VwGH 2001/18/0146

VwGH2001/18/014622.1.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des Sy in H, geboren 1974, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Mai 20001, Zl. SD 1008/00, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36;
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §44;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. Mai 2001 wurde gemäß § 44 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 7. Juli 2000 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid (der Bundespolizeidirektion Wien) vom 24. Februar 1999 erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. August 1998 des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs. 1, § 143 zweiter Fall StGB und des unbefugten Besitzens und Führens einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe nach § 50 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zugrundegelegen, dass er gemeinsam mit einem Mittäter am 29. Jänner 1998 ein Wettbüro überfallen und S 56.000,-- geraubt habe, wobei der Mittäter eine Pistole auf den Angestellten gerichtet habe. Am 9. Februar 1998 habe er neuerlich mit einem anderen Mittäter ein Wettbüro überfallen, eine Pistole, die er unberechtigt besessen und geführt habe, auf die Angestellte gerichtet und einen Geldbetrag von S 7.000,-- geraubt. Dabei habe er jeweils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem jeweiligen Mittäter gehandelt.

Auf Grund dieser Verurteilung sei gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vom 24. Februar 1999, bestätigt mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. Juni 1999, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dabei hätten die familiären und privaten Verhältnisse des Beschwerdeführers vollständig Berücksichtigung gefunden.

Dieser verbüße derzeit seine Strafhaft. Den vorliegenden Antrag habe er mit dem Hinweis auf eine seiner Ansicht nach mittlerweile geänderte Rechtslage begründet. Er bringe seine familiären Umstände vor und vermeine, es entspräche der EMRK, dass er "hierbleiben" könnte, und er wäre nach der derzeitigen Rechtslage als Inländer zu behandeln. Die Türkei wäre ihm fremd, und er lebte seit seinem siebenten Lebensjahr in Österreich.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass ein Antrag gemäß § 44 FrG nicht dazu dienen könne, den Bescheid, mit dem das Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen worden sei, hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Einzig relevant sei, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Gesamtumstände derart zu Gunsten des Beschwerdeführers geändert hätten, dass eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gerechtfertigt wäre. Diese Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor. Eine Änderung der Rechtslage - wie vom Beschwerdeführer behauptet - habe im verfahrensgegenständlichen Zusammenhang nicht stattgefunden, und es sei das Aufenthaltsverbot nach der geltenden Rechtslage erlassen worden. Darüber hinaus könnte eine im Nachhinein erfolgte Änderung der Rechtslage per se geänderte Umstände im Sinn des § 44 leg. cit. nicht darstellen. Der Beschwerdeführer lasse auch völlig unbegründet, worin diese Änderung seiner Ansicht nach gelegen sein sollte.

Angesichts des kurzen, seit Begehung der Straftaten verstrichenen Zeitraumes, den der Beschwerdeführer ohnedies in Haft verbracht habe, bestehe keine Veranlassung, die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gering zu schätzen. Daher sei auch hinsichtlich des Dringend-Geboten-Seins des Aufenthaltsverbotes zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallende Entscheidung ebenso wenig möglich wie eine nunmehr anders lautende Interessenabwägung im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG, zumal sich an seinen privaten Lebensumständen offensichtlich nichts Entscheidungsrelevantes geändert habe. Mangels sonstiger Gründe, die nunmehr besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechen würden, sei auch eine Ermessensentscheidung im Sinn seines Antrages nicht möglich gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund der §§ 37 und 38 FrG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde bei dieser Entscheidung das ihr in § 36 Abs. 1 leg. cit. eingeräumte Ermessen zu üben. Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 13. März 2001, Zl. 98/18/0349, mwN.)

2. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend die vom Beschwerdeführer verübten Straftaten und dessen strafgerichtliche Verurteilung und stellt auch nicht in Abrede, dass er, nachdem der gegen ihn erlassene erstinstanzliche Aufenthaltsbescheid vom 24. Februar 1999 im Instanzenzug mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. Juni 1999 bestätigt worden war, (bereits) am 7. Juli 2000 den Antrag auf Aufhebung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes gestellt hat. Sie bringt indes vor, dass die belangte Behörde die Führung des Beschwerdeführers in der Haftanstalt hätte ermitteln und seinen tadellosen Lebenswandel hätte berücksichtigen müssen. Da sich seine Einstellung infolge der Haft stark geändert habe, hätte die belangte Behörde auf Grund seines Sinneswandels eine für ihn günstige Verhaltensprognose treffen müssen.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Dem besagten Aufenthaltsverbot liegt nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 29. Jänner 1998 ein Wettbüro überfallen und S 56.000,-- geraubt hatte, wobei sein Mittäter eine Pistole auf den Angestellten gerichtet hatte, sowie dass er am 9. Februar 1998 neuerlich mit einem anderen Mittäter ein Wettbüro überfiel, dabei eine von ihm unberechtigt geführte Pistole auf eine Angestellte richtete und S 7.000,-- raubte. Entgegen der Beschwerdeansicht ist der seit der Begehung dieser Straftaten verstrichene Zeitraum noch viel zu kurz, um einen Wegfall oder doch eine wesentliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit annehmen zu können, zumal sich der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen noch in Strafhaft befindet und die in Haft verbrachte Zeit für die Frage eines allfälligen Wohlverhaltens nicht zu berücksichtigen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 2000/18/0213, mwN). Die Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, begegnet daher keinen Bedenken.

Demzufolge liegt der von der Beschwerde behauptete Verfahrensmangel (Unterbleiben von Ermittlungen zur Führung des Beschwerdeführers während der Strafhaft) nicht vor.

4. Ebenso ist das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte im Rahmen der Beurteilung nach § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Hinblick darauf, dass die Ehegattin und die beiden Kinder des Beschwerdeführers in Wien lebten und seine Familie, weil er in der Türkei keine Möglichkeit habe, zu arbeiten, im Fall seiner Abschiebung dorthin zugrunde gehen würde sowie dass seine Verwandten in Österreich lebten und österreichische Staatsbürger seien, das Aufenthaltsverbot aufheben müssen, nicht zielführend. Abgesehen davon, dass die Beschwerde nicht behauptet, dass derartige persönliche Bindungen des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes noch nicht vorgelegen seien und somit von der belangten Behörde damals nicht hätten berücksichtigt werden können, würden diese, selbst wenn es sich dabei um erst nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetretene Umstände handelte, nicht dazu führen, dass im Rahmen der Abwägung im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG das im gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers begründete öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes gegenüber dessen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich in den Hintergrund träte, zumal mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht darüber abgesprochen wurde, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land, etwa in die Türkei, auszureisen habe und dass er (allenfalls) abgeschoben werde.

5. Auch mit dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer im Sinn des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG von klein auf im Inland aufgewachsen sei und die Voraussetzungen dieser Gesetzesbestimmung (bzw. des § 35 Abs. 4 leg. cit.) erfülle sowie dass ihm als assoziationsintegriertem türkischen Staatsangehörigen (Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80) die Richtlinie 64/221/EWG und § 48 FrG zugute kämen, sodass in analoger Anwendung dieser Gesetzesbestimmung, weil er schon seit über zehn Jahren (seit 23. März 1981) in Österreich aufhältig sei, das Aufenthaltsverbot hätte aufgehoben werden müssen, zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Denn auch damit behauptet sie keine Umstände, die erst nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetreten sind und auf die daher von der Behörde nicht bereits anlässlich der Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme hätte Bedacht genommen werden müssen. Im Rahmen der Beurteilung des vorliegend angefochtenen Bescheides kann jedoch, wie oben bereits dargelegt, die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden.

6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Jänner 2002

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