Normen
AsylG 1997 §12;
AsylG 1997 §8;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §57;
AsylG 1997 §12;
AsylG 1997 §8;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §57;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger der "BR Jugoslawien", der am 1. Dezember 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 2. Dezember 1998 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 10. Februar 1999 niederschriftlich einvernommen.
Mit Bescheid vom 17. Februar 1999 wies das Bundesasylamt im Spruchteil I. den Asylantrag gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 idF. BGBl. I Nr. 4/1999 - AsylG, ab und stellte im Spruchteil II. fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei. Der Mitbeteiligte erhob Berufung gegen beide Spruchteile des erstinstanzlichen Bescheides.
Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. Juli 1999, mit welchem sie ausdrücklich nur über die gegen Spruchteil II. des Bescheides der Behörde erster Instanz vom 17. Februar 1999 erhobene Berufung entschied. Sie gab ihr statt und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG nicht zulässig sei.
Die belangte Behörde führte hiezu aus:
"Gemäß § 8 AsylG ist mit der 'Abweisung des Asylantrages' die Entscheidung betreffend Non-Refoulement zu verbinden; dementsprechend hat das Bundesasylamt im o.a. Bescheid abgesprochen und ist nun beim Unabhängigen Bundesasylsenat sowohl die Berufung gegen den § 7 betreffenden Spruchteil I. als auch die Berufung gegen den § 8 betreffenden Spruchteil II. anhängig.
Für den Fall des Berufungswerbers, der keinerlei individuelle Gründe geltend machen konnte, ergibt sich aus den unter
1. getroffenen Feststellungen Folgendes:
- ob dem Berufungswerber im Falle seiner jetzigen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine individuelle Verfolgung aus einem der Gründe des Art. 1 A Z 2 GFK (nach wie vor) droht, ist zum gegenständlichen Zeitpunkt nicht feststellbar, weil die ethnische Säuberung gestoppt wurde und weil nicht abzusehen ist, wie sich die Situation im Kosovo weiterentwickelt. Aufgrund des Fehlens von individuellen Gründen und aufgrund der bestehenden Unklarheit über eine etwaige Verfolgungsmotivation ist zum gegenständlichen Zeitpunkt ein Abspruch über die Berufung gegen Spruchteil I. des o. a. Bescheides nicht möglich.
- ob dem Berufungswerber im Falle seiner jetzigen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine unmenschliche Behandlung oder Strafe iSd Art. 3 EMRK oder die Todesstrafe droht (= § 57 Abs. 1 FrG), ist jedoch im gegenständlichen Zeitpunkt feststellbar, weil nach Art. 3 EMRK der Grund bzw. das Motiv für den Eingriff irrelevant ist."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 38 Abs. 5, zweiter Satz AsylG gestützte Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres.
Der beschwerdeführende Bundesminister wendet sich unter anderem dagegen, dass die belangte Behörde nur hinsichtlich des Spruchteiles II. des durch Berufung angefochtenen Bescheides der Behörde erster Instanz entschieden habe. Dies widerspreche der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 8 letzter Halbsatz AsylG. Diese stelle zu den allgemeinen Bestimmungen des AVG, welche gemäß § 23 AsylG im Asylverfahren nur insoweit anwendbar seien, als nicht im AsylG anderes bestimmt werde, eine Spezialnorm für das Asylverfahren dar. Sei ein Abspruch über die Berufung gegen die abweisende Entscheidung der Behörde erster Instanz betreffend den Asylantrag des Beschwerdeführers "zum gegebenen Zeitpunkt ... nicht möglich", dann verbiete sich die Erlassung eines Bescheides nur im Hinblick auf die Feststellung gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG.
In der von der belangten Behörde erstatteten Gegenschrift begründet die belangte Behörde ihre Rechtsansicht folgendermaßen:
"Der Beschwerdeführer macht nun geltend, dass § 59 Abs. 1 AVG durch 'die verfahrensrechtliche Bestimmung des § 8 letzter Halbsatz AsylG verdrängt' werde; er argumentiert dahingehend, dass eine Feststellung nach § 8 AsylG - selbst bei Trennbarkeit und Zweckmäßigkeit - immer mit der Abweisung des Asylantrages zu 'verbinden' sei. Der Beschwerdeführer lässt hierbei außer Acht, dass im § 8 AsylG explizit von der 'Abweisung des Asylantrages' die Rede ist, über welche immer die Asylbehörde erster Instanz zu entscheiden hat, und nicht die Berufungsbehörde, welche gegebenenfalls über die 'Abweisung der Berufung' zu entscheiden hat. Die Auffassung des Beschwerdeführers würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass - unabhängig von einer Berufungserklärung - die belangte Behörde als Berufungsbehörde immer im Falle einer 'Abweisung der Berufung' gemäß § 7 AsylG auch einen Abspruch nach § 8 AsylG treffen müsste. Dies würde nicht nur allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen, sondern auch dem expliziten Wortlaut des § 8 AsylG widersprechen.
Aus diesen Gründen vertritt die belangte Behörde die Auffassung, dass sie im gegenständlichen Fall die Bestimmung des § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG zu Recht angewendet hat, da § 8 letzter Halbsatz AsylG für das Berufungsverfahren nichts anderes als das AVG bestimmt."
Die belangte Behörde beantragte die Abweisung der Beschwerde
als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 8 AsylG lautet:
"Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden."
Nach dem 6. Abschnitt des AsylG sind Behörden im Sinne dieses Gesetzes das Bundesasylamt als Asylbehörde erster Instanz und der unabhängige Bundesasylsenat, welcher über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamts entscheidet. § 8 AsylG richtet sich demnach sowohl an die Asylbehörde erster Instanz als auch an die belangte Behörde. Die Ansicht der belangten Behörde, es sei zwischen Abweisung des Asylantrages und Abweisung der Berufung zu unterscheiden, verkennt, dass die Berufungsbehörde grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat. Sie hat sich mit der vorliegenden Verwaltungssache in gleicher Weise wie die Behörde erster Instanz zu befassen. Demgemäß kann sie den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern. Es besteht keine Bindung an die Berufungsgründe. Sache der Berufungsentscheidung ist daher die Verwaltungssache, die zunächst der ersten Instanz vorlag. Die Berufungsbehörde darf sachlich nicht über mehr entscheiden, als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz war. Liegt dem erstinstanzlichen Bescheid aber ein Parteiantrag zugrunde, muss dieser Parteiantrag erledigt werden (vgl. die in Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 537 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Die Berufungsbehörde hat somit in der Regel inhaltlich über den Asylantrag selbst zu entscheiden. Dies wird insbesondere im Falle deutlich, als die Berufungsbehörde einer Berufung gegen die den Asylantrag abweisende Entscheidung der Behörde erster Instanz Folge gibt. Die Ansicht der belangten Behörde würde dazu führen, dass in einem solchen Fall der Bescheid der Behörde erster Instanz ersatzlos aufzuheben wäre, was aber nicht zulässig ist. In diesem Fall zeigt sich für jedermann unmittelbar einsichtig, dass die Berufungsbehörde direkt über den zugrundeliegenden Asylantrag in anderer Weise (nämlich durch Gewährung von Asyl) als die Behörde erster Instanz entschieden hat. Eine solche Asylgewährung im Sinne des § 7 AsylG hat weitere verfahrensrechtliche Auswirkungen gemäß § 12 AsylG, welche zusätzlich verdeutlichen, dass die Berufungsbehörde nicht bloß formell über die Berufung zu entscheiden hat, sondern inhaltlich über den zugrundeliegenden Asylantrag.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0566, Folgendes ausgesprochen:
"In seinem Spruchpunkt 2. war der angefochtene Bescheid ohne näheres Eingehen auf die von der belangten Behörde ausgeführte Begründung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, weil die Aufhebung des Spruchpunktes 1. mit der Wirkung 'ex tunc' erfolgt. Das Verfahren über den Asylantrag des Beschwerdeführers befindet sich sohin im Berufungsstadium, eine den Asylantrag abweisende Entscheidung der Behörde zweiter Instanz liegt nicht vor. Damit fehlt die gemäß § 8 AsylG für die Erlassung eines Feststellungsbescheides, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG), gesetzlich notwendige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der in allen sonstigen Fällen der Fremdenbehörde zukommenden Entscheidungskompetenz. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in seinem Spruchpunkt 2. mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war."
Es sei noch hinzugefügt, dass die Ansicht der belangten Behörde auch dem in den Erläuterungen (686 BlgNR, 20. GP, 20) genannten Zweck, nämlich einen wesentlichen Beitrag zu einer Verfahrenskonzentration und damit Verfahrensbeschleunigung zu erzielen, entgegenstünde. Denn es besteht keine sachliche Notwendigkeit, im Falle des offenen Asylverfahrens eine Feststellung betreffend Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat durch die Asylbehörden zu treffen, weil der Fremde als Asylwerber gemäß § 21 Abs. 2 AsylG ohnehin vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat geschützt ist.
Im Falle der positiven Entscheidung über den Asylantrag, also wenn die Berufungsbehörde auf Grund der gegen die abweisende Entscheidung der Asylbehörde erster Instanz erhobenen Berufung dem Asylwerber Asyl gewährt, ist überhaupt keine Feststellung im Sinne des § 8 AsylG iVm § 57 FrG zu treffen.
Bei offenem Asylverfahren ist es aus diesen Gründen dem unabhängigen Bundesasylsenat verwehrt, eine abgesonderte Entscheidung dahingehend zu erlassen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Asylwerbers in den Herkunftsstaat zulässig ist oder nicht. Da der angefochtene Bescheid sohin überhaupt nicht hätte erlassen werden dürfen, erübrigt es sich, auf die weiteren vom Beschwerdeführer vorgebrachten Verfahrens- und Rechtsrügen zum Inhalt des angefochtenen Bescheides einzugehen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 19. Jänner 2000
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