Normen
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §8;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §8;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. Juni 2001 trug der Landeshauptmann von Niederösterreich dem Beschwerdeführer auf, der Kraftfahrbehörde erster Instanz innerhalb von vier Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 des Führerscheingesetzes (FSG) vorzulegen. Als Rechtsgrundlage war § 24 Abs. 4 FSG angegeben. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Niederösterreich aus, der Beschwerdeführer sei mit dem erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf aufgefordert worden, innerhalb von vier Monaten (ab Zustellung) einen neurologischen Befund sowie einen Test über seine kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen vorzulegen, damit der Amtsarzt ein Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen erstellen könne. Da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine besondere bescheidmäßige Aufforderung zur Beibringung von Befunden, die zur Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens für erforderlich erachtet werden, im FSG nicht mehr vorgesehen ist, sei von der Berufungsbehörde zunächst der erstbehördliche Spruch richtig zu stellen gewesen. Auf Grund des Berufungsvorbringens habe der Landeshauptmann von Niederösterreich die Abteilung Gesundheitswesen des Amts der Niederösterreichischen Landesregierung ersucht, eine Stellungnahme zur Frage abzugeben, ob konkrete Anhaltspunkte vorlägen, welche die Vermutung rechtfertigten, es mangle dem Beschwerdeführer derzeit an der gesundheitlichen Eignung, ein Kraftfahrzeug zu lenken. Der Amtssachverständige für Medizin habe darauf am 4. Dezember 2000 mitgeteilt, zu diesem Ersuchen müsse aus amtsärztlicher Sicht festgestellt werden, dass der Verkehrsunfall, an dem nach dem Urteil des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 8. Mai 2000 der Beschwerdeführer die überwiegende Schuld getragen habe, und in welchem Urteil auch eine Äußerung des beigezogenen Sachverständigen, wonach es dem Beschwerdeführer offenbar an Realitätssinn mangle, wiedergegeben werde, nur der Anlass für die in der Folge angeordnete und durchgeführte amtsärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers auf seine gesundheitliche Eignung gewesen sei. Die zuständige Amtsärztin (gemeint: der Erstbehörde) habe sehr wohl eine Untersuchung des Beschwerdeführers vorgenommen und sei zum Schluss gekommen, dass sie eine abschließende Feststellung über den geistigen und körperlichen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers noch nicht treffen könne, sondern ein Hilfsgutachten benötige, welches sowohl über den neurologischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers wie auch über seine Verkehrsangepasstheit aus fachlicher Sicht Auskunft gebe. Es sei der Amtsärztin als Allgemeinmedizinerin nicht möglich, in diesem Falle ein ausreichend fachlich fundiertes Gutachten über die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers abzugeben. Leider liege das Ergebnis der von der Amtsärztin vorgenommenen körperlichen Untersuchung nicht vor, sodass nicht klar nachvollzogen werden könne, was sie zur Forderung nach einer verkehrspsychologischen Untersuchung veranlasst habe. Über Aufforderung habe die Amtsärztin der Erstbehörde daraufhin mit Schreiben vom 15. Jänner 2001 mitgeteilt, der Beschwerdeführer sei am 25. Juli 2000 amtsärztlich untersucht worden. Die Zusammenfassung dieser Untersuchung gibt der Landeshauptmann von Niederösterreich wörtlich wie folgt wieder:
"1.) Vorerkrankungen:
CCE, AE, TUR/P.
Ho ist Obgenannter seit dem Jahre 1983 bekannt. Es besteht eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (Finanzamt Gänserndorf) von 50 % dauernd, Spondylarthrose der HWS und BWS, Zustand nach Schulterblatt-Schussbruch, (20.1.1983).
2.) Befund:
Wirbelsäule klopfdolent, Kyphoskoliose, Atmung: Ruhedyspnoe,
Lippenzyanose
RR: 195/112, Puls 96 rh, (sehr erregt)
Gliedermaßen: frei beweglich, Kniegelenksabnützung bds.
Nervensystem: Reflexe (Patella) verlangsamt,
Fingertremor bds.
Starke psychische Auffälligkeit!
Visus: 6/8 bds. tws.
Gehör: laute Umgangssprache wird gehört
Gang: breitbeinig unsicher
Sprache: laut, polternd, perseverierend, abschweifend
Klin. Gesamteindruck: körperlich eingeschränkt - WS u. Gelenks-Abnützungen
Zuweisung:
- 1.) ad Neurologe
- 2.) ad verkehrspsych. GA
- 3.) Gutachten:
Bei Herrn F(...) besteht nach ho. Ansicht eine paranoide Realitätssicht. Eine Auseinandersetzung mit dem Anlassfall der aä Untersuchung, konnte nicht erreicht werden. Einfache testpsych. Untersuchungsmethoden, wie Mini Mental-Status wurden verweigert, bzw. die Versuchsanordnung geistig nicht verstanden.
Es besteht der hochgradige Verdacht auf ein hirnorganisches Psychosyndrom, er ist in der Stimmung gespannt, dysphorisch, gereizt, leicht aufbrausend und geistig massiv verlangsamt."
Daraufhin habe der Amtssachverständige für Medizin der Abteilung Gesundheitswesen am 6. Februar 2001 eine abschließende Stellungnahme abgegeben, wonach sich aus seiner Sicht auf Grund der Feststellungen der erstuntersuchenden Amtsärztin sehr wohl Bedenken ergäben, dass es dem Beschwerdeführer an der kraftfahrspezifischen psychologischen und neurologischen Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges mangeln könnte. Eine massive Verlangsamung im Reaktionsvermögen und in der Gedankenführung auf Grund eines möglicherweise vorliegenden hirnorganischen Psychosyndroms wäre sehr wohl ein Mangel der kraftfahrspezifischen gesundheitlichen Eignung, und das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines derartigen Gesundheitsmangels sei durch eine Fachuntersuchung nachzuweisen. Im Hinblick auf diese Stellungnahme des Amtssachverständigen, an deren Schlüssigkeit und Richtigkeit die Behörde keinen Anlass zu zweifeln habe und der Tatsache, dass der Beschwerdeführer dem nichts auf gleicher fachlicher Ebene entgegen gesetzt habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen und zwar unabhängig vom Ausgang des beim Bezirksgericht Gänserndorf anhängigen Verfahrens.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):
"§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
...
§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. ... .
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen. ...
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
- 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
- 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.
...
(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 ... einzuholen.
...
§ 26.
...
(5) Leistet der Besitzer einer Lenkberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 beizubringen, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides keine Folge, so ist ihm die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung der Gutachten zu entziehen."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) lauten (auszugsweise):
"§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:
...
4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 ...
...
§ 13. (1) Als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 gelten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mit beurteilt."
Vorauszuschicken ist zunächst, dass die Geltendmachung der Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten in einer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde - und damit auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei durch den angefochtenen Bescheid im Gleichheitsgrundsatz verletzt - verfehlt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 98/11/0202).
Vorauszuschicken ist ferner, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides insofern verfehlt ist, als - überflüssigerweise - die Viermonatsfrist zur Beibringung des Gutachtens verfügt wird (die Sanktion für die Nichtbefolgung der Aufforderung ist auch in Ansehung der Frist im § 26 Abs. 5 FSG geregelt).
Das Schwergewicht des Beschwerdevorbringens geht dahin, die belangte Behörde habe durch Abänderung des Spruches der Erstbehörde die "Sache" des Berufungsverfahrens überschritten. Diese Rüge erweist sich jedoch als unbegründet, weil es auch im Verfahren vor der Behörde erster Instanz darum ging, ob und welche Anordnungen an den Inhaber einer Lenkberechtigung vor Einleitung eines Entziehungsverfahrens zu ergehen hatten. In der im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 99/11/0316), derzufolge nach dem FSG im Gegensatz zum KFG 1967 nur noch die bescheidmäßige Aufforderung zur Beibringung von Gutachten vorgesehen ist, zutreffenden Korrektur des erstbehördlichen Spruches ist demnach keine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers zu erblicken.
Voraussetzung für die Einleitung eines Entziehungsverfahrens im Sinn des § 24 Abs. 1 und 4 FSG sind begründete Zweifel am aufrechten Vorliegen einer der Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung des Inhaltes, wie sie die betreffende Person innehat. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs. 4 sind demnach ua begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber die geistige oder körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr besitzt. In diesem Stadium des Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann. Es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände unter der hiefür notwendigen Mitwirkung des Inhabers der Lenkberechtigung geboten erscheinen lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. August 1999, Zl. 99/11/0149). Derartige begründete Bedenken bestehen im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen amtsärztlichen Äußerungen, insbesondere die vom Amtsarzt der belangten Behörde übernommene Einschätzung der Amtsärztin der Erstbehörde, auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers sei der Verdacht auf das Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms (laut Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch: Bei einer Hirnschädigung auftretendes Syndrom) gegeben. Auch die Einschätzung, dass bei Vorliegen einer massiven Verlangsamung im Reaktionsvermögen und in der Gedankenführung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr bestünde, kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht als unrichtig erkannt werden.
Soweit der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin erblickt, dass der belangten Behörde Verfahrensfehler unterlaufen seien, ist ihm entgegen zu halten, dass mangels jeglichen sachverhaltsbezogenen Vorbringens zur Frage seiner gesundheitlichen Eignung nicht ersichtlich ist, wie die belangte Behörde bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte gelangen können.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.
Wien, am 23. Oktober 2001
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