VwGH 2000/11/0121

VwGH2000/11/012112.12.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf, Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der Ärztekammer für Wien, vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in 1013 Wien, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. März 2000 (Beschlussdatum 14. März 2000), Zl. MA 15-II-H/8/457/99, betreffend Errichtung eines Ambulatoriums (mitbeteiligte Partei:

M KrankenanstaltenGmbH in W, vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 15), zu Recht erkannt:

Normen

KAG Wr 1987 §4 Abs2 lita;
KAG Wr 1987 §4 Abs2 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. August 1999, Zl. 98/11/0298, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde ein Bescheid der belangten Behörde vom 25. September 1998 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, mit dem der mitbeteiligten Partei die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbstständigen Ambulatoriums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an einem näher bezeichneten Standort im 8. Wiener Gemeindebezirk unter Vorschreibung einer Vielzahl von Nebenbestimmungen erteilt worden war.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei nach § 4 des Wiener Krankenanstaltengesetzes 1987 (WrKAG) neuerlich die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbstständigen Ambulatoriums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an dem im 8. Wiener Gemeindebezirk gelegenen Standort unter Vorschreibung einer Vielzahl von Auflagen erteilt.

In ihrer auf Art. 131 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 4 Abs. 6 WrKAG gestützten Beschwerde macht die beschwerdeführende Partei in Ansehung der im angefochtenen Bescheid positiv beurteilten Bedarfsfrage Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen Aufhebung. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen. Weiters hat die beschwerdeführende Partei mit zwei Schriftsätzen ergänzende Unterlagen und überdies eine Replik vorgelegt. Überdies hat die mitbeteiligte Partei eine weitere Äußerung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die mitbeteiligte Partei vermeint, es fehle an der Berechtigung zur Beschwerdeerhebung, wobei sie zwar selbst unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einräumt, es genüge bei Körperschaften des öffentlichen Rechts das rechtzeitige Einschreiten der durch eine Norm mit der Vertretung nach außen betrauten Stelle, was nach dem Ärztegesetz der Präsident der Ärztekammer für Wien sei, aber bestreitet, es sei die Bevollmächtigung des anwaltlichen Vertreters der beschwerdeführenden Partei innerhalb der Beschwerdefrist durch den Präsidenten des Ärztekammer für Wien erfolgt. Auf dieses Vorbringen war schon deswegen nicht weiter einzugehen, weil der anwaltliche Vertreter der beschwerdeführenden Partei mit der Replik vom 16. November 2000 eine Kopie seiner (rechtzeitigen) Bevollmächtigung durch den Präsidenten der Ärztekammer für Wien vom 5. April 2000 zur Beschwerdeerhebung gegen den angefochtenen Bescheid vom 17. März 2000 vorgelegt hat. Das des Weiteren von der mitbeteiligten Partei "vorsichtshalber" erstattete Vorbringen, es liege gar keine Beschlussfassung eines Organs der Ärztekammer für Wien vor, welches durch keinerlei konkrete Hinweise gestützt wird, wäre schon an sich nicht geeignet, begründete Zweifel an der Berechtigung zur Beschwerdeerhebung zu erwecken. Im Übrigen wurde mit der Replik der beschwerdeführenden Partei auch ein Auszug aus der Niederschrift über die Vollversammlung der Ärztekammer für Wien vom 22. Juni 1998 vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass die Vollversammlung der Ärztekammer als ihr oberstes Organ den (generellen) Beschluss fasste, gegen die Bewilligung der Neugründung von Ambulatorien, sofern der geplante Leistungsumfang von den Ordinationen der niedergelassenen Ärzte erbracht werde, in Ansehung des Bedarfes Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde ist somit zulässig.

Gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Wr. KAG 1987 darf eine Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt unter anderem nur dann erteilt werden, wenn nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem vorgesehenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbstständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag, ein Bedarf gegeben ist.

Ein Bedarf in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn durch die Errichtung des Ambulatoriums die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird. Bei der Prüfung daraufhin sind andere als die in § 4 Abs. 2 lit. a Wr. KAG 1987 genannten Ärzte (Dentisten) und Einrichtungen nicht zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 98/11/0280 mwH).

Der Grund für die Aufhebung des Vorbescheides vom 25. September 1998 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften lag einerseits darin, dass angesichts des grundsätzlich gedeckten Bedarfes hinsichtlich der im gegenständlichen Ambulatorium in Aussicht genommenen ärztlichen Leistungen nicht einwandfrei geklärt war, ob ein solcher Bedarf in Ansehung der geplanten "ausgedehnten Öffnungszeiten" (in den Abendstunden) angenommen werden kann. Ein weiterer Verfahrensmangel wurde in der Frage konstatiert, ob ein Bedarf nach dem Ambulatorium unter dem Gesichtspunkt seiner behindertengerechten Einrichtung erblickt werden könne. In beiden Fragen war das Gutachten, auf welches sich der damals angefochtene Bescheid stützte, mangelhaft.

Die belangte Behörde führte im fortgesetzten Verfahren neuerlich eine Bedarfsprüfung durch. Sie holte mehrere Stellungnahmen und ein weiteres Gutachten ihres ärztlichen Amtssachverständigen ein. In den eingegangenen Stellungnahmen sprachen sich die beschwerdeführende Partei und die Österreichische Dentistenkammer gegen, die Wirtschaftskammer Wien und die Wiener Gebietskrankenkasse für die Annahme eines Bedarfes aus; die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft erhob keine Einwendungen. Der Sachverständige bejahte in seinem Gutachten den Bedarf.

Bei Beantwortung der Bedarfsfrage ist davon auszugehen, ob die Nachfrage nach ärztlichen Leistungen des jeweiligen Fachgebietes durch das Leistungsangebot vor Inbetriebnahme der gegenständlichen Einrichtung gedeckt war. Dass diese Einrichtung - die im Beschwerdefall ihren Betrieb bereits aufgenommen hat - über Patienten in ausreichender Zahl verfügt, ist bei der Prüfung des Bedarfes nach dieser Einrichtung insofern ohne Bedeutung, als diese Patienten durch das bisher bestehende Angebot versorgt wurden bzw. hätten versorgt werden können.

Mit Recht rügt die beschwerdeführende Partei, dass als Einzugsgebiet des Ambulatoriums nur der achte Wiener Gemeindebezirk angenommen worden ist. Die belangte Behörde folgte offensichtlich dem im fortgesetzten Verfahren eingeholten Gutachten ihres ärztlichen Amtssachverständigen vom 5. Jänner 2000, wonach Einzugsgebiet des Ambulatoriums nur der achte Wiener Gemeindebezirk sei und daher bei der Bedarfsprüfung allein die im achten Wiener Gemeindebezirk gelegenen Vertragseinrichtungen, also die niedergelassenen Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und die Dentisten mit Kassenverträgen sowie das Zahnambulatorium der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) heranzuziehen seien. Diese Ausführungen erweisen sich jedoch als nicht schlüssig.

Der ärztliche Amtssachverständige ist nämlich im ersten Verfahrensgang davon ausgegangen, dass das Einzugsgebiet der achten Wiener Gemeindebezirk und die angrenzenden Bezirke sei - die beschwerdeführenden Partei hat stets darauf verwiesen, dass jedenfalls die angrenzenden Bezirke 1., 7. und 9. in die Bedarfsprüfung einzubeziehen wären - und dort ein Überangebot an zahnmedizinischen Einrichtungen bestehe; dennoch bejahte er einen Bedarf wegen der längeren Öffnungszeiten des Ambulatoriums und seiner behindertengerechten Ausstattung. Dabei bezog er sogar Ambulatorien bzw. Vertragseinrichtungen der Wiener Gebietskrankenkasse im sechsten und neunten Wiener Gemeindebezirk in seine Ausführungen ein. Von diesem Einzugsgebiet ist auch die belangte Behörde im den ersten Verfahrensgang abschließenden Bescheid von 25. September 1998, welcher mit hg. Erkenntnis vom 24. August 1999 aufgehoben wurde, ausgegangen.

Im zweiten Verfahrensgang stützte derselbe medizinische Amtssachverständige nunmehr die davon abweichende Auffassung, dass nur die Fachärzte und Dentisten (mit Kassenverträgen) sowie die sonstigen Vertragseinrichtungen der Kassen des achten Wiener Gemeindebezirks für die Bedarfsprüfung zu berücksichtigen seien, auf eine ihm von der mitbeteiligten Partei zur Verfügung gestellte Patientenliste aus den ersten drei Quartalen des Jahres 1999 (in dem das Ambulatorium auf Grund der aufrechten Bewilligung tätig geworden ist), aus der zu entnehmen sei, dass insgesamt 317 Patienten aus dem achten Wiener Gemeindebezirk - dies sei zahlenmässig und nach dem prozentuellen Anteil der Wohnbevölkerung im achten Wiener Gemeindebezirk der größte Anteil - die neue Einrichtung in Anspruch genommen hätten. Diese Darlegungen bilden keine tragfähige Grundlage für die Auffassung, das Einzugsgebiet der gegenständlichen Einrichtung sei ident mit dem achten Wiener Gemeindebezirk. Zum Begriff des Einzugsgebietes wird auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2000, Zl. 99/11/0310 - dies unter Bezugnahme auf § 43 Abs. 2 VwGG - hingewiesen. Die Nachfrage nach zahnärztlichen Leistungen wird in örtlicher Hinsicht im zentralen Stadtgebiet von Wien nicht durch die Grenzen von Gemeindebezirken eingeschränkt. Für eine darauf abstellende Prüfung des Bedarfes fehlt von vornherein jeglicher Anhaltspunkt im Tatsächlichen. An diesen Gegebenheiten orientierte Ermittlungen hat die belangte Behörde nicht angestellt. Ihre Schlussfolgerung, wonach sich die Beschränkung des Einzugsgebietes auf den achten Wiener Gemeindebezirk aus dem Umstand ergebe, dass 26 % der Patienten der gegenständlichen Einrichtung in diesem ihren Wohnsitz hätten, ist nicht nachvollziehbar. Schon allein deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, da unter der Annahme eines größeren Einzugsgebietes der zur Frage der Bedarfsprüfung heranzuziehende Kreis der betroffenen Vertragsfachärzte und sonstigen Einrichtungen mit Kassenverträgen ein weitaus größerer wäre und damit die nur für den achten Wiener Gemeindebezirk vorgenommenen Erhebungen keine taugliche Entscheidungsgrundlage bilden können.

Die an der Zusammensetzung des Patientenkreises des Ambulatoriums (nach Wohnsitzen) ansetzende von der belangten Behörde verwendete Methode ist aber auch zur Lösung der Bedarfsfrage ungeeignet, weil der Umstand, dass das in Konkurrenz zu den sonstigen bestehenden Einrichtungen tretende Ambulatorium über eine ausreichende Anzahl von Patienten verfügt, nach dem oben Gesagten im gegebenen Zusammenhang ohne Bedeutung ist.

Nicht nachvollziehbar erscheint im gegebenen Zusammenhang, dass der ärztliche Amtssachverständige, der in seinem im ersten Rechtsgang erstatteten Gutachten vom 18. November 1997 darauf verwiesen hat, dass das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen von einer solchen Solldichte von mindestens 2827 bis maximal 2947 Personen pro "§ 2 - Kassenvertragseinrichtung" ausgehe und damit ein Überangebot im achten Wiener Gemeindebezirk und den angrenzenden Bezirken gegeben sei, nunmehr in seinem Gutachten vom 5. Jänner 2000, also zwei Jahre später, diese Zahl insoweit zu relativieren versuchte, als er zum Ausdruck brachte, es sei der Bedarf nach dem heutigen Standard der zahnmedizinischen Betreuung gestiegen, wobei er aber dennoch, begrenzt auf den 8. Wiener Gemeindebezirk im Hinblick auf die Zahl der dort niedergelassenen 19 Vertragsfachärzte (ohne Dentisten) zu einer Dichte von bloß 1250 Patienten gelangte.

Auch den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei, mit denen sie sich gegen die (auf Grundlage des Gutachtens des ärztlichen Amtssachverständigen gestützte) Annahme eines Bedarfes im Sinne des Gesetzes durch die belangte Behörde im Hinblick auf die längeren Öffnungszeiten des Ambulatoriums wendet, kann der Erfolg nicht versagt werden.

Im hg. Vorerkenntnis vom 24. August 1999 wurde zum Fragenkomplex der durch das Ambulatorium der mitbeteiligten Partei angebotenen längeren Öffnungszeiten von Montag bis Freitag auch in den späten Abendstunden bis 22.00 Uhr abschließend dargelegt, dass selbst eine nicht bloß vereinzelte Nachfrage nach solchen Behandlungszeiten noch nicht zwingend die Annahme einer erheblichen Versorgungslücke und damit eines Bedarfes im Sinne des Gesetzes nahe legt. Davon könne erst dann die Rede sein, wenn Schmerzpatienten deshalb nicht innerhalb angemessen kurzer Frist versorgt werden könnten, wobei auf das Vorhandensein eines täglichen zahnärztlichen Nachtdienstes (auch Samstag, Sonn- und Feiertags von 20.00 Uhr bis 01.00 Uhr früh) und des zusätzlichen zahnärztlichen Wochenend- (Samstag, Sonntag) bzw. Feiertagsdienstes tagsüber von 09.00 bis 18.00 Uhr Bezug genommen wurde.

Hinsichtlich dieser Akutpatienten (Schmerzpatienten) brachte der ärztliche Amtssachverständige im Wesentlichen vor, es führe im Hinblick darauf, dass im achten Wiener Gemeindebezirk von den 19 Vertragszahnärzten an Freitagen nur acht und Freitag nachmittags nur fünf (hiebei lässt er die Dentisten unberücksichtigt) ordinieren, das (oben genannte) Angebot der täglichen zahnärztlichen Nachtdienste und des zusätzlichen Wochenend- und Feiertagsdienstes tagsüber dazu, dass Patienten, die Donnerstag abends an Zahnschmerzen leiden, sich mindestens bis zum Montag - wenn nicht länger - gedulden müssen, da diese Dienste nur zur Überbrückung dienten, und deshalb der Bedarf für das Ambulatorium bestehe.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Bedarf im Sinne des Gesetzes zu verneinen, wenn Schmerzpatienten in der Regel am selben Tag versorgt werden können und in den anderen nicht dringenden Fällen ein ausreichendes Behandlungsangebot gegeben ist, wobei eine Wartezeit von etwa zwei Wochen durchaus zumutbar ist und selbst ein Überschreiten dieses Richtwertes in einzelnen Fällen um einige Tage noch nicht ein den Patienten nicht mehr zumutbares Versorgungsdefizit aufzeigt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. Juni 1993, Zl. 92/11/0010, vom 31. Mai 1994, Zl. 92/11/0242 uva.). Das ärztliche Amtssachverständigengutachten lässt die insoweit erforderlichen, der Wertung zugänglichen Erhebungen bei den in Betracht kommenden Zahnbehandlern zur Frage der Wartezeit bei Schmerzpatienten und hinsichtlich der anderen nicht dringenden Fälle vermissen. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der an Freitagen vom Amtssachverständigen behaupteten Versorgungslücke im achten Wiener Gemeindebezirk, wobei, wie schon oben ausgeführt wurde, eine Beschränkung des Einzugsgebiets auf den achten Wiener Gemeindebezirk der Schlüssigkeit entbehrt. Hinzu kommt, dass die vom medizinischen Amtssachverständigen herangezogenen Ordinationszeiten, mögen sie vom Praxisplan der Ärztekammer für Wien (Internet) oder von den Ordinationsschildern stammen (eine Zuordnung ist nach der Aktenlage nicht möglich), keinen Aufschluss darüber geben, wie lange die Ordinationen tatsächlich betrieben werden, insbesondere weil sich Schmerzpatienten melden oder sonst ein längerer Ordinationszeitbedarf im Hinblick auf Patientenwünsche vorliegt.

Soweit der ärztliche Amtssachverständige in seinem Gutachten einen Bedarf für längere Öffnungszeiten auf Grund einer von der mitbeteiligten Partei bestellten Studie des Österreichischen Gallup-Institutes (Befragung von 200 Personen zwischen 12. Oktober und 15. Oktober 1999) sieht, wonach eine größere Zahl der Befragten längere Öffnungszeiten am späten Nachmittag und Abend für wünschenswert erachten, ist darauf hinzuweisen, dass es bei der Bedarfsprüfung darauf ankommt, ob die Patienten innerhalb der schon oben genannten zumutbaren Wartezeiten eine Behandlungsmöglichkeit finden. Für das Vorliegen eines Bedarfes im Sinne des § 4 Abs. 2 lit. a WrKAG 1987 kommt es lediglich darauf an, dass durch die Errichtung des Ambulatoriums die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird.

Aber auch die Ausführungen des ärztlichen Amtssachverständigen, wonach der Bedarf in Ansehung des Ambulatoriums deshalb zu bejahen sei, weil keine Ordination im achten Wiener Gemeindebezirk rollstuhlgerecht sei, wenn man vom Ambulatorium der Versicherungsanstalt der Öffentlichen Bediensteten absehe, und es nur bei drei Zahnbehandlern einen alten- und gehbehindertenfreundlichen Zugang gebe, sind nicht geeignet, das Bestehen eines solchen Bedarfes darzutun. Maßgebend ist in Ansehung der Bedarfsfrage, ob auch diese Patienten bisher in ausreichender Weise versorgt wurden und werden. Dass dies nicht der Fall wäre, ergibt sich aus dem dem ärztlichen Gutachten zu Grunde liegenden Befund nicht. Zunächst wäre klarzustellen, welche dem Kreis der Behinderten zuzurechnende Personen einer besonderen Ausstattung der Zahnbehandlungseinrichtung bedürfen. Sodann fehlen Ermittlungen auf Grund von Erfahrungswerten über die Nachfrage oder auf Grund von entsprechenden statistischen Daten über Anzahl und Wohnorte jener Personen, deren fachgerechte Zahnbehandlung eine behindertengerechte Ausstattung der betreffenden Einrichtung voraussetzt. Es fehlen ebenso Ermittlungen in der Frage, welche Fahrtstrecken mit dem PKW oder mit speziellen Fahrtendiensten zur Zahnbehandlungseinrichtung für diesen Personenkreis erforderlich und zumutbar sind und welche behindertengerechte Einrichtungen im solcherart bestimmten Einzugsgebiet bestehen. Erst auf der Grundlage entsprechender Ermittlungen könnten die Fragen des Einzugsgebietes und der wesentlichen Verbesserung der Versorgung im Einzugsgebiet für die Gruppe von Patienten beantwortet werden, deren Zahnbehandlung eine spezielle behindertengerechte Ausstattung voraussetzt.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 12. Dezember 2000

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