VwGH 2000/18/0149

VwGH2000/18/014921.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des SV, (geboren am 26. Dezember 1980), in Linz, vertreten durch Mag. Marcus Bumberger, Rechtsanwalt in 4021 Linz, Figulystraße 27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 7. März 2000, Zl. St 25/00, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §33;
FrG 1997 §56 Abs2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §33;
FrG 1997 §56 Abs2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 7. März 2000 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 und § 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 3. April 1998 auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrolle aus einem unbekannt gebliebenen Land in das Bundesgebiet gelangt und gebe sich als Staatsangehöriger von Sierra Leone aus. Seine Identität und Staatsangehörigkeit stünden nicht fest, weil er über keine Dokumente verfüge. Sein am 6. April 1998 beim Bundesasylamt eingebrachter Asylantrag sei nach Aufhebung des Bescheides dieser Behörde vom 15. Mai 1998 durch den unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. September 1998 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG als unbegründet abgewiesen und mit diesem Bescheid gemäß § 8 AsylG festgestellt worden, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Sierra Leone zulässig sei. Die vom ihm gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. Oktober 1999 (rechtskräftig seit 14. Oktober 1999) abgewiesen worden.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz (der erstinstanzlichen Behörde) vom 8. Februar 2000 sei der Beschwerdeführer ausgewiesen worden, weil er sich nach Abschluss seines Asylverfahrens ohne jegliche fremdenrechtliche Bewilligung und somit nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte. In seiner Berufung habe er im Wesentlichen ausgeführt, die Behörde hätte das ihr gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumte Ermessen zu seinen Gunsten handhaben müssen, weil er strafrechtlich unbescholten wäre, zum Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet noch minderjährig gewesen wäre und aus einem Bürgerkriegsland stammte. Aus diesen Umständen und seiner ständigen Betreuung durch eine Flüchtlingshilfsorganisation wäre abzuleiten, dass sein Aufenthalt öffentliche Interessen nicht gefährden würde und seine Ausweisung nicht im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK dringend geboten wäre. Zudem wäre auf Grund der Bürgerkriegs- und Menschenrechtssituation und seiner bisher dort erlittenen Verfolgung eine Abschiebung in dieses Land aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen unmöglich. Da er nicht die Möglichkeit hätte, aus Österreich legal in ein anderes Land auszureisen, wäre er zu einer illegalen Ausreise aus Österreich gezwungen. Dies von ihm zu verlangen, würde Amtsmissbrauch darstellen. Die Ausreise aus Österreich wäre absolut unmöglich. Gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates hätte er Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht, in der er die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt hätte. Im Fall der Stattgebung dieses Antrages würde seine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 AsylG wieder aufleben.

Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des Fremdengesetzes führte die belangte Behörde weiter aus, es stehe außer Zweifel, dass sich der Beschwerdeführer nach rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages derzeit ohne Aufenthaltstitel und somit nicht rechtskräftig im Bundesgebiet aufhalte. Schon allein dieser Umstand lasse seine Ausweisung aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, näherhin eines geordneten Fremdenwesen (Art. 8 Abs. 2 EMRK), als dringend geboten erscheinen, weil den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Umso mehr sei seine Ausweisung dringend geboten und auch die Ausübung des dabei eingeräumten Ermessens zu seinem Nachteil gerechtfertigt, wenn man in Betracht ziehe, dass er unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt sei und nicht einmal feststehe, dass er tatsächlich derjenige sei, als welcher er sich ausgebe. Möge sein, dass seine Abschiebung nach Sierra Leone auf Schwierigkeiten stoße, doch sei für den Fall der tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung das Rechtsinstitut des Abschiebungsaufschubs (§ 56 Abs. 2 FrG) vorgesehen. Dass sich bei Effektuierung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme Schwierigkeiten entgegenstellen könnten, dürfe nicht dazu führen, dass von solchen Maßnahmen überhaupt Abstand genommen werde. Sollte der Beschwerdeführer tatsächlich durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 AsylG wiedererlangen, werde die verfügte Ausweisung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 FrG). Das Vorbringen, er stammte aus einem Bürgerkriegsland und könnte aus den Gründen des § 57 FrG nicht in sein Heimatland abgeschoben werden, sei insofern unbeachtlich, als mit einer Ausweisung keine Aussage darüber verbunden sei, dass er in ein bestimmtes Land auszureisen hätte oder dass er allenfalls dorthin abgeschoben würde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Ausführungen der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer am 3. April 1998 auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich eingereist sei, sein am 6. April 1998 beim Bundesasylamt gestellter Asylantrag im Instanzenzug mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. Oktober 1999 (rechtskräftig seit 14. Oktober 1999) abgewiesen worden sei und er sich ohne fremdenrechtliche Bewilligung hier aufhalte. Auf dem Boden der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und der Tatbestand des § 33 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FrG erfüllt sei, keinem Einwand.

2. Die Beschwerde bekämpft indes die von der belangten Behröde nach § 37 Abs. 1 FrG vorgenommene Beurteilung und bringt vor, dass ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführer in Österreich den öffentlichen Interessen nicht zuwiderlaufe und seine Ausweisung daher nicht dringend geboten sei.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Selbst unter der Annahme eines mit der Ausweisung verbundenen Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers wäre im Grund des § 37 Abs. 1 FrG sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht schwerer zu gewichten als das gegenläufige öffentliche Interesse. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. September 1999, Zl. 99/21/0241, mwN) kommt der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seine unter Umgehung der Grenzkontrolle erfolgte Einreise und durch seinen jedenfalls seit rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich erheblich beeinträchtigt.

Wenn die Beschwerde diesem öffentlichen Interesse entgegenhält, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone mit einer konkreten Gefahr für Leib und Leben bzw. seine Gesundheit und körperliche Unversehrtheit verbunden sei, kann dies nicht zu seinen Gunsten ausschlagen. Für die Frage der Rechtmäßigkeit des Ausweisungsbescheides ist es ohne Bedeutung, ob und gegebenenfalls in welchem Staat der Fremde im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 bedroht ist. Denn mit der Erlassung einer Ausweisung ist ausschließlich die Verpflichtung des Fremden verbunden, unverzüglich auszureisen; es wird damit jedoch nicht (auch) ausgesprochen, in welchen Staat er auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde. Die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat stellt sich etwa im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 75 FrG bzw. einer Neurefoulement-Prüfung gemäß § 8 AsylG - im Hinblick darauf wurde nach den insoweit unbestrittenen Ausführungen der belangten Behörde mit dem vorgenannten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. Oktober 1999 (unter einem) bescheidmäßig festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig sei - oder im Rahmen eines Verfahrens betreffend die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 FrG, nicht jedoch im Verfahren betreffend eine Ausweisung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 98/21/0362, mwN). Entgegen der weiteren Beschwerdeansicht hatte somit die belangte Behörde (im angefochtenen Bescheid) nicht darauf einzugehen, ob die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig oder unzulässig sei.

4. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen geht die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte von Amts wegen "die entsprechenden Amnesty International Jahresberichte und sonstige 'Zeitzeugen' einholen müssen", ins Leere.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 21. September 2000

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