VwGH 2000/04/0001

VwGH2000/04/000127.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, in der Beschwerdesache des Mag. PK in W und des OS in V, beide vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) vom 24. November 1999, Zl. 38.509/4-III/A/5/99, betreffend Einspruch gegen die Wahl eines Bundesgremialvorstehers und seines Stellvertreters, den Beschluss gefasst:

Normen

AHG 1949 §11;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;
VwGG §63 Abs1 idF 1995/470;
AHG 1949 §11;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;
VwGG §63 Abs1 idF 1995/470;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Beschwerdeverfahren eingestellt.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nachdem der bis dahin tätige Vorsteher des Bundesgremius der Versicherungsmakler und Versicherungsagenten mit 1. September 1997 zurückgetreten war, war auf Grundlage von § 47 Abs. 6 Handelskammergesetz eine Neubesetzung dieser Funktion vorzunehmen. Vorschläge wurden einerseits von der Wählergruppe vorgelegt, auf deren Liste der Ausgeschiedene in den Gremialausschuss gewählt worden war, aber auch von den beiden im Ausschuss vertretenen "gekoppelten Listen", die im Gremialausschuss seinerzeit den Wahlvorschlag für die Wahl des zurückgetretenen Bundesgremialvorstehers eingebracht hatten. Von der Hauptwahlkommission wurde dem Vorschlag jener Wählergruppe, auf deren Liste der ausgeschiedene Vorsteher in den Ausschuss gewählt worden war, entsprochen.

Die Beschwerdeführer erhoben Einspruch gegen den Beschluss der Hauptwahlkommission vom 6. November 1997. Dieser wurde von der Hauptwahlkommission mit Bescheid vom 25. Mai 1999 zurückgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 24. November 1999 "auf Grundlage der §§ 114 Abs. 1 und 101 Abs. 4 Wirtschaftskammergesetz, BGBl. I Nr. 103/1998, abgewiesen". In der Begründung vertritt die belangte Behörde u.a. die Auffassung, dass mit 1. Jänner 1999 das Handelskammergesetz durch das Wirtschaftskammergesetz 1998 außer Kraft gesetzt worden sei; die Sachlage sei an Hand der Vorschriften des Wirtschaftskammergesetzes 1998 zu beurteilen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Nach Erhebung der Beschwerde wurden die Wirtschaftskammerwahlen 2000 durchgeführt.

Mit hg. Verfügung vom 30. Juni 2000 wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, zur Frage Stellung zu nehmen, inwieweit noch - vor dem Hintergrund, dass bei Ausscheiden eines Einzelorganes für den Rest der Funktionsperiode eine Nachwahl vorzunehmen ist - eine Beschwer für die Beschwerdeführer besteht.

Im Schriftsatz vom 7. August 2000 wurde vom Vertreter der Beschwerdeführer mit folgender Begründung die Auffassung vertreten, dass ein Rechtsschutzinteresse trotz Ablaufes der Funktionsperioden des Bundesgremialvorstehers und seines Stellvertreters bestehe:

"Erstens handelt es sich um eine Wahl in einen Selbstverwaltungskörper, sodass die beschwerdeführende Liste ein politisches Interesses hat zu wissen, ob der von ihr vorgeschlagene Bundesgremialvorsteher zu Unrecht von der Funktion des Bundesgremialvorstehers ausgeschlossen wurde. Zweitens sind durch eine rechtswidrige Erklärung einer Person zum Bundesgremialvorsteher die in seiner Funktion gesetzten Akte rechtlich und politisch rechtswidrig bzw. unwirksam; im Falle der Stattgabe der Beschwerde wäre dies klar gestellt, was auch und insbesondere das Interesse der beschwerdeführenden Partei ist. Und drittens musste der von meiner Mandantschaft nominierte Bundesgremialvorsteher sich entsprechend auf das Amt vorbereiten, was auch finanziellen Aufwand für ihn und die beschwerdeführenden Listen bedeutete; das gegenständliche Beschwerdeverfahren ist als Vorfrage im Haftungsverfahren von Bedeutung."

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde, nach dessen Einvernahme die Beschwerde in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. Eine derartige Klaglosstellung (im engeren Sinne) setzt allerdings eine Beseitigung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides durch wen und aus welchem Titel auch immer, insbesondere eine formelle Aufhebung durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof voraus (vgl. etwa den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 1994, Zl. 92/17/0134).

Eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kann jedoch auch dann eintreten, wenn durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (vgl. hiezu etwa die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A - verstärkter Senat -, und vom 10. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.322/A).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Feststellung der Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht das bestimmungsgemäße Ziel des außerordentlichen Rechtsmittels der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde selbst, also nicht Selbstzweck, sondern (lediglich) der Weg, auf dem die Aufhebung des Bescheides erreicht wird.

Ausschlaggebend für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation ist, ob der Beschwerdeführer nach Lage des Falles durch den bekämpften Bescheid - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - in einem subjektiven Recht überhaupt verletzt sein kann. Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers, so ermangelt diesem die Beschwerdeberechtigung. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit wird immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied macht, ob der Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufrecht bleibt oder aufgehoben wird (vgl. etwa den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 2000, Zl. 99/03/0452, und die dort angegebene Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall ist die Rechtsverletzungsmöglichkeit der Beschwerdeführer im Hinblick darauf, dass das von den Beschwerdeführern angestrebte Verfahrensziel nicht mehr erreicht werden kann, weil bei Ausscheiden eines Einzelorganes nur für den Rest der Funktionsperiode eine Nachwahl vorzunehmen und die Funktionsperiode bereits abgelaufen ist, im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zu verneinen. Daran vermögen auch die im Schriftsatz vom 7. August 2000 angeführten Argumente nichts zu ändern. Es ist nämlich nicht zu erkennen, dass der angefochtene Bescheid noch aufrecht Rechte der Beschwerdeführer berührt - und nicht bloß (allenfalls) deren politische Interessen. Soweit allfällige Amtshaftungsansprüche angesprochen werden sollten, ist darauf zu verweisen, dass das Unterbleiben einer Sachentscheidung das Amtshaftungsgericht nicht hindert, einen Antrag auf Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 11 AHG zu stellen. Rechtspositionen, die ausschließlich im Wege der Amtshaftung geltend gemacht werden können, zählen nicht zu der rechtlich geschützten Interessenssphäre, die den Beschwerdeführer zur Beschwerdeerhebung oder zur Beschwerde(fort)führung im Bescheidbeschwerdeverfahren legitimiert (vgl. nochmals den zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 2000).

Die Beschwerde war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG für gegenstandslos geworden zu erklären und es war das Beschwerdeverfahren einzustellen.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung hatte § 58 Abs. 2 VwGG (in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997) zum Tragen zu kommen. Welcher Partei Kosten zuzusprechen sind, hängt dabei davon ab, wie das verwaltungsgerichtliche Verfahren aller Voraussicht nach ohne Eintritt der Gegenstandslosigkeit der Beschwerde ausgegangen wäre. Würde die Entscheidung über diese Frage einen - angesichts der weggefallenen Beschwer - unverhältnismäßigen Aufwand an Prüfungstätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes erfordern, kann der Verwaltungsgerichtshof die Kostenfrage nach freier Überzeugung entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof geht im Beschwerdefall in seiner prognostischen (die Kostenentscheidung tragenden, sonst keine Bindungswirkung erzeugenden) Einschätzung des voraussichtlichen Ausganges des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon aus, dass die belangte Behörde schon aus folgendem Grund die Rechtslage verkannt haben dürfte. Die belangte Behörde hat sich bei ihrer rechtlichen Beurteilung auf das mit 1. Jänner 1999 in Kraft getretene Wirtschaftskammergesetz 1998 gestützt, obwohl die Erstattung von Wahlvorschlägen und die Nachbesetzung des Bundesgremialvorstehers und seines Stellvertreters noch im zeitlichen Geltungsbereich des Handelskammergesetzes erfolgten. Zur diesbezüglichen Begründung beruft sich die belangte Behörde auf die hg. Rechtsprechung (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9.315/A - verstärkter Senat), wonach die Rechtsmittelbehörde im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden hat; eine andere Betrachtungsweise wäre nur dann geboten, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck brächte, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist oder wenn darüber abzusprechen wäre, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Im vorliegenden Fall dürfte es aber für die Aufsichtsbehörde gerade darum gegangen sein, zu beurteilen, ob die nach § 47 Abs. 6 Handelskammergesetz vorgenommene Nachbesetzung (wovon die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid selbst ausgeht) rechtens war, also im Sinne der hg. Rechtsprechung darüber abzusprechen, "was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war". Es war daher den Beschwerdeführern Aufwandersatz zuzusprechen.

Wien, am 27. September 2000

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