VwGH 2000/19/0093

VwGH2000/19/00937.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des 1970 geborenen N K in Wien, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. April 2000, Zl. 112.164/12-III/11/00, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §38;
AVG §69 Abs1 Z3;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §38;
AVG §69 Abs1 Z3;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf die Darstellung des Sachverhaltes im hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2000, Zl. 98/19/0034, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde eine Beschwerde des Beschwerdeführers gegen einen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. März 1997 als unbegründet abgewiesen; der Verwaltungsgerichtshof teilte die Ansicht der belangten Behörde, wonach die vom Beschwerdeführer eingegangene Scheinehe die Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG 1992 und damit den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) verwirkliche.

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid geht übereinstimmend hervor, dass der Beschwerdeführer während dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch seinen Rechtsvertreter einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (nunmehr: Niederlassungsbewilligung) gemäß § 69 Abs. 1 Z 3 AVG eingebracht und diesen damit begründet hatte, dass die dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. März 1997 zu Grunde gelegte Vorfrage vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 15. Juni 1999, Zl. 96/18/0536, anders entschieden worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in diesem Beschluss erkannt, dass das Beschwerdeverfahren über das über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot einzustellen und die Beschwerde gemäß § 114 Abs. 7 iVm Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 als gegenstandslos zu erklären sei. Damit sei das vom Bundesministerium für Inneres im Aufenthaltsbewilligungsverfahren zu Grunde gelegte Aufenthaltsverbot aus dem Rechtsbestand beseitigt und die Vorfrage eines Hinderungsgrundes für die beantragte Aufenthaltsbewilligung (nunmehr Niederlassungsbewilligung) anders zu beurteilen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 69 Abs. 1 AVG ab. Nach Wiedergabe des Gesetzeswortlautes begründete sie dies damit, dass für die Erlassung des Bescheides des Bundesministeriums für Inneres vom 20. März 1997 andere Gründe, welche zur Abweisung der Berufung in dieser Angelegenheit führten, vorgelegen seien. Die Frage hinsichtlich der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für die Republik Österreich gegen den Beschwerdeführer sei für diese Entscheidung nicht relevant gewesen. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne der Inhalt rechtswirksamer genereller Normen nie Tatsache oder Beweismittel sein, das als neu hervorgekommen gewertet werden dürften. Auch ginge die Argumentation in der Annahme fehl, dass es sich bei dem Aufenthaltsverbot um eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG in Bezug auf das Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels handeln würde. Eine Vorfrage sei eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage, über die als Hauptfrage von einer anderen Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, zu entscheiden sei. Der Antrag sei mangels Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes abzuweisen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 Z 3 AVG ist dem Antrag auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Wie in seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens argumentiert der Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde dahin, das Bestehen des Aufenthaltsverbotes habe im Verfahren betreffend die Aufenthaltsbewilligung (Niederlassungsbewilligung) eine Vorfrage dargestellt, die nun durch den zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes anders entschieden worden sei. Die belangte Behörde behaupte unzutreffenderweise im angefochtenen Bescheid, dass das Aufenthaltsverbot für die vormalige Entscheidung nicht relevant gewesen sei. Vorliegendenfalls sei der angezogene Wiederaufnahmetatbestand des § 69 Abs. 1 Z 3 AVG geradezu in "klassischer" Weise verwirklicht. Wenn die so genannte Scheinehe nicht aufenthaltsverbotswürdig sei, sei sie auch nicht über den Umweg des seinerzeitigen Sichtvermerksversagungsgrundes geeignet, der Wiederaufnahme des Verfahrens entgegengehalten zu werden. Schließlich sei auch die Begründung des angefochtenen Bescheides unzureichend, weil die Behörde nicht zur Darstellung bringe, welche konkreten Gründe ihres Erachtens der Versagung der Aufenthaltsbewilligung damals entgegen gestanden seien und sich von den im Wiederaufnahmeantrag vorgebrachten unterschieden. Der Bescheid der belangten Behörde sei nicht nachvollziehbar.

Der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. März 1997 stützte sich in seiner Begründung ausschließlich darauf, dass der Beschwerdeführer die Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG 1992 wegen Eingehens einer Scheinehe verwirklicht habe. Darauf, dass dieser Umstand gegebenenfalls auch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen könne bzw. gerechtfertigt habe, ging dieser Bescheid mit keinem Wort ein. Die Ansicht der belangten Behörde, im vorliegenden Fall rechtfertige die - im Übrigen mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 5. September 1994, 1 C 166/94s, für nichtig erklärte - Eheschließung zum Schein die Versagung der Aufenthaltsbewilligung wurde vom Verwaltungsgerichtshof im vorzitierten hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2000 ausdrücklich bestätigt. Dabei war es für die Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG 1992 ohne jede Bedeutung, ob gegen den Beschwerdeführer auch ein Aufenthaltsverbot verhängt worden war oder nicht (vgl. hingegen in diesem Zusammenhang den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 1 FrG 1992, der auf das Bestehen eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes ausdrücklich abstellt).

Angesichts dessen erweist sich die Beschwerde aber als unbegründet. Bei einer Vorfrage im Sinne der § 38 und § 69 Abs. 1 Z 3 AVG handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine Frage, zu deren Beantwortung die in einer Verwaltungsangelegenheit zu Entscheidung berufene Behörde sachlich nicht zuständig ist, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige, unabdingbare Grundlage bildet und daher von ihr bei ihrer Beschlussfassung berücksichtigt werden muss. Die Frage, ob das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer weiterhin dem Rechtsbestand angehört oder nicht, bildete für die Entscheidung im Verfahren über die Aufenthaltsbewilligung aber keine Grundlage, sie spielte in diesem Verfahren vielmehr überhaupt keine Rolle. Die Behebung des Aufenthaltsverbotes stellt daher auch keinen Wiederaufnahmegrund im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 3 dar, weil es bereits an der Vorfragenqualität mangelt.

Im Übrigen wird auf das bereits mehrfach genannte hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2000 verwiesen, in welchem der Verwaltungsgerichtshof bereits auf Versuche des Beschwerdeführers geantwortet hat, eine Deckungsgleichheit des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG 1992 mit § 18 FrG 1992 herzustellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt aber keine solche Deckungsgleichheit vor, vielmehr ist die Anlegung eines strengeren Maßstabes bei der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung deshalb gerechtfertigt, weil die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes regelmäßig die die Interessen des Fremden stärker beeinträchtigende Maßnahme ist.

Die von der belangten Behörde im vorliegenden Fall vertretene Rechtsansicht, wonach die Frage der Erlassung des Aufenthaltsverbotes für die Entscheidung des Bundesministers für Inneres vom 20. März 1997 überhaupt nicht relevant und somit keinesfalls eine Vorfrage war, weshalb der darauf gestützte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abzuweisen war, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 7. Juli 2000

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