VwGH 99/18/0458

VwGH99/18/045817.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des E A in Fügen, geboren am 20. Juli 1953, vertreten durch Dr. Gerhard Thaler und Mag. Josef Kunzenmann, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Leopoldstraße 16/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 29. Oktober 1999, Zl. III 12-7/99, betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem - nach Aufhebung des Bescheides vom 20. Jänner 1999 mit hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 99/18/0088 - im zweiten Rechtsgang ergangenen Bescheid vom 29. Oktober 1999 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (die belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Punkt II des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 15. Oktober 1998 abgewiesen und ausgesprochen, dass der Bescheid in diesem Punkt wie folgt zu lauten hat:

"Gemäß § 75 Abs. 1 FrG 1997 wird auf ihren Antrag vom 24.09.1998, bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz eingelangt am 30.09.1998, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass sie in Bosnien-Herzegowina gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG 1997 bedroht sind."

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina habe vorgebracht, aus einem Ort zu stammen, der im Zuge des Krieges "komplett zerstört" worden wäre. Aufgrund des Vertrages von Dayton wäre dieser Ort den bosnischen Kroaten zugewiesen worden. Aufgrund seiner Abstammung und Religion würde er bei einer Rückkehr in diesen Ort Gefahr laufen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden.

Die Situation in Bosnien-Herzegowina habe sich seit der Unterzeichnung des Abkommens von Dayton am 10. November 1995 dahin geändert, dass seither Frieden herrsche. Im Hinblick darauf sei der Beschwerdeführer jede logische Erklärung und Begründung dafür schuldig geblieben, weshalb ihm in seinem Heimatstaat nach wie vor unmenschliche Behandlung bzw. der Tod drohe. Es möge zwar richtig sein, dass der Heimatort des Beschwerdeführers "den Kroaten zugewiesen" worden sei. Der Beschwerdeführer übersehe jedoch, dass nur eine solche Bedrohung zur Unzulässigkeit der Abschiebung führen könne, die sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehe. Nach dem Vertrag von Dayton bestünden in Bosnien-Herzegowina sowohl serbisch verwaltete ("serbische Republik") als auch kroatisch und moslemisch verwaltete ("kroatisch-moslemische Föderation") Gebietsteile. Jedenfalls in den moslemisch verwalteten Gebietsteilen müsse der Beschwerdeführer keine - ethnisch motivierte - Verfolgung befürchten. Dorthin könne er unbehelligt zurückkehren. Gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2

Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, umschriebenen Art durch den Staat Bosnien-Herzegowina seien nach dem Friedensvertrag von Dayton nicht bekannt geworden. Derartiges habe der Beschwerdeführer auch nicht konkret behauptet. Auf die vom Beschwerdeführer beantragte persönliche Einvernahme, die Einvernahme eines informierten Vertreters des UNHCR sowie auf die Vorlage des Original-Reisepasses des Beschwerdeführers werde wegen Unnotwendigkeit verzichtet.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren nach § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0080.) Für die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung ist erforderlich, dass sich die Gefährdung und/oder Bedrohung auf das gesamte Gebiet des vom Antrag umfassten Staat bezieht. (Vgl. aus der auch hier maßgeblichen ständigen hg. Judikatur zu § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, etwa das Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 97/18/0593.)

2.1. Das inhaltliche Beschwerdevorbringen erschöpft sich in Folgendem:

Der Beschwerdeführer und seine Familie seien im Zug des Krieges wegen ihrer moslemischen Religionszugehörigkeit vertrieben worden. Der Heimatort des Beschwerdeführers sei im Zug der Kriegshandlungen "komplett zerstört" worden. Dieser Ort sei nach dem Vertrag von Dayton "den bosnischen Kroaten zugesprochen und zugewiesen" worden. Im Fall der Rückkehr in seinen Heimatort laufe der Beschwerdeführer "aufgrund seiner Abstammung und Religion Gefahr ..., dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden".

2.2. Mit diesem nicht näher konkretisierten Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, im Sinn der oben (II.1.) dargestellten Judikatur glaubhaft zu machen, auch nach dem Vertrag von Dayton in seinem Heimatort, der nach seinem Vorbringen in dem durch diesen Vertrag geschaffenen, als "kroatisch-moslemische Föderation" bezeichneten Teilgebiet des Staates Bosnien-Herzegowina liegt, im Sinn von § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG gefährdet bzw. bedroht zu sein. Weder aus der vorgebrachten Zerstörung dieses Ortes im Zug der mit dem Vertrag von Dayton beendeten Kriegshandlungen noch aus der bloßen Zugehörigkeit zur moslemischen Bevölkerungsgruppe - ohne konkrete Hinweise auf nach wie vor gegebene vermehrte Übergriffe auf Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe im Vorbringen des Beschwerdeführers - kann Derartiges geschlossen werden.

Abgesehen davon wendet sich der Beschwerdeführer mit dem dargestellten Vorbringen nicht gegen die - unbedenkliche - Ansicht der belangten Behörde, er könne jedenfalls in den von moslemischen Bosniern dominierten Teil des Staates Bosnien-Herzegowina zurückkehren. (Vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. September 1998.)

2.3. Im Hinblick darauf ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, die Relevanz der in der Beschwerde behaupteten Verfahrensmängel darzutun.

3. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde zu Recht die Ansicht vertreten hat, dem Beschwerdeführer sei die Glaubhaftmachung einer Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht gelungen, wurde der Beschwerdeführer in dem geltend gemachten Recht auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina nicht verletzt. Im Hinblick darauf, dass dies bereits aus dem Inhalt der Beschwerde zu erkennen ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 17. Februar 2000

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte