VwGH 2000/20/0157

VwGH2000/20/015730.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. März 2000, Zl. 215.713/0-XI/38/00, betreffend die Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: SC in Wien, nach eigenen Angaben geboren am 27. Jänner 1982, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3) zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §38 Abs5;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §8;
AVG §60;
AsylG 1997 §38 Abs5;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §8;
AVG §60;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, nach seinen Angaben ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, behauptet, am 27. Jänner 1982 geboren zu sein. Er betrat am 18. Dezember 1999 unter Umgehung der Grenzkontrolle das Bundesgebiet und stellte am 20. Dezember 1999 einen Asylantrag.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. Jänner 2000 wurde der Asylantrag des Mitbeteiligten gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen und zugleich gemäß § 8 AsylG ausgesprochen, seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria sei zulässig.

Das Bundesasylamt begründete die Abweisung des Asylantrages zusammengefasst damit, dass der Mitbeteiligte unrichtige Angaben über alltägliche gesellschaftliche und politische Belange von Sierra Leone gemacht habe und dass ihm wesentliche Kenntnisse über geographische Gegebenheiten in Sierra Leone fehlten. Das Bundesasylamt stellte fest, dass der Mitbeteiligte nicht Staatsangehöriger von Sierra Leone, sondern Staatsangehöriger von Nigeria sei.

Darüber hinaus war dem Mitbeteiligten bereits bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 12. Jänner 2000 unter anderem vorgehalten worden, dass es aufgrund seines Aussehens und seines Auftretens nicht glaubwürdig sei, dass er minderjährig sei. Der Mitbeteiligte sei mindestens zwischen 20 und 25 Jahre alt. Der Mitbeteiligte antwortete auf diesen Vorhalt: "Sind Sie mein Vater, haben Sie mich geboren?"

Das Bundesasylamt traf in dem genannten Bescheid beweiswürdigend die Feststellung, dass der Mitbeteiligte jedenfalls älter als 19 Jahre sei. Es ging bei der Frage der Wirksamkeit der vorzunehmenden Zustellung seines Bescheides nicht mehr davon aus, dass der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 25 Abs. 2 AsylG gesetzlicher Vertreter des Mitbeteiligten sei und stellte daher den genannten Bescheid am 24. Jänner 2000 dem mittlerweile in Wien inhaftierten Mitbeteiligten persönlich zu. Darüber hinaus wurde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden in ihrer Eigenschaft als Fremdenbehörde zur Kenntnis gebracht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte am 28. Jänner 2000 eine Berufung, die am 3. Februar 2000 beim Bundesasylamt einlangte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück. Der Mitbeteiligte sei seinen Angaben zufolge am 27. Jänner 1982 geboren. Gesetzlicher Vertreter des Mitbeteiligten sei daher gemäß § 25 Abs. 2 AsylG der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger, im vorliegenden Fall der Magistrat der Stadt Wien, MA 11, Kompetenzzentrum für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, weil der Mitbeteiligte jedenfalls am 20. Jänner 2000 bereits im Polizeigefangenenhaus Ost in 1080 Wien inhaftiert gewesen sei. Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. Jänner 2000 sei diesem gesetzlichen Vertreter des Mitbeteiligten bisher nicht zugestellt worden. Da kein rechtswirksamer erstinstanzlicher Bescheid vorliege, sei die Berufung des Mitbeteiligten unzulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - gemäß § 38 Abs. 5 AsylG zulässige - Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der fristgerecht erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Der Mitbeteiligte beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den beschwerdeführenden Bundesminister für Inneres zum Ersatz des Aufwandes zu verpflichten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der beschwerdeführende Bundesminister für Inneres beanstandet zu Recht, dass die belangte Behörde sich mit der Feststellung des Bundesasylamtes über das Alter des Mitbeteiligten nicht auseinander setzte, sondern - ohne eine Beweiswürdigung vorzunehmen - im Gegensatz zur Erstbehörde von den Angaben des Mitbeteiligten ausging und so zur Unwirksamkeit des erstinstanzliches Bescheides gelangte.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (vgl. dazu näher Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2, E. 86 ff zu § 60 AVG). Diesem Erfordernis wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht, sodass der Verwaltungsgerichtshof seiner Überprüfungsaufgabe nicht nachkommen kann. Die belangte Behörde hätte darlegen müssen, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse und aufgrund welcher beweiswürdigenden Erwägungen sie - anders als die Asylbehörde erster Instanz - zu dem Ergebnis gelangte, dass der Mitbeteiligte im Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides noch minderjährig war. Die Erwägungen in den Schreiben der belangten Behörde an den Verwaltungsgerichtshof vom 27. Juli 2000 und vom 6. November 2000 und der Verweis auf eine parlamentarische Anfragebeantwortung des Bundesministers für Inneres vom 11. Juli 2000, wonach das Bundesasylamt keine medizinischen Altersfeststellungen durchführe und vom Bundesminister angewiesen worden sei, im Zweifel von der behaupteten Minderjährigkeit eines Antragstellers auszugehen, vermögen die genannten Bescheiderfordernisse nicht zu ersetzen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 30. November 2000

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