VwGH 2001/18/0219

VwGH2001/18/02196.11.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des LO in Wien, geboren am 16. April 1976, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. August 2001, Zl. SD 599/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. August 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 1. Jänner 2000 illegal nach Österreich gelangt und habe am 3. Jänner 2000 einen Asylantrag gestellt, der in erster Instanz am 13. April 2000 abgewiesen worden sei. Eine Berufung gegen diese Entscheidung sei derzeit beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig. Dem Beschwerdeführer komme eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zu.

Am 4. Dezember 2000 sei der Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 Suchtmittelgesetz iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer gewerbsmäßig im Juli 2000 insgesamt ein Gramm Kokain, im Juli oder August 2000 eine unbekannte Menge "Heroin/Kokain" und vor dem 30. August 2000 zumindest ein Gramm "Heroin/Kokain" an jeweils unbekannte Personen verkauft sowie am 30. August 2000 13 Kugeln mit insgesamt 12,7 Gramm (brutto) Heroin für den unmittelbaren Weiterverkauf bereitgehalten habe.

Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei auf Grund dieser Verurteilung verwirklicht. Das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit (das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität) in erheblichem Ausmaß, sodass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Der Beschwerdeführer sei nach seinen eigenen Angaben verheiratet. Seine Familienangehörigen lebten allerdings nicht im Bundesgebiet. Einem Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung zufolge sei der Beschwerdeführer im Zeitraum von 7. Februar bis 2. April 2001 an sieben einzelnen Tagen als geringfügig Beschäftigter für die Magistratsabteilung 48 tätig gewesen. Ausgehend davon, dass das Aufenthaltsverbot auf Grund dieser Umstände mit einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden sei, sei diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte Dritter, Schutz der Gesundheit) dringend geboten. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung, aus dem einmaligen Versuch eines Delikts könnte nicht auf eine negative Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung geschlossen werden, sei entgegenzuhalten, dass er auch wegen vollendeter Tatbegehung rechtskräftig verurteilt worden sei. Das der Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten liege noch nicht so lange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes eine wesentliche Verringerung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr angenommen werden könnte, zumal bei Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr besonders groß sei. Aus diesem Grund könne auch keine zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallende Verhaltensprognose gestellt werden.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür wesentliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten in ihrem Gewicht gemindert werde. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. In diesem Zusammenhang sei auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten voller sozialer Integration nicht rechtswidrig sei. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe bei ihrer Prognoseentscheidung lediglich auf die bei Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß besonders große Wiederholungsgefahr, somit nur auf generalpräventive Gründe abgestellt. Bei einer auf die Persönlichkeit des Beschwerdeführers Bedacht nehmenden Gefährlichkeitsprognose hätten auch die bereits vom Gericht als mildernd gewerteten Umstände (Geständnis, bisherige Unbescholtenheit, teilweise nur Versuch) berücksichtigt werden müssen. Die belangte Behörde habe diese Umstände jedoch "völlig außer Acht gelassen". Das Gericht habe für den Beschwerdeführer offensichtlich eine günstige Prognose gestellt, weil es den nicht bereits durch Anrechnung der Untersuchungshaft verbüßten Teil der Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen habe.

2.2. Der Beschwerdeführer hat unstrittig Heroin und Kokain in mehreren Angriffen verkauft (wobei es teilweise beim Versuch geblieben ist) und zum Verkauf bereitgehalten. Dabei ging er in der Absicht vor, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig gemäß § 70 StGB). Ungeachtet der vorgebrachten Umstände, dass der Beschwerdeführer seine Taten gestanden habe und er bisher nur einmal verurteilt worden sei, zeigt die gewerbsmäßige Vorgangsweise und die wiederholte Tatbegehung (bzw. versuchte Begehung), dass die Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß innewohnende Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0107) auch beim Beschwerdeführer gegeben ist. Nach dem Gesagten kann die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, auch unter Berücksichtigung der in der Beschwerde vorgebrachten Umstände nicht als rechtswidrig erkannt werden, weshalb dem geltend gemachten Verfahrensmangel keine Relevanz zukommt.

Soweit der Beschwerdeführer die bedingte Nachsicht eines Teils der Strafe ins Treffen führt, ist ihm zu entgegnen, dass die Fremdenpolizeibehörde die Frage des Dringend-Geboten-Seins eines Aufenthaltsverbotes unabhängig von den die Strafbemessung und die teilbedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichts und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdengesetzes zu beurteilen hat, wobei sich schon aus § 36 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG ergibt, dass auch eine zum Teil bedingt nachgesehene Strafe ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 98/18/0250).

3. Gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), bestehen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er liefe in seiner Heimat Gefahr, als Mitglied einer gegen die Unterdrückung durch die Erdölgesellschaften auftretenden Gruppe verfolgt und getötet zu werden, ist entgegenzuhalten, dass mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2001, Zl. 2000/18/0236).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Wien, am 6. November 2001

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