Normen
ARB1/80 Art7;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §6 Abs1 Z3;
FrG 1997 §6 Abs5;
EMRK Art8;
ARB1/80 Art7;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §6 Abs1 Z3;
FrG 1997 §6 Abs5;
EMRK Art8;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. Oktober 2001 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei mit einem vom 24. Mai 2000 bis 24. August 2000 gültigen, von der österreichischen Vertretungsbehörde in Istanbul ausgestellten Visum C in das Bundesgebiet eingereist. Nach Ablauf dieses Sichtvermerks sei sie jedoch nicht ausgereist, sondern habe ihren Aufenthalt im Bundesgebiet unrechtmäßig fortgesetzt. Während ihres Aufenthalts habe sie einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingebracht, dieses Verfahren sei beim Amt der Wiener Landesregierung anhängig. Diese bloße Antragstellung vermöge jedoch ihren Aufenthalt nicht zu legalisieren, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 37 Abs. 1 leg. cit. - im Grund des § 33 Abs. 1 FrG gegeben seien.
Die Beschwerdeführerin sei verheiratet und für ein Kind sorgepflichtig. Das Kind sei mit ihr gemeinsam eingereist, der Ehegatte sei zum unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Zweifelsfrei sei daher von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen gewesen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Der nicht bloß kurzfristige Weiterverbleib im Bundesgebiet im Anschluss an einen Sichtvermerk beeinträchtige dieses öffentliche Interesse maßgeblich. Das Gewicht der familiären Bindungen der Beschwerdeführerin werde darüber hinaus dadurch gemindert, dass sie bei ihrer Einreise weder zum ständigen Verbleib im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei noch mit einem solchen habe rechnen dürfen. Daran habe auch der eingebrachte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nichts ändern können, weil - von wenigen hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - die Beantragung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich vor der Einreise vom Ausland aus zu erfolgen habe und ein Fremder die Erteilung des Aufenthaltstitels auch im Ausland abwarten solle (§ 14 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG). Der Antrag werde daher abzuweisen sein, und die Beschwerdeführerin sei unter den gegebenen Umständen nicht in der Lage, ihren Aufenthalt im Bundesgebiet vom Inland aus zu legalisieren. Solcherart könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Erlassung der Ausweisung dringend geboten und sohin im Sinn des § 37 Abs. 1 leg. cit. zulässig sei.
Auch die Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 (ARB) stünden dem nicht entgegen. Gemäß dessen Art. 7 hätten die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitsnehmers, die die Genehmigung erhalten hätten, zu ihm zu ziehen, a) vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz hätten;
b) freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz hätten. Art. 7 ARB regle nicht den Familiennachzug, sondern nur die beschäftigungsrechtliche Stellung der Familienangehörigen, die nach anderen Rechtsgrundlagen der Mitgliedstaaten die Genehmigung erhalten hätten, zu einem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen. Türkische Staatsangehörige hätten keine Freizügigkeit gemäß Art. 48 des EG-Vertrages und des zu seiner Durchführung ergangenen sekundären Gemeinschaftsrechts, weil die Türkei nicht dieser Gemeinschaft angehöre. Das der Beschwerdeführerin erteilte Reisevisum C stelle keine Genehmigung an sie dar, zu ihrem Ehegatten zu ziehen. Ihr Hinweis auf das Assoziationsabkommen gehe daher ebenso fehl wie der Hinweis auf das Gemeinschaftsrecht.
Da sonst keine besonderen, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung der Ausweisung auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können. Die geltend gemachte schwere Erkrankung des Kindes stelle einen solchen Umstand nicht dar, weil die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde des Wilhelminenspitals lediglich von einem Harnwegsinfekt, einer Mundschleimhautentzündung und einer Eisenmangelanämie des Kindes sprächen. Eine Beurteilung durch den Chefarzt der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) habe nach telefonischer Rücksprache mit den behandelnden Ärzten des Wilhelminenspitals ergeben, dass es sich hiebei um keine schweren Erkrankungen, die - wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht - äußerst selten vorkämen und in der Türkei nicht behandelt werden könnten, handle. Der Beschwerdeführerin sei diese chefärztliche Beurteilung zur Kenntnis gebracht worden, sie habe dazu jedoch keine Stellungnahme abgegeben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass die Beschwerdeführerin nach Ablauf des ihr für den Zeitraum vom 24. Mai 2000 bis 24. August 2000 erteilten Visums C das Bundesgebiet nicht verlassen habe, und behauptet auch nicht, dass der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Vor diesem Hintergrund begegnet die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG verwirklicht sei, keinem Einwand.
2.1. Die Beschwerde bekämpft indes den angefochtenen Bescheid im Licht des § 37 FrG und bringt vor, die belangte Behörde habe keine nachvollziehbare Interessenabwägung vorgenommen und der Umstand, dass die Beschwerdeführerin nach Ablauf des besagten Visums nicht ausgereist sei, stelle keine Gefährdung öffentlicher Interessen dar. Auch werde durch die Ausweisung der Beschwerdeführerin die Entscheidung des Magistrats der Stadt Wien über ihren Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vorweggenommen. Darüber hinaus sei ihr Ehegatte bereits seit fast 15 Jahren ununterbrochen in Österreich niedergelassen, werde ihr von diesem Naturalunterhalt gewährt und würde sie infolge ihrer Ausweisung von ihrem dreijährigen Kind, das mit ihr eingereist, aber nicht ebenso wie sie ausgewiesen worden sei, getrennt. Ferner wären für sie und ihren Ehegatten, sollte dieser an sie Geldunterhalt ins Ausland leisten müssen, wesentliche Verschlechterungen verbunden, insbesondere wegen der damit verbundenen Überweisungsspesen und zeitlichen Verzögerungen. Auch genieße sie in Österreich nach ihrem Ehegatten gemäß ASVG vollen Krankenversicherungsschutz und allenfalls Vorteile aus der Pensionsversicherung und müsste sie bei ihrer Ausreise hier begonnene ärztliche Behandlungen abbrechen. Schließlich beinhalte der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 einen Schutz türkischer Staatsangehöriger, die - wie die Beschwerdeführerin - lediglich gegen Formalbestimmungen des FrG verstoßen hätten, vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen und seien diese auch nach Gemeinschaftsrecht, nämlich der Richtlinie 64/221/EWG , nicht gerechtfertigt.
2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Die belangte Behörde hat unter Zugrundelegung der - unbestrittenen - Feststellungen zur Dauer des Aufenthalts und zu den familiären Bindungen der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Ebenso zutreffend hat sie jedoch die Auffassung vertreten, dass den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Verbleib in Österreich keine solche Bedeutung zukomme, dass ihre Ausweisung nicht dringend geboten wäre. Das hier maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten weist aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) einen hohen Stellenwert auf (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 98/18/0219, mwN). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin, die sich lediglich während der Gültigkeitsdauer des ihr erteilten Visums bis 24. August 2000 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, durch ihren daran anschließenden unrechtmäßigen Aufenthalt von mehr als 13 Monaten bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblich beeinträchtigt. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang den Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 (ARB) ins Treffen führt, ist ihr zu entgegnen, dass sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch der Beschwerde Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Beschwerdeführerin zu dem im Art. 6 ARB näher umschriebenen Personenkreis unselbstständig Erwerbstätiger gehöre oder dass sie alle Voraussetzungen des Art. 7 ARB erfülle, zumal die Erteilung eines Reisevisums (vgl. § 6 Abs. 1 Z. 3, Abs. 5 zweiter Satz FrG) keine Genehmigung im Sinn des Art. 7 ARB darstellt, zu dem dem regulären inländischen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Ehegatten zu ziehen. Abgesehen davon regelt diese Bestimmung nicht den Familiennachzug und ist auch der Beschwerdehinweis auf die Richtlinie des Rates vom 25. Februar 1964, 64/221/EWG, verfehlt. Dazu wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/18/0424, verwiesen.
Ferner kann dem im Hinblick auf das Gebot der Achtung des Privat- und Familienlebens im § 37 Abs. 1 FrG verankerten Ausweisungshindernis auch nicht die Bedeutung unterstellt werden, es wäre für Fremde zulässig, sich durch die Missachtung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften und die derart bewirkten privaten und familiären Beziehungen im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen, und kann aus Art. 8 EMRK ein allgemeines Recht des Fremden auf Familienzusammenführung in einem bestimmten Staat bzw. eine allgemeine Verpflichtung des Staates, eine Familienzusammenführung auf seinem Gebiet zuzulassen, nicht abgeleitet werden (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 98/18/0424).
Im Übrigen ist mit dem weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin, nicht gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz verstoßen zu haben, für ihren Standpunkt im Grund des § 37 Abs. 1 FrG nichts gewonnen, weil derartige Umstände weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge haben. Dem Beschwerdehinweis auf ihre familiären Bindungen in Österreich ist zu erwidern, dass die mit dieser Maßnahme verbundene Situation - ebenso wie der von ihr behauptete allfällige Aufwand bei Geldunterhaltsüberweisungen in das Ausland und der Verlust von allfälligen Vorteilen nach dem ASVG - von ihr im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden muss, zumal kein zwingender Grund dafür zu erkennen ist, dass die Beschwerdeführerin nicht von ihrem minderjährigen Kind, das mit ihr nach Österreich gekommen ist, wieder zurück in das Ausland begleitet werden könnte. Im Übrigen bestreitet die Beschwerde die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass die Erkrankung des Kindes der Beschwerdeführerin nicht schwerwiegend sei (vgl. I.1.), nicht und wird von ihr weder behauptet noch bestehen sonstige Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine Behandlung des Kindes nur in Österreich möglich wäre.
Wenn die Beschwerde das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 2001, B 394/01 u.a., ins Treffen führt, so ist der diesem Erkenntnis zu Grunde liegende Beschwerdefall mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. So hielt sich in jenem Beschwerdefall - anders als im vorliegenden Fall - die Erstbeschwerdeführerin bei Erlassung des im Instanzenzug ergangenen Ausweisungsbescheides bereits mehr als sieben Jahre im Bundesgebiet auf und wurden die übrigen Beschwerdeführer, ihre minderjährigen Kinder, in Österreich geboren, welche Umstände der Verfassungsgerichtshof für seine Entscheidung für maßgeblich erachtete.
Schließlich ist auch das Beschwerdevorbringen, dass mit der vorliegenden Ausweisung im Hinblick auf § 12 Abs. 3 FrG die Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vorweggenommen werde und dieser Umstand im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen sei, nicht zielführend, erfüllte doch die Beschwerdeführerin, die den Antrag auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels während ihres unrechtmäßigen Aufenthalts im Inland stellte, die Voraussetzungen für eine Antragstellung im Inland (vgl. § 14 Abs. 2 FrG) nicht und ist die Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels im Ausland abzuwarten (vgl. zum letztgenannten Gesichtspunkt etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 99/18/0430, mwN). Auch bestand für die belangte Behörde keine Verpflichtung, mit ihrer Entscheidung bis zur Entscheidung über den besagten Antrag der Beschwerdeführerin zuzuwarten.
Die Auffassung der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 1 FrG der Ausweisung der Beschwerdeführerin nicht entgegenstehe, begegnet somit keinen Bedenken.
3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 22. Jänner 2002
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