VwGH 2000/10/0139

VwGH2000/10/013913.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde der Mag. pharm. G in Guntramsdorf, vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 21. Dezember 1999, Zl. 7-H, betreffend Zurücknahme der Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke, zu Recht erkannt:

Normen

ApG 1907 §27;
ApG 1907 §47 Abs2;
VwRallg;
ApG 1907 §27;
ApG 1907 §47 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt eine behördlich konzessionierte öffentliche Apotheke in Gd. und eine dazugehörige Filialapotheke in Gk.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 1999 nahm die Bezirkshauptmannschaft Mödling die Bewilligung zum Betrieb der Filialapotheke in Gk. gemäß § 27 in Verbindung mit § 44 Abs. 1 und 2 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, zuletzt in der Fassung BGBl. I 120/1998 (ApG), zurück.

In der Begründung wird ausgeführt, mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (LH) vom 27. Juli 1988 sei Mag. pharm. J. R. gemäß § 24 Abs. 1 ApG die Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke in Gk. erteilt worden. Am 9. August 1989 habe die Bezirkshauptmannschaft Mödling Mag. pharm. J. R. die Betriebsanlagengenehmigung zur Errichtung der Filialapotheke in Gk. erteilt. Mit Bescheid des LH vom 18. Juni 1998 sei der Nachtrag zum Abtretungsübereinkommen vom 19. Februar 1998, abgeschlossen zwischen Mag. J. R. und der Beschwerdeführerin zum Betrieb der Filialapotheke in Gk. genehmigt worden. Mit Schreiben vom 16. Juli 1999 habe Mag. pharm. R. T. der Bezirkshauptmannschaft mitgeteilt, dass ihr mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 26. Juli 1998 die Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke im Standort T. erteilt und die öffentliche Apotheke mit heutigem Tag in Betrieb genommen worden sei. Mag. pharm. R. T. habe gleichzeitig um Zurücknahme der Filialapotheke in Gk. unter Beilage eines verkehrstechnischen Gutachtens des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. November 1997 ersucht. Aus diesem Gutachten, welches über Auftrag des LH im Wege der Bezirkshauptmannschaft Mödling erstellt worden sei, ergebe sich als kürzeste öffentliche Straßenverbindung (ganzjährig befahrbar) zwischen der Filialapotheke in Gk. und der öffentlichen Apotheke in T. eine Strecke von weniger als 3,350 km. Da die neue öffentliche Apotheke am 19. Juli 1999 eröffnet worden sei und sich diese öffentliche Apotheke in einer Entfernung von weniger als 3,350 km von der Filialapotheke in Gk. befinde, sei die Filialapothekenbewilligung zurückzunehmen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Dieser wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 27. Juni 2000, B 2090/99-11, ab und trat sie mit Beschluss vom 28. August 2000, B 2090/99-14, dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bringt die Beschwerdeführerin vor, die belangte Behörde habe das "Filialapothekenprivileg" missachtet. Dazu führt die Beschwerdeführerin aus, mit Bescheid des LH vom 27. Juli 1988 sei Mag. pharm. J. R. als Konzessionärin der öffentlichen Apotheke "Zum hl. Jakob" in Gd. die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Filialapotheke in der benachbarten Ortschaft Gk. erteilt worden. 1992 sei in der Stammapotheke Gd. - bewilligtermaßen - ein Wechsel des Konzessionärs erfolgt. Seit damals betreibe die Beschwerdeführerin auf der Grundlage des Bescheides des LH vom 26. Juni 1992 sowohl die Apotheke "Zum hl. Jakob" als auch die Filialapotheke in Gk. Für die Filialapotheke in Gk. sei jedoch anlässlich der solcherart vorgenommenen Konzessionserteilung und Abtretungsbewilligung im Jahr 1992 keine neue Bewilligung beantragt worden. Sowohl die Landesgeschäftsstelle Niederösterreich der Österreichischen Apothekerkammer als auch der LH hätten dazu - nach Ansicht der Beschwerdeführerin unzutreffenderweise - die Auffassung vertreten, dass beim Übergang der Stammapotheke und dem damit verbundenen Wechsel des Konzessionärs auch für die Filialapotheke eine neuerliche Bewilligung erwirkt werden müsse. Die Beschwerdeführerin habe daher mit Schreiben vom 24. Februar 1998 den Antrag gestellt, ihr die Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke in Gk. zu erteilen. Mit Bescheid des LH vom 18. Juni 1998 sei der Beschwerdeführerin diese Bewilligung "in analoger Anwendung des § 15 Abs. 1 des Apothekengesetzes" antragsgemäß erteilt worden. Der LH habe ihr also explizit "die Bewilligung zum Betrieb der bestehenden Filialapotheke in Gk."

erteilt. Dieser Bescheid sei als "Bewilligung zur Errichtung einer Filialapotheke" im Sinne des § 47 Abs. 2 ApG anzusehen. Die in dieser Bestimmung vorgesehene fünfjährige Sperrwirkung sei noch nicht verstrichen. Der angefochtene Bescheid sei daher schon deshalb rechtswidrig, weil die Beschwerdeführerin in Gk. eine Filialapotheke betreibe, die vor weniger als fünf Jahren bewilligt worden und sohin bis zum Ablauf dieser Fünf-Jahres-Frist "immunisiert" sei. Auf diesen Umstand habe die belangte Behörde nicht Bedacht genommen.

Bereits im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof habe die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass § 27 ApG unsachlich sei, weil diese Bestimmung ohne ersichtlichen Grund von dem im ApG grundgelegten System der Bedarfsprüfung abweiche. Der Verfassungsgerichtshof habe diese Argumentation mit der Begründung verworfen, § 27 ApG müsse verfassungskonform ausgelegt werden. Eine solche verfassungskonforme Auslegung scheitere aber am eindeutigen Wortlaut des § 27 ApG. Selbst wenn man aber den vom Verfassungsgerichtshof gewiesenen Weg der verfassungskonformen Auslegung beschreite, erscheine es im Beschwerdefall allein sachgemäß, die Beurteilung der Bewilligungstauglichkeit einer Filialapotheke nach dem Bedarfskriterium des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG vorzunehmen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1999, 96/10/0113). Richtigerweise sei daher bei verfassungskonformer Interpretation der §§ 24 und 27 ApG die Zurücknahme einer Filialapothekenbewilligung nur dann zulässig, wenn die innerhalb eines Umkreises von 4 km neu eröffnete öffentliche Apotheke durch das Fortbestehen der Filialapotheke unter 5.500 zu versorgende Personen fallen würde. Davon könne im Beschwerdefall nicht die Rede sein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 27 ApG ist die Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke von der Behörde zurückzunehmen, wenn in der Umgebung eine neue öffentliche Apotheke in Betrieb genommen wird und die Betriebsstätte der Filialapotheke von der Betriebsstätte der neuen öffentlichen Apotheke nicht mehr als eine Wegstrecke von 4 km entfernt ist.

In seinem Erkenntnis vom 27. Juni 2000, B 2090/99-11, mit welchem die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Zurücknahmebescheid abgewiesen wurde, führte der Verfassungsgerichtshof zunächst aus, neben öffentlichen Apotheken lasse das ApG in beschränktem Maße auch Filialapotheken (§§ 24 ff leg. cit.) und ärztliche Hausapotheken (§§ 28 ff ApG) zu. Die ärztlichen Hausapotheken hätten nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes lediglich Surrogatfunktion (VfSlg. 5648/1967) für die Fälle, in denen eine öffentliche Apotheke für die Versorgung der Bevölkerung nicht vorhanden sei.

Das Konzept der §§ 24 ff ApG für Filialapotheken sei mit dem Konzept für ärztliche Hausapotheken durchaus vergleichbar. Auch im Fall der Filialapotheken gehe es um die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln, die anders nicht hinreichend gewährleistet würde.

Das Recht zum Betrieb von Filialapotheken sei vom Recht zum Betrieb einer konzessionierten öffentlichen Apotheke abgeleitet. Der Betrieb einer Filialapotheke solle bloß die Versorgung der Bevölkerung im näheren Umfeld einer "Stammapotheke" erleichtern. Aus diesem Grund unterliege die Filialapotheke insbesondere nicht der strengen Betriebszeitenregelung für öffentliche Apotheken, sondern es reiche ein "zeitweises Offenhalten an Werktagen"; weiters bestünden geringere Anforderungen an Betriebsräume. Durch diese Regelungen werde die Surrogatfunktion einer Filialapotheke ersichtlich.

Im Einklang mit diesen Systementscheidungen sehe § 27 ApG vor, dass die Bewilligung zum Betrieb einer Filialapotheke zurückzunehmen ist, wenn im Umfeld von 4 km eine konzessionierte öffentliche Apotheke neu errichtet wird.

Im Anschluss an diese Ausführungen zum System des ApG fährt der Verfassungsgerichtshof fort:

"Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen dieses System dem Grunde nach keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Er hegt insbesondere keine Bedenken dagegen, dass Filialapotheken - als quasi dislozierte Verkaufsstellen einer öffentlichen Apotheke - einer anderen zusätzlichen öffentlichen (Voll-)Apotheke, die uneingeschränkt allen apothekenrechtlichen Pflichten im Interesse optimaler Heilmittelversorgung entsprechen muss, zu weichen haben. Daran vermag auch eine allenfalls mit der Schließung der Filialapotheke verbundene Erschwerung der Versorgung im Standort dieser Filialapotheke nichts zu ändern, weil dieser Nachteil durch die Verbesserung der Versorgung eines (regelmäßig) größeren Personenkreises durch die Errichtung und den Bestand einer öffentlichen (Voll-)Apotheke, die überdies im Vergleich zur Filialapotheke zusätzlichen Betriebspflichten im öffentlichen Interesse obliegt, mehr als wettgemacht wird.

Der Verfassungsgerichtshof hegt des Weiteren keine Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber dieses (suppletorische) Verhältnis zwischen (Voll-)Apotheken und Filialapotheken u.a. auch in zulässig typisierender Weise - durch die Voraussetzung einer Mindestentfernung von 4 km (§ 27 ApG) zum Ausdruck bringt.

Die Beschwerdeführerin wäre indessen mit ihrem Vorbringen im Ergebnis im Recht, wenn dem Gesetz - wie sie meint - tatsächlich ein Inhalt zu unterstellen wäre, der innerhalb einer einmal gewählten Systementscheidung (wie hier dem Verhältnis zwischen Vollapotheken und Filialapotheken) eine unsachliche Unterscheidung einführt. Dieser Fall wäre jedenfalls dann gegeben, wenn - wie die Beschwerdeführerin behauptet - die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke im Umkreis von vier Kilometern von der Filialapotheke zwar zur Zurücknahme der Filialapothekenbewilligung führen, aber nicht ausschließen würde, dass auf Antrag alsbald wieder eine Bewilligung für diese Filialapotheke erteilt werden müsste, weil bei der Bewilligungsentscheidung der Abstand von vier Kilometern von der (fremden) öffentlichen Apotheke nicht zu prüfen wäre. Eine solche Regelung wäre - hier ist der Beschwerdeführerin zweifelsohne zu folgen - schon deswegen unsachlich, weil sie dem Filialapothekenbetreiber Belastungen auferlegen würde, ohne dass dem erkennbare öffentliche Nutzen gegenüberstünden.

Indes kann dem Gesetz kein solcher Inhalt unterstellt werden, mag auch der Wortlaut des ApothekenG (in seinen §§24 und 27) auf den ersten Blick in diese Richtung deuten. Der Verfassungsgerichtshof ist vielmehr der Auffassung, dass eine sinnorientierte wie auch eine verfassungskonforme Interpretation ohne weiteres zu dem Ergebnis führt, dass die §§24 und 27 ApothekenG auch einer (erstmaligen oder neuerlichen) Bewilligung einer Filialapotheke entgegenstehen, wenn eine andere, von einem Dritten betriebene öffentliche Apotheke im Umkreis von vier Kilometern besteht.

Die von der Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht behauptete Verfassungswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden generellen Normen liegt daher nicht vor."

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass in einer Entfernung von weniger als 4 km von der Betriebsstätte ihrer Filialapotheke eine neue öffentliche Apotheke in Betrieb genommen wurde. Damit aber sind die Voraussetzungen des § 27 ApG für die Zurücknahme der Bewilligung zum Betrieb der Filialapotheke erfüllt. Weitere Voraussetzungen enthält diese Bestimmung nicht. Dass § 27 ApG lediglich auf die Entfernung zwischen der Filialapotheke und der neu in Betrieb genommenen öffentlichen Apotheke abstellt, ist, wie dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 2000, B 2090/99-11, zu entnehmen ist, nicht verfassungswidrig. § 27 ApG bedarf daher auch keiner verfassungskonformen Auslegung in der Richtung, dass die Zurücknahme der Filialapothekenbewilligung nur zulässig sei, wenn die innerhalb eines Umkreises von 4 km eröffnete neue öffentliche Apotheke durch das Fortbestehen der Filialapotheke unter 5.500 zu versorgende Personen fallen würde. Die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes über eine verfassungskonforme Auslegung des § 27 ApG beziehen sich auf etwas ganz anderes, nämlich die Frage der (neuerlichen) Bewilligung einer Filialapotheke.

Nach § 47 Abs. 2 ApG ist ein Konzessionsantrag eines Bewerbers vom Landeshauptmann auch dann ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn ein früherer Antrag eines anderen Bewerbers um die Errichtung einer neuen Apotheke an demselben Standort wegen des Fehlens der im § 10 bezeichneten sachlichen Voraussetzungen abgewiesen worden ist, von dem Datum der Zustellung des letzten in der Angelegenheit ergangenen Bescheides an gerechnet, nicht mehr als zwei Jahre vergangen sind und eine wesentliche Veränderung in den für die frühere Entscheidung maßgebenden lokalen Verhältnissen nicht eingetreten ist. Ohne weiteres Verfahren abzuweisen ist ein Antrag für den Standort einer gemäß § 3 Abs. 7 geschlossenen Apotheke vor Ablauf von zwei Jahren nach Zurücklegung der Konzession. Ebenso ist zu verfahren, wenn in der Gemeinde des angesuchten Standortes die Bewilligung zur Errichtung einer Filialapotheke vor weniger als fünf Jahren erteilt wurde.

§ 47 Abs. 2 letzter Satz ApG bedeutet eine Sperre für die Bewilligung einer neuen Apotheke, nicht aber eine Sperre für die Zurücknahme einer bewilligten Filialapotheke bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 27 ApG.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. November 2000

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