Normen
WRG 1959 §31c Abs1;
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2 litc;
WRG 1959 §34;
WRG 1959 §38;
WRG 1959 §9;
WRG 1959 §31c Abs1;
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2 litc;
WRG 1959 §34;
WRG 1959 §38;
WRG 1959 §9;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird in seinem die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 betreffenden Teil wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Die Kostenentscheidung wird vorbehalten.
Begründung
Unter dem Datum des 14. April 1999 erließ die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch:
"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit nach außen zur Vertretung befugtes Organ der Firma T. zu verantworten, dass zumindest Anfang November 1998 auf der Gp. 1032 KG P. im Gemeindegebiet P. auf einer Fläche von ca. 2.000 m2 ein Bodenaustausch (Entfernung der Schotterschicht und Ersetzung durch ein Lehm-Sand-Kies-Humusgemisch) durchgeführt wurde,
1. ohne dass eine dafür erforderliche naturschutzrechtliche Bewilligung nach § 6 lit. b Tiroler Naturschutzgesetz vorlag, da es sich dabei um einen maschinellen Abbau von mineralischen Rohstoffen handelte;
2. ohne dass eine dafür erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nach § 31b Wasserrechtsgesetz vorlag, da das eingebrachte Material einer Enddeponierung zugeführt wurde;
3. ohne dass eine dafür erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nach § 31c Wasserrechtsgesetz vorlag, da durch die Schotterentnahme mit einer Tiefe von bis zu ca. 3 - 4 m der Grundwasserbereich betroffen war.
Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung nach
1. § 43 (1) lit. a i.V.m. § 6 lit. b Tiroler Naturschutzgesetz, LGBl. Nr. 33/1997 (kurz: TNSchG)
2. § 137 (3) lit. f i.V.m. § 31b (1) Wasserrechtsgesetz 1959 (kurz: WRG)
3. § 137 (3) lit. f i.V.m. § 31c (1) Wasserrechtsgesetz 1959 (kurz: WRG)
begangen."
Der Beschwerdeführer berief.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 29. Mai 2000 gab die belangte Behörde der Berufung insofern Folge, als Punkt 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (Bestrafung wegen Übertretung des § 137 Abs. 3 lit. f WRG 1959 i.V.m. § 31b Abs. 1 leg. cit.) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt wurde.
Hinsichtlich der Punkte 1 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, nicht wegen einer Übertretung des § 6 lit. b des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997 sowie wegen einer Übertretung des § 31c WRG 1959 mangels Vorliegens der in den genannten Bestimmungen enthaltenen Tatbestandsvoraussetzungen bestraft zu werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, soweit sie die Bestrafung wegen Übertretung des WRG 1959 betrifft, in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 137 Abs. 3 lit. f WRG 1959 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der WRG-Novelle 1999, BGBl. I Nr. 155, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern die Tat nicht nach Abs. 4 oder 5 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 100.000 Schilling zu bestrafen, wer eine gemäß §§ 31a, 31b oder 31c bewilligungspflichtige Anlage ohne Bewilligung oder entgegen einer solchen errichtet oder betreibt.
Nach § 31c Abs. 1 WRG 1959 bedarf unbeschadet der Bestimmungen der §§ 9, 32, 34 und 38 die Gewinnung von Sand und Kies der wasserrechtlichen Bewilligung, wenn sie mit besonderen Vorrichtungen erfolgt.
Bei Vorhaben nach Abs. 1, die nach den gewerberechtlichen Vorschriften genehmigungspflichtig sind oder die dem Bergrecht unterliegen, entfällt nach § 31c Abs. 3 WRG 1959 die Bewilligungspflicht, wenn das Vorhaben außerhalb wasserrechtlich besonders geschützter Gebiete geplant ist. In diesen Fällen hat die nach den angeführten Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde insbesondere die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung (§ 30) notwendigen Auflagen vorzuschreiben, die nach Beendigung der Entnahme zu treffenden Maßnahmen aufzutragen sowie darauf zu achten, dass Gemeinden in der Versorgung ihrer Bewohner mit Trinkwasser nicht beeinträchtigt werden.
§ 31c Abs. 1 WRG 1959 unterwirft die Gewinnung von Sand und Kies, wenn sie mit besonderen Vorrichtungen erfolgt, einer wasserrechtlichen Bewilligung "unbeschadet der Bestimmungen der §§ 9, 32, 34 und 38".
Nach § 32 Abs. 1 WRG 1959 sind Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 2) beeinträchtigen, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Bloß geringfügige Einwirkungen, insbesondere der Gemeingebrauch (§ 8) sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung (Abs. 8), gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung.
Nach § 32 Abs. 2 lit. c bedürfen der Bewilligung nach Maßgabe des Abs. 1 insbesondere Maßnahmen, die zur Folge haben, dass durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt wird.
Die Gewinnung von Sand und Kies im Grundwasserbereich einschließlich des Grundwasserschwankungsbereiches ("Nassbaggerungen") bedarf einer wasserrechtlichen Bewilligung nach § 32 Abs. 2 lit. c (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Jänner 1995, 92/07/0188, u.v.a.).
Ob eine solche Nassbaggerung zusätzlich auch einer Bewilligung nach § 31c Abs. 1 WRG 1959 bedarf, hängt von der Auslegung der Worte "unbeschadet der Bestimmungen der §§ 9, 32, 34 und 38" im § 31c Abs. 1 WRG 1959 ab.
Raschauer (Kommentar zum Wasserrecht, Rz 4 zu § 9) zieht aus dem Wort "unbeschadet" in § 31c Abs. 1 WRG 1959 den Schluss, dass dann, wenn bei einer Sand- und Kiesgewinnung in Form einer Nassbaggerung die Voraussetzungen des § 31c gegeben sind, dieser Bewilligungstatbestand sowie jener des § 9 leg.cit. kumulativ zur Anwendung kommen. Gleiches müsste konsequenterweise für Nassbaggerungen gelten, die einer Bewilligung nach § 32 WRG 1959 bedürfen.
Auch Kaan/Braumüller (Handbuch Wasserrecht, 248) scheinen diese Auffassung zu teilen, wenn sie ausführen, eine Bewilligung nach § 31c Abs. 1 genüge nur für eine Trockenbaggerung; für Nassbaggerungen sei immer (auch) eine Bewilligung nach § 32 erforderlich.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung, dass § 31c und § 32 WRG 1959 kumulativ zur Anwendung kommen, nicht.
Für die Auffassung von Raschauer und Kaan/Braumüller könnte sprechen, dass das WRG 1959 an anderen Stellen, wo es eine Kumulation von Bewilligungstatbeständen ausschließen will, wie etwa im § 38, diesen Ausschluss in der Weise vornimmt, dass eine Bewilligung nur dann einzuholen ist, wenn eine solche nicht schon nach anderen Bestimmungen des WRG 1959 erforderlich ist.
Eine nähere Betrachtung zeigt aber, dass auch im Falle der §§ 31c und 32 WRG 1959 keine Kumulation von Bewilligungen vom Gesetzgeber gewollt ist.
Das Wort "unbeschadet" mit Beziehung auf die §§ 9, 32, 34 und 38 WRG 1959 bedeutet lediglich, dass § 31c WRG 1959 diese Tatbestände nicht verdrängt. Es bedeutet aber für sich allein nicht, dass § 31c und die mit dem Wort "unbeschadet" verwiesenen Tatbestände kumulativ zur Anwendung kommen.
§ 31c WRG 1959 unterwirft die Gewinnung von Sand und Kies mit besonderen Vorrichtungen einer wasserrechtlichen Bewilligung.
Die Gewinnung von Sand und Kies mit besonderen Vorrichtungen wird auch von § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 erfasst, wenn sie im Grundwasserbereich (einschließlich des Grundwasserschwankungsbereiches) erfolgt.
Der Bewilligungstatbestand des § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 enthält alle Tatbestandselemente des § 31c leg. cit. und darüber hinaus noch ein zusätzliches Tatbestandselement, nämlich die Berührung des Grundwassers. § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 stellt daher die lex specialis zu § 31c WRG 1959 dar.
§ 31c WRG 1959 verbindet mit der Bewilligungspflicht auch keine Rechtsfolgen, die über jene hinausgehen, die mit der Bewilligungspflicht nach § 32 leg. cit. verbunden sind.
Auch die Entstehungsgeschichte des § 31c WRG 1959 spricht gegen eine Kumulation.
§ 31c WRG 1959 wurde durch die WRG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252, in das WRG 1959 eingefügt. Der Inhalt dieser Bestimmung geht aber im Wesentlichen bereits auf den durch die WRG-Novelle 1969, BGBl. Nr. 207, in das WRG 1959 eingefügten § 31a zurück.
Zu § 31a Abs. 2 WRG 1959 führen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur WRG-Novelle 1969 (1217 Blg. NR. XI. GP, 9) aus:
"Die Gewinnung von Sand und Kies aus einem Gewässer bedarf der wasserrechtlichen Bewilligung nach § 9, eine Entnahme innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer der Bewilligung nach § 38, eine Nassbaggerung im Grundwasserbereich nach § 32 Abs. 2 lit. c und innerhalb von Schongebieten nach § 34. In Wasserschutzgebieten besteht in der Regel ein Verbot.
Durch die Bestimmung des Abs. 2 soll die Lücke für die wasserrechtlich noch nicht erfassten Entnahmen geschlossen werden, da sie auch außerhalb wasserrechtlich besonders geschützter Gebiete eine Gefahr für das Grundwasser darstellen. Die Gefahr liegt darin, dass zunächst auf jeden Fall die das Grundwasser schützende Bodenschicht, in der hauptsächlich der biologische Abbau von Verunreinigungen erfolgt, entfernt wird. Dadurch wird der natürliche Schutz des Grundwassers weitgehend vermindert oder ganz beseitigt, wobei dieser Zustand im Gegensatz zu anderen Baustellen bestehen bleibt. Diese nach dem Abbau meist sich selbst überlassene Grube bietet erfahrungsgemäß den Anreiz zu Ablagerungen von Unrat und Abfall. Die Sand- und Kiesgewinnung ist außerdem infolge der intensiven Bautätigkeit überall verbreitet, und zwar meist gerade dort, wo sich die wertvollen Grundwasservorkommen vorfinden. Da Abbau und nachfolgender Zustand demnach das Grundwasser und damit bestehende und künftige Wasserversorgungen gefährden, ist die behördliche Einflussnahme im Interesse des Gewässerschutzes notwendig".
Aus diesen Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des neuen Bewilligungstatbestandes nach § 31a Abs. 2 WRG 1959 lediglich eine Lücke schließen wollte, die sich dort auftat, wo die Gewinnung von Sand und Kies nicht einer Bewilligung nach den §§ 9, 32, 34 oder 38 WRG 1959 bedurfte. Hingegen sollte mit der Einfügung des § 31a Abs. 2 WRG 1959 kein zu den Bewilligungstatbeständen der §§ 9, 32, 34 und 38 kumulativ hinzutretender neuer Bewilligungstatbestand geschaffen werden. Ein solcher wäre jedenfalls dort sinnlos, wo § 31a (nunmehr: § 31c) keine über die sonst in Betracht kommenden Bewilligungstatbestände hinausgehenden Rechtsfolgen vorsieht, wie dies jedenfalls im Verhältnis zu den §§ 9 und 32 der Fall ist. Dem Willen des Gesetzgebers, mit § 31a (nunmehr § 31c) lediglich eine Lücke zu füllen, entspricht es daher, eine Kumulation jedenfalls dort nicht anzunehmen, wo die im § 31c Abs. 1 WRG 1959 genannten Bestimmungen den Schutzzweck des § 31c voll erfüllen, wie dies jedenfalls bei den §§ 9 und 32 WRG der Fall ist. Ob auch die §§ 34 und 38 den § 31c ersetzen, kann für den Beschwerdefall offen bleiben.
Die Gewinnung von Sand und Kies im Grundwasserbereich unterliegt daher nur einer Bewilligung nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959.
Im Beschwerdefall liegt, wie sich aus der Formulierung des erstinstanzlichen Bescheides ergibt, eine Nassbaggerung vor. Diese bedurfte aber keiner Bewilligung nach § 31c WRG 1959, sondern einer solchen nach § 32 Abs. 2 lit. c leg. cit. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer aber wegen einer Übertretung nach § 137 Abs. 3 lit. f WRG 1959 i.V.m.
§ 31c Abs. 1 leg. cit. bestraft. Seine Bestrafung erfolgte daher nach einer unzutreffenden Norm.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Bestrafung nach dem WRG 1959 als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Eine Entscheidung über jenen Teil der Beschwerde, der sich gegen die Bestrafung wegen Übertretung des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997 richtet, wird durch den zuständigen Senat erfolgen. In dieser Entscheidung wird auch über die Kosten abzusprechen sein.
Wien, am 20. Oktober 2000
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