedenfalls S 25.000,-- übersteigenden Wert und der dadurch bewirkten gewichtigen Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität stößt die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), auf keine Bedenken.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Wiedergutmachung eines Teils des von ihm verursachten Schadens behauptet, bewirkt keine relevante Verschiebung der Interessenlage zu Gunsten des Beschwerdeführers und kann daher zu keinem anderen Ergebnis der Interessenabwägung führen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe für die Kredite, die er zur Unterstützung seiner Eltern in Bosnien sowie für die Wiedergutmachung des von ihm verursachten Schadens aufgenommen habe, Rückzahlungen zu leisten, ist entgegenzuhalten, dass die Erschwerung von Kreditrückzahlungen durch das Aufenthaltsverbot nicht als erhebliche Beeinträchtigung der Lebenssituation des Fremden und seiner Familie gewertet werden kann. Wenn der Beschwerdeführer schließlich darauf hinweist, dass er im Fall einer Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes nicht im bislang möglichen Ausmaß zum Unterhalt seines Kindes und seiner Frau beitragen könne, so ist er darauf zu verweisen, dass - sollten seine Frau und das Kind in Österreich bleiben - die allenfalls mit einer erschwerten Erwerbsmöglichkeit im Ausland verbundene Schmälerung des Unterhalts im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden müsste. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, 99/18/0451.)

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 5. April 2002

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