VwGH 2002/16/0237

VwGH2002/16/02376.11.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über den Antrag der S AG in W, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Lugeck 7, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und die unter einem eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 26. Juni 2002, Zl. ABK-S8/02, betreffend Grundsteuer, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §26 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

  1. 1) Dem Wiedereinsetzungsantrag wird nicht stattgegeben;
  2. 2) die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

ad 1):

Im Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung wird folgender Sachverhalt behauptet und durch Vorlage einer eidesstättigen Erklärung des geschäftsführenden Gesellschafters der steuerlichen Vertreterin des Beschwerdeführers bescheinigt:

"Der Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 26.06.2002 wurde der Beschwerdeführerin zu Handen der U GmbH am 03.09.2002 zugestellt.

Der geschäftsführende Gesellschafter der U GmbH, Herr Dr. G, ist seit 20.01.1956 als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater tätig. Herr Dr. G trägt in Anbetracht der Wichtigkeit von Rechtsmittelfristen diese selbst in seinem Terminkalender ein. Herrn Dr. G ist dabei seit Beginn seiner Tätigkeit, die, wie oben ausgeführt, seit 20.01.1956 ausgeübt wird, bei der Eintragung und Einhaltung von Fristen noch nie ein Irrtum passiert und es wurde von ihm noch nie eine Frist versäumt.

Bei dem Terminkalender des Herrn Dr. G handelt es sich um einen Kalender, welcher jeweils auf einem Blatt sieben Tage, also eine Woche, darstellt.

Bei Eintragung der sechswöchigen Beschwerdefrist hat Herr Dr. G, wie dies der üblichen Vorgangsweise entspricht, seinen Terminkalender zur Hand genommen und vom Tag der Zustellung, also Dienstag, 03.09.2002, den Kalender sechsmal umgeblättert, um somit den Verlauf und Ablauf der sechswöchigen Frist am sechsten Dienstag nach Zustellung festzustellen. Bei diesem sechsmaligen Umblättern in seinem Terminkalender passierte Herrn Dr. G das Missgeschick, dass er bei einem solchen Umblättervorgang statt einer Kalenderseite zwei Seiten erwischte, so als vermeintliches Fristende Dienstag, 22.10.2002, eintrug.

Das Versehen wurde am 17.10.2002 offenbar, als Herr Dr. G gemeinsam mit dem umseits ausgewiesenen Rechtsanwalt die nachfolgende Beschwerde vorbereitete."

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist die Bewilligung einer Wiedereinsetzung u.a. ausgeschlossen, wenn ein Verhalten vorliegt, das den minderen Grad eines Versehens (= leichte Fahrlässigkeit) überschreitet. Nach ständiger hg. Judikatur ist dabei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige Personen (vgl. dazu z.B. die hg. Beschlüsse vom 27. Jänner 1999, Zl. 98/16/0290, und vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0337 u.a.).

Im vorliegenden Fall ist in Anwendung dieses strengeren Maßstabes das Vorbringen zu beurteilen, der geschäftsführende Gesellschafter der steuerlichen Vertreterin des Beschwerdeführers habe die sechs-wöchige Beschwerdefrist durch "sechsmaliges Umblättern" in seinem Terminkalender fixiert, wobei es ihm passiert sei, dass er statt einer Kalenderseite "zwei erwischte". Dieser Fall ist dem (mit hg. Beschluss vom 26. Mai 1999, Zl. 99/03/0029 entschiedenen) Fall vergleichbar, in dem es um "Hörfehler oder andere Fehler und Missverständnisse" ging, die nie auszuschließen sind. Ebenso wie dort das Treffen geeigneter Maßnahmen gefordert wurde, um derartige Fehler auszuschließen, muss hier verlangt werden, dass die durch das bloße Umblättern von Kalenderseiten vorgenommene Ermittlung des Endes der Beschwerdefrist (wobei immer Fehler wie der behauptete unterlaufen können) durch eine andere geeignete, zumutbare Maßnahme kontrolliert wird, z.B. durch das rechnerische Ermitteln des Endes der Beschwerdefrist im Wege der Verwendung der Anzahl von 42 Tagen.

Da im Wiedereinsetzungsantrag und in der ihn bescheinigenden Erklärung eine solche Kontrollmaßnahme nicht einmal behauptet wird, ist davon auszugehen, dass sie gar nicht gesetzt wurde, weshalb von einem minderen Grad des Versehens nicht mehr gesprochen werden kann.

Der Wiedereinsetzungsantrag war daher abzuweisen. ad 2):

Mit Rücksicht auf das im Wiedereinsetzungsantrag genannte Zustelldatum (3. September 2002) und die sechs-wöchige Beschwerdefrist gemäß § 26 Abs. 1 VwGG ist die erst am 18. Oktober 2002 zur Post gegebene Beschwerde verspätet und daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 6. November 2002

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